595 —— die Lage des Arbeitsmarktes, der eben ein ſo außer⸗ außerordentlich günſtiger ſei, daß zu irgend welchen Maßnahmen kein Anlaß vorliege. Alſo, meine Herren, die Antwort des Herrn Magiſtratsvertreters lautete: Der Magiſtrat gedenkt in der Richtung, die Arbeits⸗ loſenzählungen fruchtbar zu machen für die ermittelten Arbeitsloſen, nichts zu iun, und der Herr Vertreter des Magiſtrats begründet das mit dem Hinweiſe darauf, daß eine Notwendigkeit hierzu nach der ganzen Lage des Arbeitsmarktes nicht vorliege. Nun, meine Herren, ſprach der Herr Magiſtrats⸗ vertreter davon, daß die Anfrage in dieſer Form eine Suggeſtivfrage ſei, indem ſie cigentlich von der Voraue ſetzung ausging, daß etwas geſchehen ſolle für die ermittelten Arbeitsloſen, und ſeine Ausführungen waren ja dann auch zu einem großen Teil gewidmet dem Bemühen, eine etwa erreichte Suggeſtion zu zer⸗ ſtreuen, aufzuheben in ihrer Wirkung. Aber, meine Herren, ich möchte doch gegenüber der uns gegebenen Antwort nachdrücklich beionen, daß die Maßregel der Arbeitsloſenzählung dann doch auch zum mindeſten bezeichnet werden muß als eine Suggeſtivmaßregel; denn in der Tat, meine Herren, iſt das ganz klar, daß die Arbeiter, die an dieſer Zählung ſich be⸗ teiligen, durch dieſe Maßnahme der Zählung ſelbſt in den, ja ich muß wohl beinahe ſagen, Wahn verſetzt worden ſind, daß der Zweck der Ermittelungen nicht bloß der ſei, bei Zeiten ein Bild zu bekommen, ob eine ſtarke Arbeitsloſigkeit drohe, ſondern ein Bild darüber zib bekommen, wie groß der Umfang der regelmäßigen Arbeitslofigkeit ſei, um gerade in den normalen, in den regelmäßigen Zeiten eine Fürſorge für die ermittelten Arbeitsloſen eintreten zu laſſen. Denn wenn man warten will, bis ein⸗ mal wieder in wenigen Jahren, wie es ja unver⸗ meidlich bei dem Gange unſerer Induſtrie iſt, eine ſtarke Arbeitsloſigkeit eintritt, ja, meine Herren, dann hört man die Antwort, die eigentlich nicht einmal ganz unberechtigt unter ſolchen Umſtänden iſt, daß der Umfang der Arbeitsloſigkeit ſo groß ſei, daß ſich gar nicht überſehen laſſe, wie groß denn die wirkliche Tragweite ſei von Maßregeln, die etwa er⸗ griffen werden müßten. Gerade wenn man daran denk/, etwas Dauerndes an Arbeitsloſenfürſorge zu ſchaffen, gerade dann, meine ich, ſollte man allen Anlaß haben, die normalen Zeiten zu wählen oder jene Zeiten, in denen nur eine geringe Arbeitsloſigkeit, eine verhältnismäßig geringe Arbeitsloſigkeit vorhanden iſt, um eine organiſche Maßregel einzuführen, die dann ausgebaut werden kann, und die dann vielleicht auch in den Zeiten großer Arbeitsloſigkeit gute Dienſte tun kann. Zu meinem Bedauern läßt die Antwort des Magiſtrats jedes Eingehen auf Maß⸗ regeln in dieſer Richtung vermiſſen, und daher können meine Freunde ſich von dieſer Antwort nicht befriedigt erklären. Noch auf einen Punkt möchte ich eingehen, der unſere gegenwärtigen Zählungen betrifft. Der Ver⸗ treter des Magiſmrats zieht den Schluß aus den er⸗ haltenen Zahlen, daß ſie miteinander durchaus ver⸗ gleichbar ſind, und daß ſie auch durchaus zu dem Bilde ſtimmen, das auf anderm Wege über die Lage des Arbeitsmarktes ermittelt worden iſt. Und wenn er auch zugibt, daß die Zahl 72 unverhältnismäßig niedrig iſt gegenüber der Zahl 485 zur ſelben Zeit des Vorjahres, ſo meint er doch. es erklärt ſich das aus dem pſychologiſchen Moment, daß die Bereit⸗ willigkeit zur Meldung in guten Zeiten etvas nach⸗ laſſe, ſodaß, wenn man auch nicht auf das Ver⸗ hältnis 5: 1 — es iſt ſogar