Ich bitte, meiner Reſolution, die nur eine Auf⸗ munterung für den Magiſtrat ſein ſoll, zuzuſtimmen. Stadtv. Jolenberg: Meine Herren, es iſt gar keine Frage, und jeder in dieſem Saale iſt ſich da⸗ rüber klar, daß ein großes Bedürfnis für die Er⸗ richtung weiterer höherer Mädchenſchulen vorhanden iſt. Ich habe feſtgeſtellt, daß in der Auguſte⸗Viktoria⸗ ſchule jetzt zu Oſtern 160 Anmeldungen ſtattgefunden haben, von denen nicht eine einzige berückſichtigt werden konnte. Die Privatſchulen können uns die ſtädtiſchen Lehranſtalten nicht erſetzen. Denn bei den Schulvorſteherinnen in den Privatſchnlen gilt als Befähigungsnachweis für die Aufnahme weniger die Tüchtigkeit der Schülerin als ihre Abſtammung: Kinder ariſcher Abſtammung werden von den Schul⸗ vorſteherinnen ohne weiteres aufgenommen, Kinder ſemitiſcher Abſtammung werden von vielen Schul⸗ vorſteherinnen entweder ganz zurückgewieſen, oder es wird erklärt, daß dieſe Kinder nur bis zu einem kleinen Prozentſatz zueaſſen werden. Man kann es niemandem verdenken, wenn er Schulvorſteherinnen mit derartigen Vorurteilen ſeine Kinder nicht anver⸗ traut, und ich halte es im Intereſſe unſerer Mit⸗ bürger oder eines Teils derſelben für wünſchens⸗ wert, daß dieſer Zuſtand bei unſeren Privatſchulen einmal öffentlich feſtgeſtellt wird. Ich bitte, den Antrag Kaufmann anzunehmen und für die Errichtung weiterer höherer Mädchen⸗ ſchulen zu ſtimmen. Stadtſchulrat Dr. Neufert: Meine Herren, es iſt in der Schulverwaltung auch bekannt, daß ſehr viele Bürger in den öſtlichen Stadtteilen darüber klagen, ihre Kinder könnten nicht in die dort beſtehende ſtädtiſche höhere Mädchenſchule aufgenommen werden. Faſt in allen Fällen, ſoweit ich darüber habe Nach⸗ forſchungen anſtellen können, handelte es ſich aber um Schulerinnen, die während des erſten Schuljahres von Hauslehrerinnen unterrichtet worden ſind oder in einem ſogenannten Zirkel untergebracht waren. Die betreffenden Eltern ſind dann ſelbſt ſchuld, wenn ſich für dieſe Kinder kein Platz in der ſtädtiſchen höheren Mädchenſchule fand, denn die Plätze, welche in der unterſten Klaſſe nach Schluß der Schülerinnen⸗ aufnahme für Charlottenburger Schülerinnen noch frei waren, wurden an Kinder aus der Nachbarſchaft ver⸗ geben. Wir hielten das für wünſchenswert im finan⸗ ziellen Intereſſe der Stadt. Wir werden allerdings wohl in der Zukunft etwas vorſichtiger ſein; es iſt bereits die Aufnahme von auswärtigen Schülerinnen etwas beſchränkt worden. Immerhin überraſcht es mich, von Ihnen heute zu hören, daß von 160 Schülerinnen, die vorgemerkt waren, keine einzige hat Aufnahme finden können. Ich bin nicht darüber unterrichtet; die Aufnahmen haben erſt in den letzten Tagen ſtattgefunden geſtern z. B. haben ſolche noch ſtattgefunden, ich habe eben eine Nachricht darüber von dem Direktor be⸗ kommen. Ich kann mir nur denken, daß es ſich um auswärtige Schülerinnen handelt oder um mittlere Klaſſen, die ſchon ſeit Jahr und Tag voll geſtopft find, ſo daß es nach der miniſteriellen Anordnung unzuläſſig wäre, dort noch Schülerinnnen aufzu⸗ nehmen. Es werden aber Ermittelungen darüber angeſtellt werden, ob ſich das bis in die unteren Klaſſen hinein erſtreckt hat. Das, was Herr Stadtv. Jolenberg über die Zurückſetzung der Schülerinnen jüdiſchen Glaubens ſagte, überraſchte mich, weil es gerade mit der 132 — Gegend des Savignyplatzes in Verbindung gebracht wurde. Vor zwei Jahren iſt dort eine private höhere Mädchenſchule errichtet worden, die allen billigen Anforderungen durchaus genügt, und ich habe noch niemals gehört, daß irgend eine Schülerin wegen der Abkunft oder wegen des Glaubens in dieſer Anſtalt — es iſt die Höhere Mädchenſchule von Fräulein Mittelſtaedt — ansgeſchloſſen worden ſei. