—— 125 — Deshalb bedarf es keiner erneuten Mahnung an den Magiſtrat. Der Beſchluß iſt noch nicht ausgeführt; es heißt aber in dem Beſchluß: „möglichſt“. Der Magiſtrat iſt alſo verpflichtet, die Sache im Auge zu behalten. (Die Beratung wird geſchloſſen. Der Bericht⸗ erſtatter verzichtet. Die Verſammlung lehnt den Antrag des Stadtv. Vogel, die Petition des Fräulein Koch dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu über⸗ weiſen, ab, ſtellt Kapitel IV in Einnahme und Aus⸗ gabe nach dem Voranſchlage des Magiſtrats unver⸗ ändert feſt und erklärt die Petition des Fräulein Koch für erledigt.) Vorſteher Roſenberg: Meine Herren, es iſt von vielen Seiten der Wunſch ausgeſprochen, heute ſchon um 11 Uhr zu ſchließen. (Widerſpruch und Zuſtimmung) Ja, wie lange denken die Herren zu tagen? (Rufe: 912! 11) Meine Herren, es ſcheint mir, daß ich die Stimmung der Verſammlung am beſten treffe, wenn ich var⸗ ſchlage, daß wir nicht länger als bis ⅝ 12 Uhr tagen. — Die Verſammlung iſt damit einverſtanden. Wir kommen nunmehr zu Kapitel 1II zurück. Es iſt ein neuer Antrag eingegangen, der zunächſt die Zurückziehung des Antrages des Herrn Stadtv. Dr. Spiegel bedeutet, wenn ich recht verſtanden babe. Dieſer Antrag lautet folgendermaßen: Die Stadtverordnetenverſammlung ſieht der Einbringung einer Vorlage betr. Hebung der Gemeindeſchulen baldigſt entgegen. Sie erklärt ihr Einverſtändnis damit, daß in den nächſten vier Jahren die Frage der Gewährung freier Lernmittel für alle Schüler der Gemeindeſchulen zurückgeſtellt werde. Dieſer Antrag ſoll dann auch wohl zugleich bedeuten, daß der Antrag des Etatsausſchuſſes abgelehnt werden ſoll; er ſoll alſo für den Fall der Ablehnung des Antrages des Etatsausſchuſſes geſtellt werden. Soeben darf ich aus dem Zwiegeſpräch des Herrn Stadtv Dr. Spiegel mit einem der Herren Beiſitzer entnehmen, daß meine Vermutung falſch war; der Antrag des Herrn Stadtv. Dr. Spiegel bleibt beſtehen. (Zuſtimmung des Stadtv. Dr. Spiegel.) Stadtv. Dzialoszynski: Meine Herren, ich habe mit Befriedigung Kenntnis genommen von der Er⸗ klärung des Herrn Oberbürgermeiſters, daß es nicht prinzipielle Gründe waren, welche den Magiſtrat ſchließlich veranlaßt haben, der Frage der Gewährung freier Lernmittel zur Zeit entgegenzutreten, ſondern daß es in erſter Reihe finanzielle Gründe waren, welcke den Magiſtrat veranlaßt haben, diejenige Stellung einzunehmen, welche er hier eingenommen hat, daß er mit Rückſicht darauf, daß die beiden Aufgaben, nämlich die Hebung der Volksſchulen und die Ge⸗ währung der freien Lernmittel, nach Lage des Etats nicht gleichzeitig durchzuführen ſind, die wichtigſte Aufgabe zunächſt als dringlicher erachtet, und ſich auf den Standpunkt geſtellt hat, daß mit Rückſicht hierauf für die voransſichtliche Dauer der Einführung der Hebung der Volksſchulen die andere Frage zurückgeſtellt wird. In der Tat kann man ſich, wenn man zu der An⸗ nahme gelangt, daß die Frage der Volksſchulen wichtiger iſt, auf den Standpunkt ſtellen, daß die andere Frage zurückgeſtellt werde, auch wenn man ein unbedingter Anhänger der Frage der Einführung der freien Lernmittel iſt, und es iſt nicht richtig, wenn Herr Kollege Hirſch meinen Freunden zum Vorwurf macht, daß ſie ein Prinzip aufgegeben haben. (Stadtv. Hirſch: Doch, doch!) Es iſt nicht