—— 110 —— gefährlich und leichter iſt. Dafür arbeiten aber die anderen wieder umſomehr. Daß das geſchieht, iſt recht erfreulich. Das iſt ein ſehr ſchönes, erfreuliches Zeichen von Solidaritätsgefühl, über das ſich der Herr Oberbürgermeiſter namentlich als Kommunal⸗ beamter freuen ſollte, da ja dadurch gerade die ſchwachen Leute davor bewahrt werden, daß ſie der Armenverwaltung zur Laſt fallen. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagte dann, die vier chriſtlich organiſierten Arbeiter hätten dieſelbe Rolle geſpielt wie die Konzeſſionsſchulzen im Garde⸗ regiment. Meine Herren, mit derartigen Witzen kommt man über eine ſo ernſte Sache nicht hinweg. Die Tatſache hat der Herr Oberbürgermeiſter nicht beſtreiten können, daß die angeblich ſozialdemokratiſch organiſierten Maurer, die jeden, der nicht dem ſozial⸗ demokratiſchen Wahlverein beitritt, an der Arbeit hindern, ganz friedlich mit vier chriſtlich organiſierten Arbeitern zuſammen gearbeitet haben. Weiter hat der Herr Oberbürgermeiſter an⸗ ſcheinend Angſt darüber empfunden, daß die Straßen der guten Stadt Charlottenburg durch Streikpoſten beſetzt ſind. Meine Herren, das iſt nun einmal ſo: wenn ein Bau geſperrt wird, ſtellen die Arbeiter Streikpoſten aus. Das Streikpoſtenſtehen iſt geſetz⸗ lich durchaus zuläſſig. Daß dabei Verhaftungen vorgekommen ſind, hat garnichts zu ſagen; jeder Menſch kann heutzutage in Preußen mal verhaftet werden. (Heiterkeit.) Der Herr Oberbürgermeiſter ſagte weiter, Herr Baetge wollte die Maurer einſtellen, aber die Leute haben geſagt: Nein, wir werden nur dann wieder arbeiten, wenn die Akkordarbeiter entlaſſen werden. Er bezeichnete das als Terrorismus. Meine Herren. gerade das Gegenteil iſt der Fall! Wo liegt hier eine Spur von Terrorismus vor? Die Leute er⸗ klären einfach: wir arbeiten nicht mehr auf dem Bau, ſolange die anderen da ſind —, aber ſie haben doch keinen Terrorismus ausgeübt, um die anders organiſierten, die Akkordarbeiter, von der Bauſtelle zu entfernen. Und wenn die Maurer ſagen, wir arbeiten deshalb nicht mit ihnen zuſammen, weil doch niemals ein vernünftiges Einverſtändnis erzielt werden kann, weil Mord und Totſchlag vorkommen, ſo iſt das ein ſehr ehrenvolles Zeichen für die Arbeiter; ſie zeigen damit, daß ſie tatſächlich ge⸗ bildeter und geſitteter ſind als die Akkordarbeiter. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagt: Sie ſehen, wie verkehrt das alles dargeſtellt wird; er meinte das mit Bezug auf die Darſtellung, die mir zugegangen iſt. Mit demſelben Recht kann ich mit Bezug auf die Darſtellung, die dem Herrn Oberbürgermeiſter zugegangen iſt, die er natürlich in gutem Glauben gegeben hat, ſagen: Sie ſehen, wie verkehrt das alles dargeſtellt iſt! Meine Herren, ob Irrtümer in der einen oder anderen Darſtellung liegen, kann weder der Herr Oberbürgermeiſter 20 ich be⸗ urteilen. Nun hat der Herr Oberbürgermeiſter zum Schluſſe eine Außerung mehr politiſcher Natur ge⸗ macht, indem er darauf hinwies, daß die einzelnen ganz verſtändig ſind, daß aber die Organiſation die Differenzen zwiſchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hineintrage. Es war mir beſonders intereſſant, daß aus den Reihen der Liberalen lebhafter Beifall den Worten des Herrn Oberbürgermeiſters zuteil wurde. Meine Herren, genau ſo hat früher immer der ſelige Herr v. Stumm