—— —— 102 —— ſich eingeſtellt hatten, und er iſt auch am Tage nach der Unterredung, das heißt alſo geſtern, zuſammen mit dem Baumeiſter Grunow auf Bem Bau ge⸗ weſen, um ihm die Mängel zu zeigen. Leider er⸗ klärte Herr Grunow, nichts von dieſen Mängeln zu ſehen. Nun, meine Herren, iſt das ja eine eigen⸗ artige Sache: wenn zwei Arzte einen Kranken unter⸗ ſuchen, und der eine nimmt vielleicht irgend welche Geräuſche bei ihm wahr, die auf einen kranken Zu⸗ ſtand ſchließen laſſen, während der andere erklärt, er könne beim beſten Willen nichts hören, ſo wird man doch im allgemeinen geneigt ſein, demjenigen Glauben beizumeſſen und demjenigen mehr Vertrauen zu ſchenken, der die Geräuſche hört. Genau ſo iſt es auch auf dem Bau: wenn jemand ſieht, daß tat⸗ ſächlich Mängel vorhanden ſind, wenn er einen andern aufmerkſam macht: da und dort befinden ſich Mängel, und der Betreffende erklärt immer: ich kann nichts ſehen —, ſo mag das vielleicht daran liegen, daß die Augen des Betreffenden nicht ganz gut ſind, vielleicht auch wollte er nichts ſehen. Der Maurer, der mit Herrn Grunow auf dem Bau war, nimmt 4 44 an, daß Herr Grunow nichts ſehen wollte. Nun, meine Herren, wurde weiter ſeitens des Herrn Oberbürgermeiſters den Maurern geſagt: na, was wollt Ihr denn? Herr Bethge, der Unternehmer, wollte nachher wieder Lohnmaurer einſtellen, Maurer, die in Lohn arbeiten! Aber, meine Herren, ſo liegt die Sache denn doch nicht. Gewiß, Herr Bethge wollte wieder Lohnmaurer einſtellen, aber nur für den Bau des Reſtaurationsgebäudes. Alſo da, wo es wirklich auf gute Arbeit ankommt, da erklärte ſich der Herr dazu bereit, Lohnmaurer zu beſchäftigen. Die Maurer lehnten das natürlich ab, und zwar aus dem ſehr einfachen Grunde, weil ſie ſich ſagten: mit den Akkordmaurern arbeiten ſie nicht zuſammen. Sie haben unter andern als Beweis dafur, daß es ihnen unmöglich iſt, mit dieſen Leuten zu arbeiten, ange⸗ führt, daß ihnen ſeitens der Akkordmaurer zu⸗ gerufen iſt: Du Strolch, Dir reißen wir die Knochen auseinander! — und ähnliche Redensarten mehr. Daß Arbeiter, die etwas auf ſich halten, mit ſolchen Leuten nicht zuſammenarbeiten, das, glaube ich, ver⸗ ſteht ſich von ſelbſt. Nun, meine Herren, bei allen denjenigen, die ſich mit der Frage der Akkordarbeit beſchäftigt haben, herrſcht Übereinſtimmung darüber, daß dieſe Arbeits“ methode ſo bald wie möglich aus der Welt zu ſchaffen ſei. Es ſteht feſt, und zwar nicht nur nach dem Urteil der Arbeiter, ſondern auch nach dem Urteil einer ganzen Reihe von vorurteilsloſen, ein⸗ ſichtigen Bauunternehmern und nach dem Urteil einer ganzen Reihe von Nationalökonomen — ich erinnere bloß an den Berliner Privatdozenten Bern⸗ hardt, ich erinnere an Brentano, der die engliſchen Verhältniſſe geprüft hat — ich ſage: es ſteht feſt, daß durch die Akkordarbeit gerade im Maurerge⸗ werbe die Qualität der Arbeit ganz erheblich herab⸗ geſetzt wird. Es iſt ſehr leicht bei Maurerarbeiten, diejenigen, die die Arbeit unterſuchen wollen, über die wirklichen Mängel hinwegzutäuſchen. Man ſieht wohl die Mängel äußerlich; aber die Mängel, die in der Innenarbeit vorkommen, ſind nicht ſo leicht zu ſehen. Die Akkordarbeit treibt die Leute an, mög⸗ lichſt viel zu ſchuften, um möglichſt vier Lohn zu erzielen, und es iſt ja erklärlich, daß es dabei nicht 