—— 58 — Umſtänden durch eine beſondere Gratifikation, gerade auch zur Zeit des Weihnachtsfeſtes — es gibt da viele Momente, die dafür ſprechen —, den Minder⸗ begüterten unter die Arme greifen ſoll. Wie weit die Statiſtik das Vorhandenſein einer Teuerung oder eines Notſtandes nachweiſt oder nicht, das will ich hier nicht unterſuchen. Wir haben ſchon heute ge⸗ ſehen, die Statiſtik wird von der einen Seite ſo, von der andern Seite ſo ausgelegt, ſogar ohne daß ein Meiſter der Statiſtik wie unſer Herr Stadtrat Jaſtrow das Wort zu dieſer Frage ergriffen hat. Unter dieſen Umſtänden wollen wir uns aber trotz⸗ dem dem Vorſchlage nicht widerſetzen, der von der liberalen Fraktion gemacht worden iſt, in gemiſchter Deputation die Sache zu beraten, wenigſtens glaube ich, daß meine Freunde im allgemeinen auch dieſem Vorſchlage ſich anſchließen werden, wenn wir auch nicht annehmen, daß dabei viel herauskommen wird. Aber ich glaube, bei einer derartig wichtigen Frage, bei einer derartigen zwieſpältigen Auffaſſung in den beiden ſtädtiſchen Körperſchaften empfiehlt ſich ſchon aus prinzipiellen Gründen eine Ausſprache im Ausſchuß, und aus dieſem Grunde werde ich meinerſeits für die Beratung in gemiſchter Depu⸗ tation ſtimmen. Oberbürgermeiſter Schuſtehrns: Meine Herren, ich möchte im allgemeinen nicht noch mal auf das thema probandi eingehen; nur bin ich genötigt, in einzelnen Punkten einige Aufklärungen oder Ent⸗ gegnungen zu geben. Herr Stadtv. Scharnberg hat gemeint, die Bür⸗ ger würden ſich wundern, wenn ſie hören, daß der Magiſtrat aus Anlaß dieſer Vorlage die Sparkaſſen⸗ bücher nachgeſehen und feſtgeſtellt habe, was der einzelne an Einzahlungen in den beiden Jahren 1904 und 1905 geleiſtet hat. Herr Scharnberg be⸗ findet ſich in einem Irrtum. Wir haben in unſerer geordneten Verwaltung das Gott ſei Dank nicht nötig, in ſolchen Fällen nun ganz beſondere Recher⸗ chen anſtellen zu müſſen. Es dürfte denjenigen Herren, welche die monatlichen Statiſtiken leſen, die wir herausgeben, bekannt ſein, daß wir über die Einzahlungen und Rückzahlungen in unſerer Spar⸗ kaſſe eine fortlaufende Statiſtit führen, die wir nur nachzuſehen brauchen, um zu ſehen, wie die Dinge ſtehen. Eine Durchſicht der Sparkaſſenbücher vorzu⸗ nehmen, haben wir nicht nötig. (Stadtv. Scharnberg: Das habe ich auch nicht gemeint.) Alſo eine Verwunderung über unſere ſtatiſtiſchen Angaben kann in der Bürgerſchaft nicht eintreten. Es zeigt, im Gegenteil, nur von geordneten Verhält⸗ niſſen in unſerer ſtädtiſchen Verwaltung, wenn wir die Statiſtit ſo auf dem laufenden erhalten, daß wir die nötigen Zahlen nur aus den Liſten heraus⸗ zuſchreiben brauchen. Wenn Herr Scharnberg darauf hingewieſen hat, daß andere Gemeinden in Groß⸗Berlin dieſe Teue⸗ rungszulage gewährt haben, ſo habe ich mich heute über dieſen Punkt nicht beſonders ausgebreitet, weil ich das ſchon am 20. Dezember getan hatte. Ich habe damals nachgewieſen, meine Herren, daß Berlin und diejenigen Vororte von Berlin, welche eine Teuerungszulage in dieſem Herbſte gewährt haben, damit nur nachgeholt haben, was wir durch die Feſtlegung unſeres Normaletats bereits im April 1905 in vollem Maße getan haben. Ja, wir haben noch mehr, und zwar dauernd, durch die Erhöhung des Normaletats geleiſtet, als die