—— 2422 — daß dieſe Städteordnung bereits einen Schritt weiter geht — ich meine nach der reaktionären Seite hin — als die Städteordnung von 1808. In letzterer war den Frauen unter gewiſſen Vorausſetzungen das Bürgerrecht eingeräumt, nur das Wahlrecht zu der Stadtverordnetenverſammlung war iynen genommen. Die Städteordnung von 1831 dagegen nimmt ihnen auch das Bürgerrecht; ſie beſtimmt ausdrücklich, daß nur Perſonen männlichen Geſchlechts das Bürgerrecht erwerben können. Davon, ob die Frauen wahlberechtigt ſind, iſt weder in der Gemeindeordnung von 1850 noch in der jetzt giltigen Städteordnung mit einem Wort die Rede. Es iſt aber wohl anzunehmen, daß, wenn die Städteordnung dahin abgeändert iſt, daß den Frauen ſogar das Bürgerrecht genommen wird, dann dieſelbe Städteordnung ihnen nicht das Wahl⸗ recht erteilen wollte. Das waren im weſentlichen die Gründe, die den Ausſchuß zu ſeinem ablehnenden Standpunkt 40 haben. Im Ausſchuß wurden Stimmen dahin laut — wenn ich nicht irre, war es die Mehrheit des Ausſchuſſes, die ſich dahin ausſprach —, daß es vielleicht im Intereſſe der Allgemeinheit liegen würde, wenn Frau Caner, nachdem die Stadtverordnetenverſammlung ihren Einſpruch zurückgewieſen hat, ſich beſchwerde⸗ führend an die zuſtändige Inſtanz, an den Bezirks⸗ ausſchuß bezw. das Oververwaltungsgericht wenden würde. Das Oberverwaltungsgericht würde dann in die Lage geſetzt werden, einmal genau die Motive anzugeben, aus denen den Frauen das Stimmrecht nicht zugeſtanden wird. Ich betone nochmal aus⸗ drücklich, daß in der jetzigen Städteordnung mit keinem Wort davon die Rede iſt. Ob das auf einem Verſehen beruht, oder ob tatſächlich die Abſicht an irgend einer Stelle der Regierung vor 50 Jahren ausgeſprochen worden iſt, das konnte im Ausſchuß leider nicht feſigeſtellt werden. Wir würden es daher begrüßen, wenn Frau Cauer die Beſchwerde bei der Regierung einreichen würde. In einem ähnlichen Falle hat ja bereits das Oberverwaltungsgericht ſich mit der Frage des Frauenſtimmrechts beſchäftigen müſſen. Allerdings handelte es ſich — ich habe darauf ſchon in der vorigen Sitzung hingewieſen — nicht um die Städteordnung, ſondern um die Landgemeinde⸗ ordnung, und da hat das Oberverwaltungsgericht — Sie finden die Entſcheidung im Band 34, S. 142 — dahin entſchieden, daß das Gemeindewahlrecht nur männlichen Perſonen zuſtehe und daß nur auf dieſe ſich die Beſtimmung des § 41 der Landgemeinde⸗ ordnung beziehe. Es wäre, wie geſagt, erwünſcht, wenn Frau Cauer eiue ähnliche Entſcheidung des Oberverwaltungsgerichts provozieren würde. Wir würden dann, wenn ſpäter einmal wieder ein ähn⸗ licher Einſpruch gegen die Richtigkeit der Wählerliſte eingeht, jedenfalls in kürzerer Zeit, als es diesmal der Fall geweſen iſt, zu einem Entſchluß im Aus⸗ ſchuſſe kommen können. