Wir haben mit der Kaiſer Friedrich⸗Schule den erſten Schritt auf dem Wege der Reform getan und tun jetzt den zweiten Schritt; aber als Fachmann halte ich es für notwendig, im Intereſſe des Publikums darauf hinzuweiſen. daß wir Gefahr laufen, dabei auf die Geleiſe der Reaktion zu gelangen, auf denen die Schüler ein Jahr ſitzen bleiben. Ich verſchließe mich nicht der Erwägung, daß jemand, der ſchwach iſt, gut tut, wenn er die Grundlagen mehrfach repetiert; ich verſchließe mich auch nicht der Überlegung, daß es ein ſchwerer Ent⸗ ſchluß iſt, gerade im Anſchluß an das kurze Sommer⸗ halbjahr einen Schüler, der das Penſum des langen Winterſemeſters nicht bewältigt hat, zu verſetzen; denn die Herren Kollegen empfinden es alle ſchwer, daß nach den großen Ferien die Zeit ſo kurz iſt, daß ein ohnehin ſchwaches Kind kaum in die Lage kommt, ſeine Lücken gründlich auszufüllen. Wenn die Grenzen des Schuljahres von der Regierung geändert würden und wir mit den großen Ferien den Jahres⸗ und Penſenabſchluß hätten, ja dann würden auch ſämtliche Fachmänner geneigt ſein, den Michaelis⸗ und den Oſteranfang für gleichwertig zu halten. Unter den Herren Kollegen find die Meinungen darüber, ob einfache oder Wechſelzöten vorteilhafter ſind, ſehr geteilt; ich unterrichte ſelbſt an einer An⸗ ſtalt, die Wechſelzöten hat, und wir machen mit denſelben gute Erfahrungen. Die Stadtverordneten⸗ verſammlung hat neulich für Wechſelzöten am Mommſen⸗Gymnaſium, am Realgymnaſium, an der Oberrealſchule geſtimmt; niemand will Zeit verlieren. Sollen wir nun mit dieſem Monumentalbau ein Syſtem feſtlegen, welches dem natürlichen Prinzip der kürzeſten Arbeit ebenſowenig wie dem ſozialen der Zugänglichkeit der Bildungsquellen entſpricht? Ich möchte das Urteil der Verſammlung überlaſſen. Ich will jedenfalls nicht die Verantwortung über⸗ nehmen, dazu geſchwiegen zu haben. Stadtv. Otto: Es erſcheint mir nach dieſen Ausführungen doch wünſchenswert, daß wir die Frage gründlich klären, und ich halte deshalb die Beratung in einem Ausſchuß für angebracht. Ich ſtelle daher den Antrag, die Vorlage einem Ausſchuß, und zwar einem Ausſchuß von 11 Mitgliedern, zu überweiſen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, wenn die Sache an einen Ausſchuß gehen ſoll, ſo würde ich ja natürlich empfehlen, die Verhandlung in dem Ausſchuſſe weiter zu verfolgen. Im übrigen hat die Frage, die Herr Stadtv. Schwarz hier angeregt hat, die Deputation für die höheren Lehranſtalten auf Anregung des Herrn Stadtv. Schwarz bei dieſer Gelegenheit aufs allergründlichſte beſchaftigt und zwar hat die Deputation zur Prüfung dieſer Frage einen Ausſchuß eingeſetzt, in dem Herr Stadtv. Schwarz mit geſeſſen hat. Die Informationen, von denen Herr Stadtv. Schwarz ſprach, hat er in dieſem Ausſchuß ſelbſt gewonnen. (Stadtv. Schwarz: Nein!) — Dann möchte ich mich in dieſer Beziehung irren. Jedenfalls hat Herr Stadtv. Schwarz in der De⸗ putation dieſen ſelben Standpunkt ſchon vertreten. In dem Ausſchuß, der auf Anregung des Herrn Stadtv. Schwarz eingeſetzt worden iſt, mir fällt übrigens ein: einmal hat Herr Stadtv. Schwarz der Ausſchußſitzung nicht beigewohnt, weil er verhindert war — iſt dieſe Frage ebenfalls gründlich erörtert worden, und der Ausſchuß wie die Deputation haben 234 —— ſich dafür entſchieden, daß bei dem Charakter der neu zu bauenden Anſtalt als einer Reformanſtalt, d. h. einer ſolchen, die einen Realgymnaſialzweig und einen reinen Realzweig nebeneinander haben und bis oben durchführen ſoll, es nicht möglich iſt, nun auch noch Oſter⸗ und Michaeliszöten einzuführen. Man kann nur das eine oder das andere, und da die Anſtalt als eine Reform⸗Realgymnaſialanſtalt bereits ſeit Jahren feſtgelegt iſt, ſo war es nicht möglich, dieſer Anregung des Herrn Stadtv. Schwarz Folge zu leiſten. So liegt die Situation, und ich glaube, daß der Ausſchuß in dieſer Richtung nichts wird ändern können. Andererſeits möchte ich mir erlauben, darauf hinzuweiſen, daß der Bau dieſer neuen Anſtalt eine der dringendſten Bauaufgaben iſt, die die Stadt in der nächſten Zeit hat. Denn ſchon heute ſind die Klaſſen des Reform⸗Realgymnaſiums in drei An⸗ ſtalten untergebracht, und zwar in der Guerickeſtraße, am Savignyplatz und jetzt in der Bismarckſtraße. Wenn der Bau noch länger hinausgezögert wird, würden unter Umſtänden Kalamitäten entſtehen, die gar nicht abzuſehen ſind. Ich glaube in der Tat, daß an der Sache nichts geändert werden kann, und möchte deshalb anheim⸗ ſtellen, von einer Ausſchußberatung Abſtand zu nehmen. Stadtv. Schwarz: Meine Herren, ich bin in der Deputation überſtimmt worden und nehme mir des⸗ wegen die Freiheit, mich an Sie zu wenden. Ich habe auch in der Sitzung gefehlt; das liegt daran — wenigſtens einmal —, daß die Sitzung leider auf den letzten Sonnabend in den Ferien angeſetzt wurde, an dem ich noch verreiſt war. Ich habe mein ſchmerzliches Bedauern über die Wahl des Termins, die mich befremdete, ausgeſprochen. Es iſt mir auch entgegengehalten worden: der Charakter der Reformanſtalt erheiſcht es nun einmal, wir bedauern es ja ſchmerzlich, aber es geht nicht anders, die Jungen müſſen ein Jahr verlieren. Nun ſtehen — das kann ich Ihnen verſichern die Anſichten der Auguren ſelbſt über die Notwendigkeit der Eingliederung der Realſchule in die Reformanſtalt einander entgegen; der eine ſagt, ich brauche die Realſchule nicht, der andere ſagt: ich muß ſie haben. Welches iſt nun die Stellung der Realſchule in der Geſamtzahl der deutſchen Reformanſtalten? Die Zahl derſelben hat ſich in letzter Zeit ungeheuer ver⸗ mehrt; es ſind ihrer über hundert. Wir haben darunter an Gymnaſien, Realgymnaſien, Progym⸗ naſien — doch ich will Sie mit der Aufzählung der geſamten Zahlen nicht ermüden; ich will nur ſagen, daß wir zur Zeit in Deutſchland nicht weniger als 21 gymnaſiale und 38 reale, zuſammen alſo 59 Reformanſtalten zählen, denen keine Realſchule an⸗ gegliedert iſt, und 6 gymnaſiale und 41 reale, zu⸗ ſammen 47 Reformanſtalten, die eine Realſchule in ſich ſchließen. Der Mehrzahl der Reformanſtalten Deutſchlands iſt alſo eine Realſchule nicht angegliedert. Ich meine alſo, hier liegt der gangbare Weg: wir bauen eine ſelbſtändige Realſchule mit Oſter⸗ und Michaelis⸗Coetus. Und woie die Sache nun einmal liegt, daß wir 50, 60 Schüler zu Oſtern in die Realſchule nicht haben aufnehmen können, ſo wird, da bald mit der Durchführung des Berlin⸗Stettiner Großſchiffahrtsweges durch unſer Gebiet ein unge⸗ heurer Zuwachs der Bevölkerung und ein weit ſtärkerer Zudrang zur Realſchulbildung bevorſteht,