—— 32 —— zählung in Charlottenburg ſtattfinden am 25. Fe⸗ bruar 1906, alſo am nächſten Sonntag. Die hier in Charlottenburg veranſtalteten Zäh⸗ lungen ſollten in der Weiſe ausgeführt werden, daß ſeitens des Magiſtrats Zählkarten ausgegeben werden, welche die Arbeitsloſen ſich abholen ſollten an öffent⸗ lich bekannt gemachten Stellen, welche ſie dann aus⸗ füllen und wiederum an dieſe Stellen hinbringen ſollten. In dieſer Weiſe wurde die erſte Zählung am 23. Februar 1904 vorgenommen, und ſie wies nach in Charlottenburg 350 männliche Arbeitsloſe, 33 weibliche Arbeitsloſe. Das Statiſtiſche Amt, welches mit der Ausführung der Zählungen beauftragt war, war ſich klar darüber, daß eine vollſtändige Er⸗ faſſung der Arbeitsloſigkeit auf dieſem Wege nicht gegeben iſt, und auf Anregung des Statiſtiſchen Amtes und der Deputation für den Arbeitsnachweis wurden die folgenden Zählungen dann in der Weiſe veranſtaltet, daß freiwillige Hilfskräfte aus den Reihen der Arbeiterſchaft möglichſt in jedes von Ar⸗ beitern bewohnte Haus eine Zählkarte hintrugen, die dort auszufüllen war von Arbeitsloſen, und die auch von den Austrägern wieder mitgenommen und dem Statiſtiſchen Amte übermittelt wurde. Auf dieſe Weiſe ſind die folgenden Arbeitsloſenzählungen aus⸗ geführt, bei denen ſich ergaben: männliche Arbeitsloſe 247 im Juli, 485 im Oktober, 583 im Februar; für den folgenden Juli fehlt mir augenblicllich die Zahl — ich weiß aber aus der Erinnerung, daß ſie erheblich geringer war wie die eben genannten —, und bei der letzten Zählung im vorigen November er⸗ gaben ſich nur 72 auf dieſe Weiſe ermittelte Arbeitsloſe. Man könnte nun daraus den Schluß ziehen, daß dieſes Reſultat zeigt, daß wir uns in Charlotten⸗ burg in einer außerordentlich anſteigenden Konjunktur befinden, und daß die Zahl der Arbeitsloſen in der letzten Zeit ganz außerordentlich zurückgegangen iſt, ja ſo ſehr zurückgegangen iſt, daß es vielleicht frag⸗ lich erſcheinen könne, ob denn gegenwärtig überhaupt noch Veranlaſſung vorliege, mit dieſem Problem ſich näher zu beſchäftigen. Meine Herren, das Statiſtiſche Amt zieht einen ſolchen Schluß aus dem Reſultat der Zählungen nicht, ſondern das Statiſtiſche Amt iſt der Meinung, daß die außerordentlich geringe Zahl von 72 Arbeits⸗ loſen, die ſich bei der Zählung im November ergeben hat, weit mehr darauf hindeute, daß die Zählung in ſehr unvollkommener Weiſe ausgeführt ſei, als daß annähernd auch nur die Arbeitsloſen erfaßt ſeien. Das Statiſtiſche Amt führt als Grund hierfür in den uns letzthin zugegangenen Mitteilungen über dieſe Zählungen vom letzten November an: „Die ſehr geringe Zahl von Arbeitsloſen, welche dieſe Aufnahme ergeben hat, iſt wohl nicht allein der günſtigen wirtſchaftlichen Lage, ſondern hauptſächlich dem Umſtande zuzuſchreiben, daß die Gewerkſchaften, die wie ſonſt das Verteilen und Abholen der Zähl⸗ karten beſorgten, dieſes Mal weniger Eifer dabei bewieſen haben als früher, weil die auch im November ſtatt⸗ gehabten Stadtverordnetenwahlen ihre Kräfte ſtark in Anſpruch genommen haben.