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, die Ausführungen des Herrn Stadtſchulrats, daß in den höheren Mädchenſchulen die Mittelklaſſen vollgeſtopft werden, gibt doch zu denken Anlaß. Ich glaube, daraus geht doch hervor, daß jedenfalls eine Über⸗ füllung der höheren Mädchenſchulen vorhanden iſt. Da nun auch nach unſern ſonſtigen Informationen die Sachlage derartig iſt, und da es ja auch nicht möglich iſt, daß alle diejenigen, die nach Charlotten⸗ burg ziehen, ihre Kinder von vornherein in die unteren Klaſſen gehen laſſen — ſie werden immer genötigt ſein, unter Umſtänden die Schülerinnen erſt für eine höhere Klaſſe anzumelden —, aus allen dieſen Gründen müſſen wir auch unſererſeits uns für die Reſolution Kaufmann erklären. Stadtv. Jolenberg: Meine Herren, der Herr Stadtſchulrat hat die Mittelſtaedtſche Schule eben genannt. Ich habe nach dieſer Richtung hin gerade dei dieſer Schulleiterin perſönliche Erfahrungen gemacht. Ich habe meine Tochter dort angemeldet, und Fräulein Mittelſtaedt hat mir erwidert, ſie nähme wohl meine Tochter auf, aber ſie mache darauf auf⸗ merkſam, daß ſie nur einen gewiſſen Prozentſatz jüdiſcher Schülerinnen in ihrer Schule zulaſſe. Dies hat mich natürlich veranlaßt, meine Tochter dort nicht unterzubringen. Fräulein Mittelſtaedt war nun ſo inkonſequent, mich nachher zu bitten, meine Tochter doch in ihre Anſtalt zu geben. Als ich ihr darauf geſchrieben habe, ich könne das nicht tun, ich könne ihr nicht die Erziehung meiner Tochter anvertrauen, hat ſie mich um eine Unterredung gebeten, um das angebliche Mißverſtändnis aufzuklären. Inzwiſchen hatte mir ein anderer Herr, ein anderer Bürger dieſer Stadt genau dasſelbe von Fräulein Mittelſtaedt erzählt, was mir paſſiert iſt, ganz genan dieſelbe Sache, ſodaß ich mich veranlaßt geſehen habe, Fräulein Mittelſtaedt die Mitteilung zu machen, daß ich keine Veranlaſſung habe, mit ihr über den Fall weiter zu ſprechen, da er ja nicht nur mir paſſiert ſei, ſondern auch einem andern Bürger unſerer Stadt, daß alſo die Sache unzweifelhaft feſtſtehe. Ich hätte die Dame nicht g enannt, wenn der Herr Stadtſchulrat nicht auf dieſe Schule beſonders hingewieſen hätte. Stadtv. Schwarz: Ich möchte feſtſtellen, daß die Mittelſtaedtſche Schule früher die Dunkerſche geweſen iſt, und daß dieſer Schule während der Leitung von Fräulein Dunker, unter der Fräulein Mittelſtaedt jahrelang Lehrerin war, jede einſeitige Tendenz voll⸗ ſtändig ferngelegen hat. Vorſteher Roſenberg: Wir kommen nunmehr en Abſtimmung. Ich werde zunächſt abſtimmen laſſen über die Reſolution des Stadtv. Kaufmann: Die Verſammlung erſucht den Magiſtrat, die Errichtung einer vierten höheren Mädchenſchule in der Gegend des Savignuplatzes in Erwägung zu ziehen. (Die Verſammlung beſchließt demgemäß.)