86 die er an uns ſtellt, rundweg verweigern, vor allen Dingen den Etat ablehnen. Im Gegenſatz zu Herrn Kollegen Kaufmann haben mich die Ausführungen des Herrn Oberbürger⸗ meiſters durchaus nicht befremdet. Nach dem. was ſeitens der Vertreter des Magiſtrats in der Sitzung vom 20. Dezember v. I. mitgeteilt worden iſt, mußten wir uns darauf gefaßt machen, daß der Magiſtrat auch unſerem veränderten Antrage gegen⸗ über auf ſeinem ablehnenden Standpunkt beharren würde. Was mich befremdet hat, ſind die Gründe, mit denen heute der Herr Oberbürgermeiſter operiert hat. Zunächſt hat der Herr Oberbürgermeiſter das Schlachtfeld vollſtändig verſchoben. Er ſprach fort⸗ während von einem Notſtand, obwohl von keiner Seite das Vorhandenſein eines Notſtandes voraus⸗ geſetzt wurde; die Vorausſetzung zu den Anträgen, die im Dezember v. I. geſtellt waren, war vielmehr die vorhandene und die vorausſichtlich noch zu⸗ nehmende Teuerung. Zwiſchen Teuerung und Not⸗ ſtand iſt aber ein himmelweiter Unterſchied. Nun hat der Herr Oberbürgermeiſter heute Gründe angeführt — ich bitte, die „Gründe“ in Anführungsſtrichelchen zu ſetzen —, die geradezu verblüffender Natur waren. Der Herr Oberbürger⸗ meiſter wies auf den Streik der Droſchkenkutſcher hin. Meine Herren, wenn ich nicht ſehr irre, habe ich das, was der Herr Oberbürgermeiſter darüber ſagte, erſt kürzlich in Berliner Zeitungen geleſen; es war nämlich wörtlich dasſelbe, was der Berliner Polizeipräſident ausgeführt hat. Es iſt ja bereis von dem Herrn Vorredner darauf hingewieſen worden, daß der Streik der Berliner Droſchken⸗ kutſcher abſolut kein Streik geweſen iſt, der irgend⸗ wie mit wirtſchaftlichen Fragen etwas zu tun hatte, ſondern es war ein Streik, der aus ganz anderen Urſachen entſprungen iſt. Wenn die Droſchken⸗ kuticher — nebenbei bemertt nicht nur die Ange⸗ ſtellten, ſondern auch die Fuhrherren, ſie waren ein⸗ mütig darin — freiwillig auf die Einmahmen zweier Tage verzichtet haben, ſo taten ſie es, um den Be⸗ hörden zu beweiſen, daß es ihnen mit ihren Forderungen ernſt iſt. Ich habe mich eigentlich gewundert — ich war jeden Augenblick darauf ge⸗ faßt, daß der Herr Oberbürgermeiſter, als er doch nun einmal dabei war, die Argumente des Berliner Polizeipräſidenten anzuführen, noch mit einem andern Einwand kommen würde, einem Einwand, der vielleicht ebenſo ſtichhaltig für ſeinen ablehnenden Standpunkt ſein könnte wie alle anderen Gründe, die er angeführt hat; ich habe mich gewundert, daß er nicht ſagte: wenn, obgleich der Berliner Polizeipräſident 3000 ℳ Belohnung auf die Er⸗ greifung des Mörders Hennig ausgeſetzt hat, ſich doch in ganz Berlin kein Menſch gefunden hat, der den Mörder ergriff, ſo iſt das ein Beweis, daß eine Notlage nicht vorhanden iſt, (Heiterkeit) es brauchte niemand die 3000 ℳ.! Meine Herren, genau ſo, wie Sie darüber lachen, genau ſo habe ich innerlich über die „Gründe“ des Herrn Ober⸗ bürgermeiſters gelacht. Recht viel Unglück hatte der Herr Oberbürger⸗ meiſter mit dem Fall von „Übermut“, den er hier ſ ſeitens der Maurer angeführt hat, die auf dem Bau des Schillertheaters beſchäftigt ſind. Der Herr Oberbürgermeiſter hat ja zweifellos in gutem Glauben das wiedergegeben, was ihm berichtet worden iſt. Aber ich bin davon überzeugt, daß ſein Bericht nur ein einſeitiger Bericht iſt, daß er nur ſonſt ſchädigen wir uns ſelbſt