89 dann will er ihm den Etat ablehnen. Darauf kommt es ihm gar nicht an, ob er die Stadt da⸗ durch in einen höchſt zweifelhaften Zuſtand bringt, wobei viele Exiſtenzen verloren, viele gute Dinge, die wir angefangen haben, zu Grunde gehen können, — darauf kommt es ihm nicht an, wenn er nur befehlen kann. Der Magiſtrat ſoll ſo wie ich! Meine Herren, das iſt für einen Sozialdemokraten eine äußerſt intereſſante Erklärung. Die konſti⸗ tutionelle Verfaſſung geht ihn nichts an; sic volo, sic jubeo! wenn du nicht gehorchſt, wie ich will, holt dich der Teufel! (Heiterkeit.) Meine Herren, ich bin überzeugt, daß die Majorität ſich dieſem der Verfaſſung unſerer Stadt ganz ent⸗ gegenſtehenden Standpunkte nicht anſchließen wird. Herr Hirſch hat ſich auch in einem Irrtum be⸗ funden, wenn er meint, daß ein Notſtand von keiner Seite behauptet worden ſei. Ich kann ihm ſofort aus dem ſtenographiſchen Berichte der Sitzung vom 20. Dezember mitteilen, daß ſowohl der Herr Stadtv. Kaufmann wie der Herr Stadtv. v. Liszt ausdrück⸗ lich von einem Notſtande, der vorhanden ſei, ge⸗ ſprochen hat. Nun hat Herr Stadtv. Hirſch, den für mich ſehr ehrenvollen Ausſpruch getan, daß ich mit meinen Ausführungen in bezug auf den Streik der Droſchken⸗ kutſcher und der Maurer Unglück gehabt habe. Wenn von ſeiten der Herren Sozialdemokraten dieſes Wort fällt: der Gegner hat Unglück gehabt —, dann geht immer ein gewiſſes Schmunzeln der Freude durch meine Seele; das iſt mir der beſte Anzeiger dafür, daß die Ausführungen des Gegners den Herren ſo unbequem ſind, (Stadtv. Hirſch: Ach!) daß ſie nichts anderes dagegen vorbringen können, als daß ſie die Sache allgemein diskreditieren und ſagen: er hat Unglück gehabt. Ich habe die Er⸗ fahrung gemacht, meine Herren, daß das zur Taktik der Diskuſſion, zur Dialektik der Herren Sozial⸗ demokraten gehört. — Nicht nur hier. Das iſt eine alte abgedroſchene Formel, die häufig Erfolg hat, bei mir den Erfolg, daß ich mich immer freue und ſage: Gott ſei Dank, da haſt du den Nagel auf den Kopf getroffen. (Heiterkeit.) In gewiſſem Sinne hat übrigens Herr Hirſch ganz recht: unglücklich ſind die Ausführungen geweſen, aber nicht für mich, ſondern für ihn, weil ſie ſeine Erwiderungen über den Haufen warfen. — Im übrigen halte ich die Darſtellung der Gründe, wie ſie mir bezüglich des Maurerſtreiks beim Bau des Schillertheaters von einem Manne, der der Sache ſehr nahe ſteht, gegeben worden iſt, aufrecht. Es ſcheint, als ob Herr Hirſch falſch berichtet iſt. (Stadtv. Hirſch: Abwarten) Ich möchte Herrn Hirſch bitten, ſich in Zukunft beſſer zu informieren, (ſehr gut!) bei Leuten, die genau wiſſen, wie die Dinge liegen. Dann wird er ſich nicht in Irrtümern bewegen. (Bravo! bei der Freien Vereinigung.) Im übrigen ſoll mir auch wieder ein kleines Unglück paſſiert ſein bei der Darſtellung der Statiſtik über den durchſchnittlichen Tagelohn. Das muß ich noch aufklären. Meine Herren, ich weiß ſo gut wie Sie alle, daß der durchſchnittliche Tagelohn, der bei den Krankenkaſſen zu Grunde gelegt wird — ein fiktiver, ſagt Herr Hirſch, ich möchte mich an das deutſche Wort „durchſchnittlich“ halten — nicht ein tatſächlicher iſt, ſondern einer, der berechnet und nun durchſchnittlich feſtgelegt iſt. Das habe ich auch