richtig, einen derartigen Vorwurf zu erheben, wenn man in der Erwägung, ob die ge⸗ nügenden Mittel vorhanden ſind, zu der Annahme gelangt, daß dieſe Frage zurückzuſtellen ſei. Es war dieſer Vorwurf nach meiner Meinung in keiner Weiſe berechtigt. Weunn Herr Kollege Hirſch im Gegenſatz zu dem Herrn Oberbuͤrgermeiſter weiterhin diejenige Reſolution, welche Herr Kollege Dr. Spiegel hier beantragt hat, dahin ausgelegt hat, daß meine Freunde nach dem Wortlaut dieſer Reſolution nicht berechtigt ſeien, vor Ablauf von 8 Jahren mit einem derartigen Antrage zu kommen. ſo glaube ich, Ihnen ſagen zu können, daß der Wortlant der Reſolution ihn zu dieſer An⸗ nahme nicht berechtigt. Es iſt der Wortlaut der urſprünglichen Reſolution, welche „eine entſprechende Vorlage“ verlangt, nicht feſtgehalten worden, ſondern es iſt unabhängig davon lediglich die Einbringung einer Vorlage behufs Hebung der Gemeindeſchulen im Laufe des Etatsjahres beanſprucht worden. Sachlich iſt ja das Erfordern des Magiſtrats, daß man die Frage der Gewährung der freien Lern⸗ mittel auf acht Jahre zurückſtelle, nicht gerechtfertigt. Man kann ſich auf einen Standpunkt ſtellen, welchen man wolle, man kann der Gewährung der freien Lernmittel ſympathiſch oder auch kühl gegenüberſtehen, ſo wird man immer ſagen: es hat die eine Frage mit der anderen nur inſoweit zu tun. als finanzielle Rückſichten mitſprechen, als finanzielle Erwägungen maßgebend ſind für die Frage, ob beide Aufgaben durchzuführen ſind. Es läßt ſich aber meines Da⸗ fürhaltens nicht überſehen, ob dieſe Situation, daß wir beide Aufgaben nicht durchführen können, acht Jahre dauern wird oder nicht. Es iſt dies für einen kürzeren Zeitraum, vielleicht für die nächſten vier Jahre wohl möglich, und inſofern trifft ja der An⸗ trag des Herrn Kollegen Kaufmann, glaube ich, die tatfächlichen Verhältniſſe ganz richtig; es iſt wohl zu überſehen; daß wir im Laufe der nächſten vier Jahre nicht dermaßen in Geld ſchwimmen werden, daß wir in der Lage ſein werden, in beſonders freigebiger Weiſe derartige Aufgaben zu erfüllen; aber wie es in fünf, ſechs oder ſieben Jahren bei uns beſchaffen ſein wird mit den Finanzen, das kann niemand vorausſagen, auch der Herr Kämmerer, der eben winkt, glaube ich, nicht. Wir wiſſen ja nicht, wie die Steuerverhältniſſe ſich entwickeln werden, in welch rapider Weiſe ſich Eharlottenburg entwickeln wird, was das Waſſerwerk, das Elektrizitätswerk uſw. bringen werden. (Zuruf bei den Liberalen: Waſſerwerk! — Heiterkeit.) Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß wir in fünf oder ſechs Jahren in der Lage ſein werden, derartige Aufgaben zu erfüllen. Es kommt weiter hinzu, daß die gegenwärtige Stadtverordnetenverſammlung meines Ermeſſens nicht berechtigt iſt, einer künftigen Stadtverordnetenver⸗ ſammlung vorzugreifen. Wir wiſſen alle nicht, ob wir in zwei oder vier oder ſechs Jahren an dieſe Stelle zurückkommen werden. Wir ſind nicht be⸗ rechtigt, eine künftige Stadtverordnetenverſammlung auf ſo viele Jahre hinaus zu binden. Wir ſind auch nicht in der Lage, uns ſelbſt auf eine ſolche Reihe von Jahren zu binden. Es lernt jeder; wir haben es in der großen Politik geſehen, daß ein enragierter Freihändler, wie Fürſt Bismarck, plötzlich Schutz⸗ zöllner geworden iſt, und umgekehrt auch. Es iſt ja