—— 124 — 1904 inſoweit entgegen, als ſie die Schulpflicht auf ungelernte männliche Arbeiter ausdehnt. Sie kommt unſerm damaligen Beſchluſſe nicht entgegen bezüglich der Ausdehnung der Pflichtſchule auf weibliche Handlungsgehilfen. Rückſichtlich dieſes Punktes hat uns der Magiſtrat in der Überſicht, die er uns im Januar überreicht hat, bereits mitgeteilt, daß eine Ausdehnung auf die weiblichen Handlungs⸗ gehilfen vorläufig noch nicht beabſichtigt iſt. Es handelt ſich nicht um eine defnitive Beſchlußfaſſung, ſondern um eine Vertagung. Der Magiſtrat ſteht auf dem Standpunkt, daß man in dieſer Angelegen⸗ heit langſam vorgehen muß. Im Etatsausſchuß iſt dieſer Standpunkt als berechtigt anerkannt und in⸗ folgedeſſen die Petition, die von der Luiſe Koch und Genoſſen ausgegangen iſt, betr. Ausdehnung des Pflichtbeſuchs der Fortbildungsſchule auch auf weib⸗ liche Handlungsgehilfen durch den Etat, wie er hier vorliegt, für erledigt erklärt worden. Stadtv. Vogel: Petition beantragt, bildungsſchule auf Meine Herren, die genannte daß der Pflichtbeſuch der Fort⸗ weibliche Handlungsgehilfen aus⸗ gedehnt wird, wozu die Stadt nach der Gewerbe⸗ ordnung berechtigt iſt. Sie haben gehört⸗ daß der Magiſtrat davon vorläufig noch abzuſehen wünſcht, und daß der Etatsausſchuß auch glaubt, die Petition durch die Feſtſetzung des Etats erledigt zu haben. Ich möchte Sie aber im Namen meiner Fraktions⸗ genoſſen bitten, dieſe Petition dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. Die Verhältniſſe, in denen ſich heute die Töchter des Mittelſtandes befinden, ſind ganz anders wie vor 30, 40 Jahren. Während man früher dachte: wenn ein Mädchen die Schule durchgemacht hat, dann braucht es ſich nur noch in der Wirtſchaft aus⸗ zubilden, in Wäſche⸗ und Näharbeiten, und dann wird es ſich ſpäter verheiraten, — ſo iſt das heute nicht mehr ſo. Heute iſt ein großer Teil der Töchter des nichtbemittelten Mittelſtandes verpflichtet, darauf Bedacht zu nehmen, ſich ſelbſt einen Lebensunterhalt zu ſchaffen, weil die Ausſicht, ſich zu verheiraten, durchaus nicht mehr ſo ausgedehnt iſt wie früher. Deshalb ergreifen viele dieſer Tächter den Handels⸗ ſtandberuf; ſie werden Verkäuferinnen, Handlungs⸗ gehilfinnen. Dieſer Stand aber erfordert heuzutage eine ganz andere Ausbildung, als die Schule ſie ge⸗ währen kann. Deshalb iſt auch in der Gewerbe⸗ ordnung vorgeſehen, daß für dieſe Schülerinnen die Fortbildungsſchule obligatoriſch gemacht werden kann h von ſeiten der ſtädtiſchen Behörden. 2 Ich möchte Sie nun namens meiner Fraktions⸗ ſch Ren dringend bitten, dieſe Petition nicht auf ich beruhen zu laſſen, ſondern ſie dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. Wir haben auch hier in unſerer Stadt eine ganze Anzahl von Töchtern aus den bürgerlichen Familien, die in kaufmänniſchen ar angeſtellt ſind, denen es aber ſehr ſchwer fällt, die Bewilligung von ihren Vorgeſetzten zu bekommen, die Fortbildungsſchule zu beſuchen, wenn ſie nicht obligatoriſch iſt. Deshalb iſt es durchaus notwendig, damit dieſe an dem Unter⸗ richt teilnehmen können, daß der Beſuch der Fort⸗ bildungsſchule von den ſtädtiſchen Behörden für obligatoriſch erklärt wird. Es iſt allerdings noch ein kleiner Ubelſtand vor⸗ handen, auf den ich ſchon vor 2 Jahren aufmerkſam 4 habe; das iſt nämlich die Lokalfrage. Für ie ungelernten männlichen Arbeiter wird jetzt