anderen Städte mit ihrer Teuerungszulage von 50 und 75 ge⸗ leiſtet haben. Herr Dr. Spiegel hat den Begriff des Not⸗ ſtandes zu definieren geſucht. Eine Definition iſt eine ſchwierige Sache und namentlich die Deftnition eines ſo ſchwierigen Begriffs, wie der des Notſtandes iſt. Ich kann es auch nicht anerkennen, daß Herr Dr. Spiegel in dem Augenblick die richtige Definition gegeben hat. Er ſagt nämlich, Notſtand ſei ſchon dann vorhanden, wenn jemand nicht mehr in der gewohnten Weiſe leben kann. Nun, meine Herren, es liegt auf der Hand, daß dieſe Definition nicht richtig iſt. Ich will mal annehmen, ein junges Ehepaar lebt auf einem beſtimmten Fuße, dem Ge⸗ halte des Mannes angemeſſen, es macht in jedem Jahre noch eine Erſparnis, wie das ein ordentlicher Hausvater tun muß. Im nächſten Jahre bekommen ſie ein Kind, vielleicht zwei Kinder (Heiterkeit) und im darauffolgenden Jahre ein drittes. Dann können ſie nicht mehr ſo leben, wie ſie es im erſten Jahre gewohnt waren; aber Sie werden mir doch zugeben, daß darin noch kein Notſtand liegt. Alſo die Definition ſtimmt nicht. Ich werde mich hüten, in eine allgemeine Defi⸗ nition des Notſtandes einzutreten; es iſt das auch nicht nötig. Es muß nachgewieſen werden, daß in dem e inzelnen vorliegenden Falle ein Notſtand vorhanden iſt, ſonſt können wir eine Teuerungszulage nicht gewähren; darüber ſind wir uns im Magiſtrat einig. Jedenfalls kann man von einer Vermehrung der Ausgaben, die ſich auf 50 oder 75 ℳ beläuft, nicht ſagen, daß ſie einen Notſtand hervorruft. Da⸗ für muß jeder Hausvater Sorge tragen. daß er eine gewiſſe Reſerve für vorkommende Mehrausgaben hat, ganz gleichgültig, ob dieſe durch Unglücksfälle oder durch freudige Anläſſe hervorgerufen werden. Der ordentliche Hausvater muß dafür ſorgen, daß er mindeſtens eine Reſerve von 50 bis 75 , hat. Wenn er die nicht hat, ſo wirtſchaftet er nicht ordent⸗ lich; aber man kann nicht ſagen, daß er ſich beim Mangel dieſer Reſerve in einem Notſtande befindet. Ich kann nach dieſer Richtung den Ausführungen des Herrn Dr. Spiegel nicht beitreten. Ich kann ihm auch nicht in einem anderen Punkte beitreten. Er hat die Zahlen, die ich ange⸗ führt habe, bemängelt und hat das Verhältnis der Einzahlungen zu den Rückzahlungen in Prozenten ausgerechnet, die, ſoweit wir das im Augenblick haben feſtſtellen können, mit den allgemeinen Zahlen der Einzahlungen und Rückzahlungen übereinſtimmen. Aber auf die kommt es nicht an; denn darin ſtecken ja die großen Einzahlungen, die über 1000ℳ gehen. Worauf es hier ankommt, das ſind die kleinen Einzahlungen und Rückzahlungen von 1 bis zu 60 ℳ, und da ſind die Rückzahlungen lange nicht ſo hoch, wie die Einzahlungen, da überſteigen die Einzahlungen die Rückzahlungen bedeutend. Intereſſant aber iſt es mir eweſen — und das akzeptiere ich freudig —, daß Herr Dr. Spiegel anerkannt hat, daß ein allgemeiner Notſtand nicht vorhanden iſt, was wir immer behauptet haben, und was uns beſtritten worden iſt. Nun komme ich zu den Ausführungen des Herrn Stadtv. Hirſch. Da war mir nun zunächſt ſehr intereſſant der prinzipielle Standpunkt, den Herr Hirſch einnimmt. Er will den Magiſtrat zwingen; wenn der Magiſtrat nicht will wie er, dann will er ihn zwingen, (Stadtv. Hirſch: Nicht will wie die Mehrheit)