—— 56 — —— zurückgegangen ſei, ſo liegt doch immerhin in der geringen Zahl 72 ein ſtarkes Anzeichen dafür, daß die Arbeitsloſigkeit im Verhältnis zum Vorjahre zurückgegangen iſt. (Sehr richtig!) Es kann auch dahingeſtellt bleiben, inwieweit dieſe geringere Ziffer in einer geringeren Zahl von Arbeiteloſen, inwieweit in einem verminderten Inter⸗ eſſe ihren Grund hat: denn auch die Abnahme des Intereſſes gehört zu den Symptomen einer verbeſſer⸗ ten Lage des Arbeitsmarktes. (Sehr richtig!) Wenn wirklich eine Not im Lande iſt, dann iſt das Intereſſe an allem, was Arbeitsloſigkeit betrifft, ſo groß, daß die Zahl dann weiter zunehmen würde. (Sehr richtig!) Inſofern alſo dürfen wir ſagen: dieſe Ziffer beweiſt immerhin, daß das Jahr 1905 eine geringere Arbeits⸗ lofigkeit hatte, als das Jahr 1904. Ich würde auf dieſe Ziffer weniger Gewicht legen, wenn ſie die einzige Möglichkeit wäre, ſich über die Lage des Arbeitsmarktes ein Urteil zu bil⸗ den. Wir haben aber noch andere Möglichkeiten. Dieſe Möglichkeiten ſind zwar auch nicht vollkommen, gegen jede einzelne kann man Einwände erheben; aber alle zuſammen geſtatten doch, uns ein ungefähres Bild von der Lage des Arbeitsmarktes zu entwerfen. Im ſtädtiſchen Arbeitsnachweis berechnen wir in jedem Monat, wie groß der Andrang der Arbeit⸗ ſuchenden iſt, und zwar ſuchen wir das in die ſtatiftiſche Formel zu bringen, daß wir berechnen, wieviel Arbeitſuchende ſich um 100 offene Stellen drängen. Wenn wir da die beiden Jahre 1904 und 1905 vergleichen, ſo ſehen wir, daß zwar im Januar 1905 eine Zunahme des Andranges ſtattgefunden hat, im übrigen zeigt das Jahr 1905 faſt durchgehends geringere Andrangsziffern als das Jahr 1904. Ich werde Ihnen das in derſelben Art vorführen, daß ich bei den einzelnen Monaten beide Ziffern hinterein⸗ ander nenne. Auf hundert offene Stellen kamen Arbeitſuchende: 1904 1905 im Januar 154,9 162,9 (das iſt die einmalige Steigerung) im Februar 146,8 136,9 im März 93,4 93,8 — eine minimale Differenz, von der man ungefähr ſagen kann: unverändert — im April — ich laſſe von jetzt ab die Dezimalbrüche fort — im April 123 112 im Mai 140 137 im Juni 135 117 im Juli 119 108 im Auguſt 101 85 im September 76 74 im Oktober 108 101 im November 142 127 im Dezember 131 125 Und in dem einzigen Monat des laufenden Jahres, der abgeſchloſſen hinter uns liegt, finden wir, wenn wir jetzt die Jahre 1905 und 6 mit einander ver⸗ gleichen, dasſelbe Ergebnis: im Januar 1905: 162,9 1906: 146,7. Alſo faſt durchweg ein geringerer Andrang. Ja, es verläßt uns hier die Möglichkeit des ſtatiſtiſchen Aus⸗ druckes; denn wir haben zwei Monate, Auguſt und September, in denen wir den „Andrang“ numeriſch nicht ausdrücken können, weil er nicht vorhanden war: es ſind in dieſen beiden Monaten Auguſt und September weniger Arbeiſuchende als offene Stellen geweſen, indem auf 100 offene Stellen nur 84.7 und 74,0 Arbeitſuchende kamen. Nun ſind wir uns im Magiſtrat bewußt, daß Charlottenburg ein wirtſchaftlicher Ausſchnitt aus einem größeren gemeinſamen Wirtſchaftsaebiet iſt. und daß natürlich die Schwankungen dieſer Ziffer nicht dieſelbe Beweiskraft für ſich