9 genau genommen wird, daß tatſächlich ſchlechte rbeit geliefert wird, daß Arbeit geliefert wird, die ſchließlich auch eine erhöhte Gefahr für Leben und Geſundheit der Arbeiter zur Folge hat, und da, meine ich, ſollte es gerade die Pflicht einer ſtädtiſchen Behörde ſein, dafür zu ſorgen, daß eine ſolche Arbeitsmethode auf den Bauten, die ſie ſelbſt auf⸗ führt, und auf Bauten, auf die ſie irgend welchen Einfluß hat, nun und nimmermehr angewendet werden darf. Es herrſcht mit vollem Recht in den Kreiſen der Maurer eine große Erbitterung über die Vorgänge, die ſich beim Neubau des Schillertheaters abgeſpielt haben. Die Maurer haben ja auch eine Reſolution an die Stadtverordnetenverſammlung geſendet, die in einer großen Maurerverſammlung gefaßt iſt, und die ich mir erlauben will, Ihnen vorzuleſen: Die Verſammlung nimmt mit Entrüſtung davon Kenntnis, daß auf dem Bau des Schillertheaters am Sonnabend, den 10. d. M., ſämtliche Lohnmaurer, 68 an der Zahl, ent⸗ laſſen und an deren Stelle Akkordmaurer ein⸗ geſtellt ſind. Von dem Grundſatz nun aus⸗ gehend, daß die Praktiken der Akkordmaurer unter Außerachtlaſſung aller techniſchen Vor⸗ ſchriften nicht dazu angetan ſind, eine ſolide und gute Arbeit herzuſtellen, ſo wie ſie von den Lohnmaurern ſeitens der Bauverwaltung verlangt wurde, erſucht die Verſammlung die Stadtverordnetenverſammlung, unverzüglich da⸗ für Sorge zu tragen, daß von ſeiten der Bau⸗ verwaltung die Akkordmaurer entfernt und die entlaſſenen Lohnmaurer wieder eingeſtellt werden. Nun, meine Herren, haben wir ja, glaube ich, kein Recht, zu verlangen, daß die Akkordmaurer ent⸗ fernt und dafür die entlaſſenen Lohnmaurer einge⸗ ſtellt werden. Ich habe inzwiſchen auch mit dem Vertreter der Maurer darüber geredet, und ſie ſelbſt legen kein Gewicht mehr darauf, daß etwa die, die früher entlaſſen worden ſind, dort wieder eingeſtellt werden. Worauf die Maurer aber Gewicht legen, und mit vollem Recht, das iſt, daß auf ſtädtiſchen Bauten überhaupt eine derartige Arbeitsmethode nicht mehr vorkommen ſoll. Und, meine Herren, gerade beim Schillertheater haben wir doppelten Anlaß, die Beſchwerden ein⸗ gehend zu prüfen. Es ſoll ein Volkstheater ſein — das iſt ja hier zu wiederholten Malen betont worden —, es ſoll ein Theater ſein, das den Minder⸗ bemittelten, den Arbeitern, für billiges Geld gute Vorſtellungen liefert. Ja, glauben Sie denn, daß die Arbeiter ſehr gern in das Theater hineingehen, wenn ſie wiſſen, unter welchen Arbeitsbedingungen, unter welchen Arbeitsmethoden dort gearbeitet worden iſt? (Lachen bei der Freien Vereinigung.) Meine Herren, Sie lachen darüber. Das zeigt eben, daß Sie ſich in das Empfinden der Arbeiter abſolut nicht hineinzuſeten vermög n. (Sehr richtig! vei den Sozialdemokraten) Ich erinner Sie daran, daß ſcbon aus ganz andern Gründen von den Arbeitern Kunſtinſtitute boykottiert worden ſind Alſo, Ihr Lachen war durchaus un⸗ angebracht. Im übrigen iſt das ja eine ura posterior; ich will mich über dieſe Frage nicht weiter äußern. Worauf es hier ankommt, iſt, den Magiſtrat zu erſuchen, noch einmal die Auſtellung von Bau⸗ kontrolleuren zu erwägen, und, meine Herren, ich 4 für dieſe Reſolution können Sie alle ſtimmen. ir verlangen nicht von dem Magiſtrat, daß er nun ſofort Kontrolleure aus der Arbeitertlaſſe anſtellt;