geſprochen. (Zurufe und Lachen.) Es iſt bezeichnend, daß die Liberalen jetzt bereits ſolchen Außerungen Beifall zollen, wie ſie früher nur von ſeiten der ärgſten Scharfmacher ausgeſprochen worden ſind. Das iſt ja ein altes Lied, daß man immer ſagt: die einzelnen Arbeiter ſind ganz ver⸗ ſtändig, aber die Organiſition trägt die Differenzen hinein. Meine Herren, die Organiſation hat ſich um den Bau überhaupt erſt bekümmert, nachdem die einzelnen Arbeiter ſich an ſie gewandt haben. Und das iſt auch ganz natürlich. Die Arbeiter ſind organifiert, es beſteht zwiſchen der Arbeitgeber⸗ und der Arbeitnehmerorganiſation ein beſtimmtes Ver⸗ tragsverhältnis. Wenn alſo die Arbeiter mit irgend einer Beſtimmung, mit irgend welchen Zuſtänden nicht einverſtanden ſind, ſo iſt es doch der richtige Weg, daß ſie ſich an ihre Organiſation wenden. Und gerade dadurch, daß die Organiſation vorhanden iſt, wird vielleicht der Terrorismus verhütet, von dem der Herr Oberbürgermeiſter geſprochen hat. Wäre die Organination nicht vorhanden, dann würde es tauſendmal ſchlimmer um die Sache ſtehen. Dann würden — deſſen können Sie ſicher ſein — die Differenzen ſich nicht auf ſo friedlichem Wege aus⸗ gleichen laſſen. Kann man ſich denn ein friedlicheres, ruhigeres, beſonneneres Vorgehen denken als das der Charlottenburger Maurer? Sie haben ſich in einer Reſolution an die Stadwerordnetenverſammlung ge⸗ wandt, weil ſie glauben, daß die Stadtverordneten⸗ verſammlung in der Lage iſt, die Mißſtände zu be⸗ ſeitigen. Sie kannten offenbar das Rechtsverhältnis nicht. Sie haben ſich dann durch meine Vermitte⸗ lung an den Herrn Oberbürgermeiſter gewandt, weil ſie ſich ſagten: wir wollen auf durchaus friedlichem Wege die Differenzen aus der Welt ſchaffen. Ich meine, wenn in irgendeinem Falle, ſo ſind in dieſem Vorwürfe gegen die Organiſation durchaus unan⸗ gebracht. Die Arbeiter haben die Vorgänge ge⸗ ſchildert, haben mich gebeten, ſie hier vorzub ingen, ich habe das getan. Ich möchte nur dem Wunſche Ausdruck geben, daß die Befürchtungen, die die Ar⸗ beiter an die Beſchäftigung der Akkordmaurer knüpfen, nicht in Erfüllung gehen, ſondern daß dort Unfälle, trotzdem Akkordarbeiter auf dem Bau beſchäftigt ſind, vermieden werden. Die Arbeiter haben den Magiſtrat gewarnt; er möge nun das ſeine tun. Vorſteher Roſenberg: Es liegt wohl in aller Wunſch, wenn möglich die heutige Tagesordnung, mindeſtens aber den Etat zu erledigen. (Sehr richtig!) Das wird möglich ſein, wenn wir heute bis gegen Mitternacht tagen. Ich habe in Ausſicht genommen, von 10 bis 10 Uhr eine Pauſe eintreten zu laſſen, und darf annehmen, daß die Verſammlung damit einverſtanden iſt. wenn kein Widerſpruch erfolgt. — Widerſpruch vat ſich nicht erhoben. Die Verſammlung iſt mit meinem Vorſchlage einverſtanden. Das Wort hat nun Herr Stadtverordneter Mittag. Stadtv. Mittag: Meine Herren, ich ſtehe auf dem Standpunkt, daß das Einſetzen einer Baukontrolle in der Form, wie ſie Herr Kollege Hirſch vorge⸗ ſchlagen hat, zur Zeit nicht zweckmäßig iſt; ſie würde den Unfrieden, der zwiſchen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herrſcht, noch bedeutend verſchärfen. Welch großer Unfriede zur Zeit herrſcht, das haben die Ausführungen des Herrn Stadtv. Hirſch im Ein⸗ gange und die Ausführungen des Herrn Oberbürger⸗ meiſters im weiteren Verlaufe der Debatte eneſen