die eine Seite gehört hat. Meine Herren, auch mir iſt von dieſem Falle Mitteilung gemacht worden: aber da lautet die Sache doch weſentlich anders. Es handelt ſich darum, daß ein Gerüſt eingeſtürzt iſt, nicht etwa ein großes Gerüſt, ſodaß Leute dabei verunglückt ſind, ſondern es paſſierte, als die Stein⸗ träger das Gerüſt betraten. ein kleines Unglück; es zeigte ſich alſo, daß das Gerüſt nicht vorſchrifts⸗ mäßig gebaut war. Um nun ein größeres Unglück zu verhüten, ſind die Baudeputierten bei dem Meiſter vorſtellig geworden und haben ihn erſucht, die Schäden des Gerüſtes abzuändern. Darauf wurden einige Arbeiter gemaßregelt, und erſt infolge⸗ deſſen legten die übrigen Maurer einmütig die Arbeit nieder. Es handelt ſich alſo um einen Sympathieſtreik, einen Streik, der den Arbeitern nur zur Ehre gereicht, und der ſelbſt dann ausge⸗ brochen wäre — die Verſicherung kann der Herr Oberbürgermeiſter bekommen —, wenn wirklich ein ſchreiender Notſtand vorhanden wäre. Die Arbeiter haben doch wahrhaftig keine Veranlaſſung, weil Mängel am Gerün ſind, die nicht abgeſtellt werden, ihr Leben aufs Spiel zu ſetzen. Es wäre vielleicht erwünſcht, wenn der Herr Oberbürgermeiſter ſich in Zukunft, bevor er derartige Fälle hier vorbringt, etwas näher informiert. Wenn das geſchähe, dann wäre es vielleicht auch einmal möglich, daß die Gründe des Herrn Oberbürgermeiſters uns über⸗ zeugten. Mich haben weder ſeine heutigen Gründe überzeugt, noch die Ausführungen, die ſeitens der Vertreter des Magiſtrats am 20. Dezember gemacht worden ſind. Meine Herren, der Herr Oberbürgermeiſter knüpfte dann an ſeine Rede noch einige allgemeine Betrachtungen, auf die ich kurz eingehen will. Er ſagte, die Stadt müſſe auf die Induſtrie Rückſicht nehmen: wir dürfen die Induſtrie nicht ſchädigen, Das iſt eine An⸗ ſchauung, die allerdings ſeitens des Herrn Ober⸗ bürgermeiſters ſchon öfter vertreten worden iſt, die ich aber ebenſo oft aufs entſchiedenſte bekämpft habe. Wir haben nicht die Rückſich auf die Induſtrie zu nehmen, die der Herr Oberbürgermeiſter verlangt, ſondern wir haben der Induſtrie mit gutem Beiſpiel voranzugehen. Und tatſächlich liegt es heute ſo, daß die Arbeiter bei uns in Charlotten⸗ burg keineswegs überall ſo geſtellt ſind wie die Arbeiter in der Induſtrie. Ich will nur daran er⸗ innern, daß vor kurzem in der Gasdeputation die Direktion verlangt hat, daß bei Neueinſtellungen unter Umſtänden auch Arbeiter nicht mit dem Anfangsgehalt, ſondern mit einem höheren Gehalt eingeſtellt werden, und zwar unter der ausdrücklichen Motivierung, weil ſonſt tüchtige Arbeiter bei uns nicht einträten, da ſie in der Privatinduſtrie mehr Lohn erhalten. Ja, meine Herren, das beweiſt doch gerade das Gegenteil von dem, was der Herr Ober⸗ bürgermeiſter heute ausgeführt hat! Der Herr Oberbürgermeiſter wies darauf hin, daß die Induſtrie durch die Handelsverträge ge⸗ ſchädigt wird. Gewiß, das wiſſen wir alle. Aber werden nicht die Arbeiter, werden nicht die mittleren Beamten, werden nicht die kleinen Gewerbetreibenden amt und ſonders durch dieſe Handelsverträge ge⸗ ſchädigt?! Und gerade weil ſie durch die Handels⸗ verträge vorausſichtlich ganz erheblich geſchädigt werden: das war ja ein Grund mit, weswegen ſeinerzeit der Antrag auf Gewährung einer Teuerungs⸗ zulage geſtellt worden iſt. Dann iſt dem Herrn Oberbürgermeiſter wieder