“ Das Statiſtiſche Amt meint alſo, die Arbeiter hätten ſich in geringerer Weiſe an der Zählung be⸗ teiligt, weil ſie anderweitig in dieſem November hauptſächlich auch durch die Wahlen beſchäftigt waren. Nun, meine Herren, wenn das Statiſtiſche Amt die Meinung ausſpricht, daß die Zählung nur unvoll⸗ kommen ausgeführt wurde, ſo iſt es damit vollkommen im Rechte. Ich habe mir die Tabellen angeſehen, über die Beteiligung der Arbeiter an der Zählung, Statiſtiſchen Amtes über die aktive Beteiligung derjenigen Arbeiter, welche damit beauftragt waren und es übernommen hatten, eine Anzahl von Häuſern zu belegen, und aus dieſen Tabellen geht nun hervor, daß in der Tat die Beteiligung der Arbeiter ſchon im Juli des vorigen Jahres und noch mehr im November des vorigen Jahres eine ſo geringe war, daß es abſolut unmöglich war, die ſämtlichen Häuſer in den Vierteln, die in Betracht kommen, zu belegen. Ja, es ſind ganze Häuſerreihen nicht nur, ſondern ganze Arbeiter⸗ viertel unbelegt geblieben. In einem ganzen Bezirk Charlottenburgs — ich weiß im Moment nicht, ob im vierten oder ſechſten — iſt z. B. im November überhaupt nicht gezählt worden. Alſo das Statiſtiſche Amt iſt im Recht, daß der Eifer des Zählens nicht vorhanden war, daß die nötigen Hilfskräfte fehlten, und daß deswegen die Zahlen keineswegs als Ver⸗ gleichszahlen mit den früheren herangezogen werden können. Aber, meine Herren, das Statiſtiſche Amt iſt nicht im Recht, wenn es der Meinung Ausdruck gibt, daß an dieſem Erlahmen der Freudigkeit beim Mitarbeiten der Arbeiter andere Arbeiten z. B. die Wahlen ſchuld waren, ſondern dieſes Erlahmen der Mitarbeit entſpringt, ſoweit meine Kenntnis in den beteiligten Kreiſen reicht, dem mehr und mehr um ſich greifenden Gefühle, daß dieſe ganze Arbeit, die die Leute ſich machen — und die Arbeit iſt keine geringe für die Leute, die in der Woche ſchwer arbeiten, und die eine andere freie Zeit als den Sonntag überhaupt nicht haben; für dieſe Leute iſt es keine geringe Arbeit, dann an den freien Sonn⸗ tagen eine Reihe von Häuſern treppauf treppab zu wandern, die Karten abzugeben, ſich mit den Leuten auseinanderzuſetzen, die Leute, die häufig, weil eine amtliche Karte kommt, des Glaubens ſind, es handle ſich um etwas, was mit ihren Steuern in Verbindung ſteht, darüber aufzuklären, um was es ſich handelt, die Karten ausfüllen zu laſſen und an das Statiſtiſche Amt zu übermitteln; dieſe Arbeit iſt für die einzelnen durchaus keine geringe, und wenn die Freudigkeit des Mitarbeitens nachgelaſſen hat, ſo liegt das, ſoweit meine Kenntnis in den beteiligten Kreiſen reicht, daran, daß dort mehr und mehr das Gefühl überhandzunehmen droht, daß es ſich lediglich um ſtatiſtiſche Arbeiten handelt, die irgend einen weiteren Einfluß, irgend eine weitere Folge nicht haben werden, und nach der Anſicht der maßgebenden Stellen der Stadtverwaltung nicht haben ſollen. (Oho! bei den Liberalen.) Meine Herren, als zuerſt an die Arbeiterſchaft der Aufruf erging, in der geſchilderten Weiſe ſich an den Zählungen aktiv zu beteiligen, da hat die Arbeiterſchaft dieſe Arbeit gern auf ſich genommen, weil die Arbeiter der Zuverficht waren, daß derartige Zählungen doch nur der erſte Schritt ſein könnten zu irgend welchen Maßnahmen für die dabei er⸗ mittelten Arbeitsloſen. Solange dieſe Hoffnung in den Leuten lebendig war und iſt, daß für die ermittellen Arbeitsloſen etwas auf öffentlichem Wege in die Wege geleitet werden ſoll, ſolange iſt auch Arbeitsfrendigkeit vorhanden. Darüber ſind ſich die Leute ja klar, daß man gegen die Folgen der Arbeitsloſigkeit nichts unternehmen kann, wenn man fich nicht einen Überblick verſchafft über den Umfang, den zu beſtimmten Zeiten die Arbeitsloſigkeit hat. Aber, meine Herren, wenn die ganze Sache nur ſtatiſtiſchen Zweck hat, wenn nur in den Bogen des die Zahlen vermerkt werden und beim Verwaltungsbericht ſchließlich uns zugeſtellt