die obligatoriſche Fortbildungsſchule eingerichtet, und der Raum mangelt ſchon, wie ich gehört habe. Ich habe damals ſchon geſagt, für die Fortbildungsſchulen ſollten gleich die nötigen Summen ausgeſetzt werden. Das iſt abgelehnt worden. Jetzt ſieht man ein, es wäre ſehr praktiſch geweſen. Die Lokalfrage würde alſo einige Schwierigkeiten machen; aber ſo groß ſind ſie nicht. Die weiblichen Handlungsgehilfen würden ſchon in einer andern Schule untergebracht werden können, wo zurzeit kein Unterricht erteilt wird. Jedenfalls bitte ich, die Sache nicht hinziehen zu wollen, ſondern die Petition dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. Stadtſchulrat Dr. Neufert: Meine Herren, ich möchte Sie bitten, den Magiſtrat in dieſer Angelegen⸗ heit nicht zu drängen. Es wird — ich glaube, Sie werden auch davon überzeugt ſein — auf dem Gebiete des Fortbildungsſchulweſens in Charlottenburg ge⸗ arbeitet. Ich glaube, in keinem Teile des geſamten Schulgebietes iſt in den letzten Jahren ſo kräftig gearbeitet worden als gerade auf dem Gebiete des Fortbildungeſchulweſens. Wenn wir auch das Obli⸗ gatorium bei den Mädchen noch nicht eingeführt haben, ſo ſind doch auch hier ganz erhebliche Fort⸗ ſchritte zu verzeichnen. Wir haben vor einigen Jahren die Mädchenfortbildungsſchule II gegründet, und dieſelbe gedeiht, es iſt ein erfreuliches Zeichen. daß in der Handelsabteilung dieſer Schule der Schul⸗ beſuch ſo regelmäßig iſt, wie er in einer obligatoriſchen Fortbildungsſchule nicht regelmäßiger ſein kann. Die⸗ jenigen Schülerinnen alſo, welche das Bedürfnis haben, ſich auf dem Gebiete der Handelslehre, der Buchführung uſw. fortzubilden, finden bei uns reichlich Gelegenheit. Ich möchte Sie auch deshalb bitten, nicht ſo ſehr zu drängen, weil wir noch ſchwer überſehen können, welche Wirkungen in jedem einzelnen Jahre die Ein⸗ führung der obligatoriſchen Fortbildungsſchule für Charlottenburg hat. Der Magiſtrat hat ſich in dem letzlen Semeſter mit der Frage der Ausdehnung der Schulpflicht be⸗ ſchäftigt; er hielt es aber für zweckmäßig, die Ent⸗ ſcheidung noch etwas zu vertagen. Wir ſtanden damals gerade vor der allgemeinen Volkszählung, wollten dieſe noch benützen, um feſtzuſtellen, wie groß die Zahl der dem Obligatorium unterworfenen Schüler geworden iſt, gegenüber der letzten Feſtſtellung bei der Volkszählung von 1900. Dieſe Nachrichten ſi nd jetzt von dem Statiſtiſchen Amt eingegangen, und ich offe, wir werden in kurzer Zeit die Antwort auf die erſte Reſolution in Geſtalt einer Vorlage erteilen können. Bei dieſer Gelegenheit wird ja auch be⸗ ſprochen und event. beſchloſſen werden können, ob es notwendig iſt, das Obligatorium zur Zeit ſchon auf die Mädchen, die im Handelsgewerbe tätig find, aus⸗ zudehnen. Stadtv. Otto: Meine Herren, ich halte es für unnötig, der Anregung des Herrn Kollegen Vogel zu entſprechen. Wir haben bereits, als uns die obligatoriſche Fortbildungsſchule für unſere männliche Jugend beſchäfligte, am 29. Juni den Beſchluß gefaßt, den Magiſtrat zu erſuchen, eine Vorlage zu machen, durch welche der obligatoriſche Beſuch der Fori⸗ bildungsſchule möglichſt vom 1. Oktober 1905 ab auf die ungelernten Arbeiter ſowie die weiblichen Hand⸗ lungsgehilfen ausgedehnt werde. Dieſer Beſchluß iſt heute noch in Kraft. 1 (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Aber noch nicht ausgeführt!)