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, meine Freunde können die Anſchauungen der Mehrheit des Ausſchuſſes durchaus nicht teilen. Der Herr Referent des Ausſchuſſes hat Ihnen ausgeführt, daß im Jahre 1808 den Frauen Bürgerrecht erteilt iſt, aber das Wahlrecht ihnen ausdrücklich abgeſprochen wurde, daß dann im Jahre 1831 die Frauen auch vom Bürgerrecht ausgeſchloſſen worden find, und daß dann im Jahre 1850 und in der jetzt geltenden Städteordnung von den Frauen überhaupt nicht die Rede iſt. Vermutlich oder vielleicht hat man zu jener Zeit gemeint, Frauen eriſtieren über⸗ haupt nich, wenigſtens nichht ſoweit irgend welche öffentlichen Rechte in Betracht kommen. Vielleicht hat der Herr Referent und die Mehrheit des Aus⸗ ſchuſſes recht mit ihrer Anſchauung, daß man damals glaubte, Frauen eriſtieren, ſoweit öffentliches Leben in Betracht komme, überhaupt nicht, darum braucht man von Frauen in allen ſolchen Geſetzen nicht zu ſprechen. Daraus ſchließt nun aber die Mehrheit des Ausſchuſſes, daß der Geiſt, in welchem das Geſetz damals erlaſſen wurde, nun auch für uns bindend ſein muß in der Auslegung, die wir heute dem Geſetze geben. Meine Freunde, meine Herren, ſind der An⸗ ſchauung, daß das durchaus nicht zutrifft, daß wir uns durchaus nicht darum zu kümmern brauchen, ob man im Jahre 1850 oder 1853 geglaubt hat, Frauen exiſtieren im öffentlichen Leben überhaupt nicht, ſon⸗ dern daß wir uns nach den gegenwärtigen Verhält⸗ niſſen zu richten haben, bei welchen Frauen im öffentlichen Leben ſehr wohl exiſtieren, und da nun die Städteordnung den Frauen das Wahlrecht und das Bürgerrecht nicht abſpricht, ſo haten die Frauen, ſoweit ſie die Vorausſetzungen, die im § 5 für die Erwerbung des Bürgerrechts gegeben ſind, erfüllen, auch dieſes Bürgerrecht, und haben damit auch das Wahlrecht. Wir ſind nicht der Meinung, daß wir in engſter Weiſe bei der Auslegung des Geſetzes uns au die Anſchauungen von 1850 klammern müſſen, ſondern daß wir zugrunde zu legen haben den Wortlaut des Geſetzes. Wenn das Oberverwaltungs⸗ gericht oder die höhere Inſtanz anders entſcheidet, ſo iſt das nicht unſere Sache, ſondern Sache jener In⸗ ſtanzen, jener Behörden. Wir ſind der Meinung, daß wir unter den jetzigen Vorausſetzungen den Frauen das Wahtrecht zuzugeſtehen haben, und daß wir daher dem Einſpruch der Frau Cauer ſtattzugeben haben. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Vorſteher Roſenberg: Ich laſſe abſtimmen über die Anträge des Ausſchuſſes zu 1 und 3 zuſammen und dann zu 2 getrennt davon. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Ausſchuſſes, wie folgt: 1. Den Anträgen der unter Nr. 1, 2. 3 und 4 der Nachweiſung aufgeführten Perſonen auf nachträgliche Aufnahme in die Gemeindewähler⸗ liſte iſt ſtattzugeben. . Der Einſpruch der unter Nr. 5 der Nachweiſung aufgeführten Perſon wird zurückgewieſen. 3. Die unter Nr. 6, 7 und 8 der Nachweiſung aufgeführten Perſonen werden geſtrichen.) 12 Punkt 8 der Tagesordnung: Bericht des Ausſchuſſes über die Vorlage betr. Vorentwurf für den Ban eines Reform⸗ Realgymnaſiums auf Weſtend. Druck⸗ ſachen 297, 364. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, die Frage, wegen deren der Ausſchuß ein⸗ geſetzt war, war nicht ſowohl eine Frage der näheren Ausführung des Gebäudes, als vielmehr eine Frage der Schulorganiſation, die bei Gelegenheit des Baues mit angeregt worden war. Es iſt zweifellos auch richtig, daß bei Gelegenheit des Baues eine ſolche Frage mit Recht angeregt werden konnte. Es han⸗ delt ſich darum, für 14½ Schule, die in Aus⸗ führung früherer Gemeindebeſchlüſſe bereits errichtet