in Anſpuch nehmen können als Schwankungen von Ziffern eines großen und zuſammenhängenden in ſich geſchloſſenen Wirt⸗ ſchaftsgebietes. Aber man kann dieſe Ziffern des Charlottenburger Arbeitsnachweiſes mit denen der anderen deutſchen Arbeitsnachweiſe vergleichen, und den Umſtand, daß der Dezernent für den Charlotten⸗ burger Arbeitsnachweis in ſeiner ſonſtigen Tätigkeit an der Vergleichung der deutſchen Arbeitsnachweiſe ſtark beteiligt iſt und ſie teilweiſe zu ſeinem Lebenes⸗ beruf gemacht hat, haben wir auch zu dieſem Zwecke ausgenutzt, wie es ja auch der Sinn der Städte⸗ ordnung iſt, daß die Bürger, die in der ſtädtiſchen Verwallung tätig ſind, das, was ſie in ihrem bürger⸗ lichen Berufe lernen können, gleichzeitig auch der ſtädtiſchen Verwaltung zu gute kommen lafſen. (Bravo) Ich bin alſo beſtrebt, jedesmal, weun ich die Ziffern des Charlottenburger Arbeitsnachweiſes bekomme, ſie mit allen Ziffern zu vergleichen, die mir ſonſt aus dem Deutſchen Reiche zur Verfügung ſtehen — und das Ergebnis iſt dasſelbe! So klein unſer Arbeits⸗ nachweis iſt, und ſo wenig wir von ihm annehmen, daß er den Arbeitsmarkt beherrſche, ſo lehrt doch die Erfahrung, daß dieſe Statiſtik ſehr viel mehr leiſtet, als wir zu Anfang von ihr auch nur zu hoffen wagten. Denn das Bild des Auf⸗ und Abſteigens, das wir in dieſen Prozentziffern von Charlottenburg bekommen, entſpricht im großen und ganzen dem Auf⸗ und Abſteigen auch im Durchſchnitt der deut⸗ ſchen Arbeitsnachweiſe, ſodaß wir ſagen können: dieſe Ziffern ſpiegeln die allgemeine Lage wieder. Vielleicht iſt es nur ein Zufall, daß dies bis auf den Monat genau zutrifft. Denn wenn ich vorhin ſagte, daß hier ſogar ein Fall eingetreten iſt, wo der Andrang aufhörte, wo auf 100 offene Stellen weniger als 100 Arbeitſuchende kamen, ſo iſt ganz merkwürdig, daß dies im Durchſchnitt der deutſchen Arbeitsnachweiſe ſich im September — in derſelben Zeit, wo wir es ja auch hatten — gezeigt hat; nur natürlich mit dem Unterſchiede, daß dieſe Schwankung ſich bei dem einzelnen Arbeitsnachweiſe ſehr ſchroff zeigt, weil hier die Zufälligkeiten ſtärker mitſpielen, während in dem Durchſchnitt des Deutſchen Reiches die Ziffer mehr ausgeglichen und alſo nicht ebenſo ſchroff iſt. Wir haben alſo allen Anlaß, anzunehmen, daß die günſtigere Lage des Arbeitsmarktes, die im Char⸗ lottenburger Arbeitsnachweis ſich in den Ziffern zeigte, tatſächlich vorhanden war, und das beſtätigt, was wir aus unſeren Arbeitsloſenaufnahmen kennen ge⸗ lernt hatten. Wir ſind gleichwohl bemüht, uns auch noch anderes Material zu verſchaffen, um zu ſehen, ob die Meinung, die wir uns nach den Aufnahmen bilden, gerechtfertigt iſt. Zu dieſem Zweck wird am Erſten jeden Monats feſtgeſtellt, wie groß die Zahl der Mitglieder der Krankenkaſſen iſt. Vermöge un⸗ ſerer in dieſer Beziehung vorzüglich organiſierten Ortskrankenkaſſe, die uns den größten Teil des Ziffernmaterials auf einen Schlag liefert, während es andere Kommunen ſich viel mühſamer zuſammen⸗ ſuchen müſſen, ſind wir in der Lage, unmittelbar nach dem Erſten uns jedesmal ein Urteil darüber zu bilden. Auch in dieſer Beziehung iſt Charlottenburg