noch weniger 7:1 — ſchließen kann, ſo doch immerhin die Arbeitsloſigkeit gegenwärtig erheblich geringer ſei, Ich habe vorhin ſchon in meiner Begründung der Anfrage ausgeführt, daß die Zahl vor allen Dingen deswegen ſo gering iſt, weil ganze Häuſerreihen, ja ganze Arbeiterviertel bei dieſer Zählung im Gegenſatz zu der im November des Vorjahres nicht mit erfaßt ſind, und daß daher die Zahl leider gar keinen Anhalt gibt über ein Vor⸗ handenſein oder Nichtoorhandenſein einer größeren oder geringeren Arbeitsloſigkeit. Meine Herren, ich kann es nur bedauern, daß der Magiſtrat eine Bereitwilligkeit, in der in unſerer Anfrage als ſelbſtverſtändlich angenommenen Richtung vorzugehen, nicht bekundet hat. Freilich kann ich für meine Perſon wohl verſichern, daß, ſoweit ich per⸗ ſönlich dabei in Betracht komme, ich den Appell des Magiſtrats, an der Organiſation zum Ausbau ſelbſt dieſer Zählungen, auf die irgend eine poſitive Maß⸗ nahme nicht erfolgen ſoll, beizutragen, daß ich für meine Perſon dieſen Appell durchaus unterſtützen will. Aber, meine Herren, ich gebe mich darüber gar keiner Täuſchung hin, daß dieſes vollkommene Verſagen des Magiſtrats in der angeregten Richtung ſehr dazu angetan iſt, dieſe Zählungen, die ja lediglich als Zählungen betrachtet nur einen geringen Wert haben fönnen, vollkommen illuſoriſch zu machen. Gerade aus der Antwort des Magiſtrats geht ja hervor, daß der Magiſtrat glaubt, eine ganze Reihe von Mitteln und Wegen an der Hand zu haben, um ein un⸗ gefähres Bild, einen ungefähren Uberblick über das Auf und Ab des Arbeitsmarktes zu gewinnen, und daß die Zählungen, die veranſtaltet worden ſind, dieſes allgemein gewonnene Bild nur beſtätigt haben, und daher meint er ja auch, keinen Anlaß zu be⸗ ſonderen Maßnahmen zu haben. Aber, meine Herren, um ſo mehr werden die Arbeiter, die an den Zählungen beteiligt ſind, ein⸗ wenden: ja, wenn nur ein ungefähres Bild geſchaffen werden ſoll, das auf anderem Wege auch geſchaffen wird, dann ſind die Zählungen eigentlich überflüſſig, und ich fürchte ſehr, daß die Ausführungen des Herrn Vertreters des Magiſtrats dahin wirken werden, die Zählung, die am nächſten Sonntag ſtattfinden ſoll, zu einer ſolchen zu geſtalten, daß auch kein ungefähres Bild mehr daraus gewonnen werden kann. Ich für meine Perſon würde das durchaus bedauern; aber menſchlich erklärlich iſt es durchaus, und ich kann den Magiſtrat nicht freiſprechen von dem Vorwurf, wenn es auch richtig iſt, wie der Herr Vertreter des Magiſt⸗ rats ausgeführt hat, daß ſeinerzeit durchaus keine Verſprechung in der gedachten Richtung gemacht worden iſt — der Beſchluß, der damals gefaßt worden iſt, und die Begründung des Beſchluſſes, die im Verwaltungsbericht von 1903 mitgeteilt iſt, iſt in ſehr vorſichtigen Ausdrücken abgefaßt, ſo daß keines⸗ falls daraus irgendwie eine Verſprechung auf eine poſitive Maßnahme abgeleitet werden kann — wenn ich das dem Herrn Magiſtratsvertreter auch durchaus zugeben muß, ſo kann ich ihn trotzdem nicht frei⸗ ſprechen von dem Vorwurf, daß dieſe Maßnahme eben eine ſuggeſtive in der gedachten Richtung ſein 4 und daß man ſich auch darüber klar ſein mußte. Ich glaube, daß man ſich auch im Magiſtrat darüber klar war, und daß es deswegen zu bedauern iſt, daß der Magiſtrat in dieſer Richtung eine ſo vollkommen verſagende Haltung einnimmt. Trotzdem hoffe ich, daß die Arbeiterorganiſationen an dieſen Zählungen ſich weiter beteiligen werden ſchon im Hinblick darauf, daß leider ja auch wieder Zeiten