Uumſtand. Es iſt Kollege Penzig aus der Landes⸗ kirche ausgetreten, er iſt Diſſident. Nun bitte ich Sie, meine Herren, ſich möglichſt lebhaft daran erinnern zu wollen, daß weder in der Inſtruktion vom Jahre 1811, noch auch ſogar in unſerm neuen Schulgeſetz irgend etwas darüber geſagt iſt, daß die Mitglieder der Schuldeputation nicht Diſſidenten ſein dürfen. Es würde, wenn der Austritt aus der Landeskirche eine Inhabilität für die Schuldeputation herbeiführen ſoll, damit ein Satz ausgeſprochen werden, der nicht nur gar keine Stütze in der einſchlägigen Spezialgeſetz⸗ gebung hat, ſondern der in direkteſtem Widerſpruch mit unſerer Verfaſſung ſelber ſteht. Beim Kollegen Penzig kommt noch ein Weiteres hinzu. Zumeiſt wiſſen wir ja nicht, aus welchem Grunde jemand aus der Landeskirche ausgetreten iſt. Aber daß bei dem Kollegen Penzig gerade tiefes religiöſes Em⸗ pfinden der Grund für ſeinen Austritt geweſen iſt, das wiſſen wir; wir wiſſen es aus ſeiner ganzen literariſchen Tätigkeit. Und ich möchte alle die⸗ jenigen, die die prinzipielle Stellungnahme Penzigs zu den einſchlägigen Fragen kennen zu lernen wün⸗ ſchen, auf eine Schrift aufmerkſam machen, die be⸗ reits in dritter Auflage aus dem Jahre 1904 vor⸗ liegt: „Ernſte Antworten auf Kinderfragen“. Es iſt ein Buch, an dem ein jeder von uns, der Vater iſt, beſonders derjenige, der Vater von heranwach⸗ ſenden Kindern iſt, ſeine reine Herzensfreude haben wird. In dieſem Buche beſpricht auch Kollege Penzig die Stellung der Erziehung zur Kirche, das Verhält⸗ nis des Kindes zur Gottheit, und ich kann es mir nicht verſagen, Ihnen, meine Herren, einen ganz kurzen Paſſus — S. 242 der Schrift — vorzuleſen, der unmittelbar für die uns hier intereſſierende Frage von Bedeutung iſt. Penzig ſagt: Wir ſtehen der Kirche pietätvoll als der langjährigen Bewahrerin und Hüterin des Idealismus gegenüber, wir achten die Menſch⸗ heit, indem wir alles achten, was ihr teuer geweſen iſt. Dadurch iſt auch die Stellung gegeben, die wir Konfeſſionsloſen unſern Kin⸗ dern der Kirche gegenüber anweiſen wollen. Sie ſollen nicht aufwachſen als Barbaren inner⸗ halb einer geſitteten Welt, nicht als Heiden in einer chriſtlichen Welt. Sie ſollen, was jede Kirche von ihren Gläubigen verlangt, verſtehen und achten lernen, mindeſtens ebenſo gut, wie die Kinder der Gläubigen ſelbſt, ich meine ſogar beſſer. Dazu iſt zweierlei nötig. Erſtens darf der Fanatismus der Religionsfeindſchaft, wenn ich ſo ſagen darf, ſie nirgends berühren. Mögen die Eltern ihre triftigen Gründe haben, warum ſie der Religionsgemeinſchaft fernbleiben, mögen ſie der Kirche keinerlei Einfluß auf das Leben und die Erziehung ihrer Kinder ge⸗ ſtatten — aber hüten ſie ſich auch, die Religion und ihre Bekenner den Kindern, jene als eitel Torheit, und noch ſchlimmer dieſe als Heuchler oder Einfältige hinzuſtellen! Uſw. Meine Herren, wenn wir irgend eine Seite aus dem Buche herausgreifen, überall ſehen wir, daß die Aus⸗ führungen des Verfaſſers getragen ſind von einer warmen und tiefen religiöſen Empfindung, von einer wahren Frömmigkeit. Und nun ſtehen wir vor der Frage: ſind wir wirklich heute in Preußen ſo weit, daß tiefe religiöſe Empfindung, daß wahre Frömmigkeit ein Hindernis iſt, als Mitglied der