— 57 eine der erſten Gemeinden geweſen, die das einge⸗ führt hat. Einige Mitglieder der Verſammlung werden ſich vielleicht noch erinnern, daß wir bei einer früheren Verhandlung desſelben Gegenſtandes es zu den bedenklichen Symptomen zu zählen hatten, daß das Wachstum unſerer Ortskrankenkaſſe, unſerer Krankenkaſſen überhaupt ſich verlangſamte; dieſe Verlangſamung hat ſich behoben, und in der letzten Zeit hat die Zahl der Krankenkaſſenmitglieder eine ſo bedeutende Zunahme erfahren, daß dies weit über das ſonſtige Wachstum der Stadt hinausgeht. Ich will Ihnen nur die beiden Ziffern, die wir aus dieſem Jahre haben, hier nennen und wieder im Januar und Februar mit dem Vorjahre vergleichen: 1905 1906 1. Januar 32 994 38710 1. Februar 32605 39428 (hört, hört!) Zahlen, die keineswegs bloß in der Zunahme der Stadt Charlottenburg — wiewohl wir alle auch dieſe Zunahme an ſich als ein erfreuliches Symptom be⸗ trachten — die keineswegs bloß darin ihren Grund haben können, ſondern die zeigen, daß die Lage auf dem Arbeitsmarkt in der Tat gegenwärtig günſtig iſt. Wir ſuchen uns auch darüber zu orientieren, inwieweit bei der Armenpflege ſich die Arbeitslofigkeit geltend macht. Wenngleich es ſehr ſchwierig iſt, in der amtlichen Armenpflege feſtzuſtellen, wieviele Unterſtützungen wegen Arbeitsloſigkeit erfolgen, ſo iſt dies leichter möglich bei der privaten Armenpflege, da die Unterſtützung in dem Verein gegen Verarmung faſt durchgehends Unterſtützung wegen Arbeitslofigkeit iſt. Ich will Ihnen dieſe Ziffern jahresmäßig geben ſeit dem Jahre 1901. Wegen Arbeitsloſigkeit wurden im Verein gegen Verarmung im Jahre 1901 unter⸗ ſtützt 796 Perſonen (Fälle), eine Ziffer, die im nächſten Jahre unter den noch anhaltenden Nach⸗ wirkungen der Kriſis bis auf 1307 in die Höhe ging, in den nächſten Jahren aber auf 1017, 682 und 602 zurückging und in dem einzigen Monat dieſes Jahres, über den wir eine Ziffer haben können, im Januar, im Vergleich zum Vorjahre von 184 auf 164 ge⸗ ſunken iſt. Zu einem vollſtändigen Urteil über die Lage des Arbeitsmarktes gehört nicht nur das Urteil über die Gegenwart, ſondern ein mutmaßliches Urteil über die Zukunft; man muß ſehen, ob Ausficht auf Arbeitsgelegenheit in der nächſten Zeit vorhanden iſt. Dem dient die Zahl der Baugemche, die eingereicht werden. Die Zahl der Baugeſuche gibt natürlich keine Bauſtatiſtik; aber ſie gibt ungefähr eine Statiſtik der Bauluſt. Die Bauluſt war in Charlottenburg geringer geworden; das war uns in keiner Weiſe ent⸗ gangen. Wir haben das auch als ein nicht un⸗ bedenkliches Symptom betrachtet. Aber dieſer Rück⸗ gang hat ſich bereits behoben. Die Zahl der Bau⸗ geſuche hatte im Jahre 1897 — ſo alt iſt dieſe Statiſtit — betragen 217; ſie war zurückgegangen auf 187, 176 und 158; ſie hat ſich aber dann in den Jahren 1901 und 1902 gehoben auf 167 und 202; nach einem nochmaligen Rückgang (1903) auf 187 iſt ſie dann auf 364 geſtiegen und in dem letzten Jahre auf 415. (hört! hört!) Wir müſſen alſo annehmen, daß dieſe damals durchaus nicht unbedenkliche Erſcheinung jetzt hinter uns liegt, und daß wir es wieder mit einer zu⸗ nehmenden Bauluſt zu tun haben, die ihre Rück⸗ Dieſes ſind die allgemeinen ſtatiſtiſchen Hand haben. Daneben ſuchen wir nun individuell vorzu gehen und ſuchen auch in jedem einzelnen Falle feſt⸗ zuſtellen, warum offene Stellen nicht beſetzt werden konnten. Ich gebe zu, daß mit dieſer Art Notizen im gewöhnlichen Leben zuweilen Mißbrauch getrieben wird, Mißbrauch namentlich in dem Sinne, daß man abfällige Urteile über die Arbeitſuchenden, die ſolche Stellen nicht annehmen wollen, ausſpricht. Wir find nicht berechtigt, einem Arbeiter, der ſich als arbeitslos bezeichnet, irgend einen Vorwurf daraus zu machen, daß er eine ihm angebotene Stelle nicht annehmen will. Der Arbeiter iſt Herr ſeiner ge⸗ ſchäftlichen Angelegenheiten; er hat ſich darüber ſchlüſſig zu machen, ob ein etwaiges Herabſteigen auf das Niveau einer Arbeit, die ihm nicht zuſagt, ſeinen wirtſchaftlichen Intereſſen entſpricht oder nicht. Nie⸗ mand iſt befugt, ihm daraus einen Vorwurf zu machen, ſolange er fremde Hilfe nicht in Anſpruch nimmt. Aber, meine Herren, ſolange gewiſſe offene Stellen, auch wenn ſie nicht gerade ſehr gut dotiert ſind, nicht beſetzt werden können, ſo lange wird man nicht ſagen können, daß auf dem Arbeitsmarkt irgendwie ein Zuſtand herrſche, der Anlaß zu be⸗ ſonderen Maßregeln gäbe. (Sehr richtig!) Nun kann ich Ihnen hier aus den letzten Monaten eine ganze Anzahl ſolcher Fälle anführen; es ſind zum Teil ſolche, die vermutlich wegen der ſehr geringen Entlohnung ausgeſchlagen worden ſind — daraus will ich kein Hehl machen —; es befinden ſich aber auch andere darunter mit erträglicher oder durchſchnittlicher Entlohnung. 3. B. lonnten im Januar 6 Erdarbeiter nicht beſchafft werden, ob⸗ gleich ein Stundenlohn von 35— 40 Pf. geboten wurde; im Februar wiederholte ſich dasſelbe bei 5 Erdarbeitern (40 Pf.). Außerdem kommen für Fabrikar beiter, Laufburſchen, Perſonen für häusliche Dienſte faſt beſtändig offene Stellen vor, die nicht beſetzt werden können, weil Perſonen, die ſich an⸗ bieten, entweder überhaupt nicht da ſind oder wenigſtens nicht ſolche, die dieſe Stellen aunehmen wollen. Aus allen dieſen Gründen iſt der Magiſtrat zu dem Ergebnis gelangt: Unſere Arbeitsloſenaufnahme, ſo unvollkommen fie in ſtatiſtiſcher Beziehung zweifel⸗ los iſt, hat gleichwohl uns ein Bild gezeigt, das durch alles andere, was wir ſonſt über die Lage des Arbeitsmarktes erfahren, beſtätigt wird. Nun bleibt noch eins übrig, was Herr Stadtv. Dr. Borchardt angeführt hat. Er ſagt: Die Ab⸗ nahme hat einen ganz anderen Grund; zuerſt haben die Arbeitsloſen geglaubt, es werde etwas geſchehen, nachdem man gezählt hat, und jetzt, da nichts ge⸗ ſchehen iſt, ſagen ſie ſich: wozu ſollen wir denn kommen? — Niemals iſt ſeitens des Magiſtrats und ſeitens der ſehr zahlreichen Stadtverordneten von allen Seiten dieſer Verſammlung, die bei der Be⸗ gründung dieſer Arbeitsloſcnaufnahmen mitgewirkt haben, — niemals, ſage ich, iſt geſagt worden, daß auf die Arbeitsloſenaufnahme Verſorgung derer, die gezählt worden ſind, folgen werde. Alle waren ſich einig darüber, daß die Arbeitsloſenaufnahme lediglich dazu dienen ſoll, um uns darüber aufzu⸗ klären, ob etwas Außerordentliches vorliege, was Anlaß zu außerordentlichen Maßregeln gäbe. In dieſer Beziehung können die Arbeitsloſen nicht ge⸗ täuſcht worden ſein. Insbeſondere weiß ich auch, wirkung auf die Lage des Arbeitsmarktes garnicht verkennen läßt. daß Herr Stadtv. Dr. Borchardt und ſeine Freunde, die bei der Durchführung der Arbeitsloſenaufnahmen