ausdrücklich erwähnt. (Stadtv. Hirſch: Nein, das iſt ein Unterſchied!) Ich habe mit dieſer bei der Ortskrankenkaſſe feſtge⸗ ſtellten durchſchnittlichen Zahl der Induſtrielöhne auch nur den durchſchnittlich von der Krankenkaſſe angegebenen Lohnſatz der ſtädtiſchen Arbeiter ver⸗ glichen — dieſe beiden Zahlen laſſen ſich durchaus vergleichen —, und ich habe dann nachher aus⸗ drücklich geſagt, daß ich Ihnen nicht den durch⸗ ſchnittlichen Tagelohn, ſondern den tatſächlichen Tagelohn nenne, den die Arbeiter unſerer Verwal⸗ tung erhalten, der alſo bei den nicht handwerks⸗ mäßig ausgebildeten Arbeitern nach 10 Jahren auf 5 ℳ ſich erhöht. Alſo auch hier liegt ein Irrtum in der Auffaſſung meiner Ausführungen ſeitens des Herrn Hirſch vor. Im übrigen behalte ich mir vor, zu hören, was für neue Dinge in bezug auf dies Thema in der gemeinſchaftlichen Ausſchußberatung geäußert werden. Stadt. Dr. Spiegel: Meine Herren, auf die Einzelheiten der Sparkaſſenſtatiſtik werden wir ja, wie auf andere Dinge, noch in der gemiſchten De⸗ putation eingehen können. Hier möchte ich nur be⸗ merken, daß ich bei meiner Definition des Not⸗ ſtandes mir durchaus bewußt war, keine erſchöpfende Definition zu geben; denn ich hatte ja vorausgeſchickt, das wäre etwas Relatives, und geſagt, man könnte als Notſtand das von mir Angeführte ſchon auf⸗ faſſen. Der Herr Oberbürgermeiſter verzichtet auf eine Definition aus dem von mir ſelbſt angeführten Grunde, daß ſich der Notſtand eben nicht gut defi⸗ nieren laſſe. Dann finde ich es aber doch unbillig, daß der Herr Oberbürgermeiſter von uns verlangt, wir ſollen ihm erſt die Exiſtenz dieſes Dinges nach⸗ weiſen, das er ſelbſt gar nicht definieren kann. Und weil er es nicht definieren kann, wird er ſich damit begnügen müſſen, daß wir den von ihm ſelbſt an⸗ erkannten Teuerungszuſtand nachweiſen und es ſeinem eigenen geſunden Menſchenverſtand überlaſſen, ſich auszumalen, wie dieſer Tenerungszuſtand auf die Lebenshaltung eines Arbeiters einwirken muß. — IIber die Details, wie geſagt, werden wir uns wohl beſſer in der gemiſchten Deputation unterhalten. Stadtv. Hirſch: Meine Herren, nur einige mehr perſönliche Bemerkungen. Der Herr Oberbürger⸗ meiſter ſucht allerdings den Anſchein zu erwecken, als hätte er ſich ſehr darüber gefreut, daß ich erklärt habe, er hätte mit ſeinen Ausführungen Unglück. Aber es ſcheint doch, als ob der Herr Oberbürger⸗ meiſter weniger Freude als Arger darüber empfun⸗ den hat; es ſcheint, als ob er ſich ſo geürgert hat, daß er überhaupt nicht mehr recht begreift, was ich eigentlich geſagt habe. Denn ich kann doch nicht annehmen, daß der Herr Oberbürgermeiſter abficht⸗ lich meine Worte falſch wiedergibt. Der Herr Ober⸗ bürgermeiſter ſagt, ich hätte geſagt: sic volo, sic jubeo — dem Sinne nach natürlich nur —: wenn der Magiſtrat nicht will wie ich, dann lehnen wir den Etat ab. Nein, meine Herren, es iſt mir gar nicht eingefallen, ſo zu tun, als ob ich herrſchen will, als ob ich den Magiſtrat zwingen will, ſon⸗ dern ich habe ausdrücklich geſagt: wenn ich wüßte, daß die Mehrheit der Stadtverordnetenverſammlung hinter mir ſtände, dann würde ich in dieſer Frage, wo es ſich darum handelt, daß der Magiſtrat einem faſt einſtimmig gefaßten Beſchluß der Stadtverord⸗