Schuldeputation zu wirken, weil der Betreffende nicht dem engeren Verbande 206 der Landeskirche oder einer anderen anerkannten Religionsgeſellſchaft angehört? Es kann ja ſein, daß in untergeordneten Regierungskreiſen eine ſolche Auf⸗ faſſung herrſcht. Ich kann mir aber nicht denken, daß ein preußiſcher Kultusminiſter ſich zu dieſer An⸗ ſchauung bekennen mag. Sie würde? ja zu dem grotesken oder, wenn Sie ſo wollen, zu dem blas⸗ phemiſchen Ergebniſſe führen, daß der Stifter der chriſtlichen Religion, wenn er hier in Frage käme und zum Nitglied einer Schuldeputation gewählt würde, auch nicht würde beſtätigt werden können, (Sehr richtig!) weil er einer beſtimmten Landeskirche ſich nicht an⸗ geſchloſſen hat. (Sehr gut!) Meine Herren, der Herr Miniſter müßte uns eigentlich dafür dankbar ſein, wenn wir ihm die Gelegenheit geben, öffentlich, ſei es uns gegenüber, ſei es den Mitgliedern des Landtages gegenüber, zu erklären, daß ihm eine derartige Auffaſſung fremd iſt, eine Auffaſſung, die die öffentliche Angehörigkeit zu der Kirche höher ſtellt als innerliche religiöſe Geſinnung, als tiefe und wahre Frömmigkeit. Ich bitte Sie daher, meine Herren, dem An⸗ trage, den ich Ihnen jetzt zu unterbreiten habe, zuzu⸗ ſtimmen; er geht dahin: Es wird der Herr Stadtverordneten⸗Vor⸗ ſteher beauftragt, den Beſchwerdeweg zu er⸗ greifen, den Herrn Miniſter alſo 2u erſuchen, daß er die vom Regierungspräſidenten verſagte Beſtätigung erteilt. und ich füge den Unterantrag bei, daß dann die Schrift, aus der ich die paar Worte verleſen habe, unſerer Beſchwerdeſchrift beigefügt werden möge. (Allſeitiger wiederholter lebhafter Beifall und Händeklatſchen.) Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Ich halte mich für verpflichtet, nach den Ausführungen des Herrn Stadtv. Dr. v. Liszt der Stadtverordnetenverſammlung mitzuteilen, daß die Gründe, die den Herrn Regierungs⸗ präſidenten bewogen haben, die Beſtätigung des Herrn Dr. Penzig zu verſagen, von dem Herrn Regierungs⸗ präſidenten mir mitgeteilt worden ſind. Vor kurzem⸗ bei einer zufälligen Gelegenheit, bei der wir zuſammen⸗ famen, nahm der Herr Regierungspräſident Veran⸗ laſſung, mir mitzuteilen, daß er — nicht die Ab⸗ teiiung für Kirchen⸗ und Schulweſen — die Nicht. beſtätigung perſönlich vertrete. Er ſagte mir, daß keinerlei Gründe perſoneller Natur für ihn maßgebend geweſen ſeien; er erkenne die bedeutende Perſönlichkeit des Herrn Dr. Penzig an und ſtehe vor ihm als Mann in voller Hochachtung da. Es ſeien aber prinzipielle Erwägungen, die ihn veranlaßt hätten, die Beſtätigung des Herrn Dr. Penzig als Mitglied der Schuldeputation zu verſagen. Herr Dr. Penzig habe in Wort und Schrift ſeit langen Jahren dafür gekämpft, daß die Religionslehre aus der Schule entfernt und an ihre Stelle die Lehre der Ethik ge⸗ ſetzt werde. Es halte das für nicht in Überein⸗ ſtimmung mit den Abſichten des Staates in Bezug auf die Schule, und er ſtütze ſich auf die vom Herrn Vorredner verleſene miniſterielle Verordnung, die von Herrn Boſſe erlaſſen iſt, wenn er die Beſtätigung mit Rückſicht auf dieſes Prinzip verſage. — Im Übrigen möchte ich hinzufügen, daß ich dem Herrn Regierungspräfidenten auch meinerſeits geſagt habe, daß ich gerade die Verſagung der Beſtätigung eines