gekommen am 29. Auguſt. Unſere Hochbauverwal⸗ iung hat von dem Unfall erſt am 30. Auguſt durch die Zeimngen Kenntnis erhalten. Es iſt infolge⸗ deſſen, da Herr Baurat Schmalz erkrankt war, ſein Vertreter, Herr Bauinſpektor Winterſtein, ſofort nach⸗ dem er die Zeitungsnotiz des Morgens geleſen hatte, auf den Bau gegangen in der Abſicht, die Urſache des Unfalles ſeſtzuſtellen. Die Urſache des Unfalles hat er nicht mehr feſtſtellen können, da die Rüſt⸗ hölzer bereits zum Teil beſeitigt waren, nachdem die Königliche Baupolizei, die zuſtändige Behörde, ſchon am Tage des Unfalles die Oertlichkeit beſichtigt und die Erlaubnis zur Wegnahme der Rüſthölzer erteilt hatte. Herr Bauinſpektor Winterſtein iſt dann ſo⸗ gleich auf die Polizei gegangen, um ſich mit dem vetreffenden Dezernenten, Herrn Polizeibauinſpektor Regierungebaumeiſter Lange, ins Benehmen zu ſetzen und feſtzuſtellen, wie die Sache liegt. Ich lomme darauf nachher zurück. Gleichzeitig hat Herr Bau⸗ inſpektor Winterſtein die Unternehmerfirma, die den ganzen Bau zu leiten hat, alſo die Firma Heilmann und Littmann in Berlin, und auch die beiden Firmen, welche die Spezialarbeiten, die Putzarbeiten und die Malarbeiten zu vollführen hatten, erſucht, einen Be⸗ richt über die Sache zu machen. Dieſer Bericht iſt erſtattet worden und lautet folgendermaßen: Auf der 6,10 m hohen Innenrüſtung waren 3 Spanner und 3 Putzer von der Firma Auguft Krauß und 1 Putzer von der Firma Bäthge beſchäftigt; — das waren alſo 7 Perſonen — außerdem war die Rüſtung mit 5 Sack Gips und einigen Käſten Mörtel belaſtet. Während die Leute bei der Arbeit waren, kamen 4 Mörtel⸗ träger, mit großen Mollen von Mörtel beladen, auf die Rüſtung — das waren alſo 11 Perſonen — und warfen den Mörtel kurz hintereinander aus. Sei es nun, daß alle dieſe Leute nahe bei einander ſtanden oder auch die Materialien nahe bei einander gelegen haben, oder ſei es, daß die Mörtelträger die großen Laſten gleich⸗ zeitig oder kurz hintereinander auswarfen, ge⸗ nug, unter der großen Laſt dieſer Perſonen und Materialien verſchob ſich eine Steife, wo⸗ durch die längsdurchgehende, vollſtändig neue und geſunde wagerechte Trageſtange ihre Un⸗ terſtützung verlor und ſo nicht mehr Widerſtand gegen die auftretende Belaſtung leiſten konnte und zerbrach. Bei dieſer Gelegenheit wurde ein Mann beſchädigt, der noch zur Zeit im Krankenhauſe Moabit liegt. — Das war am 5. September. Eine Lebensgefahr erſcheint ausgeſchoſſen. Die übrigen Leute kamen mit dem bloßen Schrecken davon und arbeiten bereits wieder. Ich möchte hier vorweg nehmen, daß ich an das Krankenhaus Moabit geſchrieben und um Mit⸗ teilung über das Ergehen dieſes Mannes gebeten habe; es iſt mir mitgeteilt worden, daß der Mann wegen Rippenbruches im Krankenhauſe gelegen habe und bereits entlaſſen ſei. Dieſes Schreiben datiert vom 12. September. Alſo er iſt zur Zeit bereits aus dem Krankenhauſe entlaſſen; glücklicherweiſe iſt alſo das Leben eines Menſchen hierbei nicht zu be⸗ klagen. Nun, meine Herren, komme ich wieder darauf zurück, daß Herr Bauinſpektor Winterſtein ſich mit Herrn Polizeibauinſpektor Lange in Verbindung ge⸗ ſetzt hat. Er iſt am 30. Auguſt ſofort mit dem 255 ——— Herrn Polizeiinſpektor zuſammen noch einmal auf die Bauſtelle gegangen. Ihm iſt von Herrn Bau⸗ inſpektor Lange dort im allgemeinen auch — „im weſentlichen“ drückt er ſich aus — der Vorgang, wie er hier in dem eben von mir verleſenen Protokolle geſchildert iſt, beſtätigt worden. Nur hat ihm Herr Bauinſpektor Lange geſagt, es ſei doch wünſchens⸗ wert, daß die Rüſtungen, wie ſie da ſtänden, etwas verſteift würden, (Stadtv. Hirſch: Hört, hört!) da ſie nicht an allen Stellen einwandfrei ſeien. In⸗ folgedeſſen hat Herr Bauinſpektor Winterſtein ange⸗ ordnet, daß ſofort noch die wünſchenswert erſcheinenden Verſtärkungen angebracht werden, und das iſt ſofort in Übereinſtimmung mit dem Bauunternehmer er⸗ folgt. Wen nun die Schuld trifft, meine Herren, darüber gehen die Anſichten auseinander. Die Baunnter⸗ nehmer ſagen am Schluß ihres Berichtes: Nach unferer Überzeugung iſt die Schuld an dem Unglücksfall auf ſeiten der Arbeiter zu ſuchen. Sie ſagen nämlich, daß die Arbeiter wiſſen müſſen, daß ſolche Gerüſte nicht gebaut ſind aus Stein und Erz, ſondern aus Holz, und daß ſie nicht übermäßig belaſtet werden dürfen, und daß eine Schuld der Arbeiter darin zu ſuchen ſei, daß 11 Perſonen mit den Materialien zu gleicher Zeit auf die gleiche Stelle des Gerüſts gegangen ſeien; darin liege eine Unvor⸗ ſichtigkeit. Die Unternehmer alſo ſchieben die Schuld an dem Gerüſteinſturz den Arbeitern zu. Nach dem Bericht, der mir von Herrn Ban⸗ inſpektor Winterſtein zugegangen iſt, und nach mehr⸗ facher Rückſprache mit ihm kann ich mich auf dieſen Standpunkt der Unternehmer nicht ſtellen. Nach meiner perſönlichen Auffafſung der Dinge iſt bier eine Schuld der Unternehmer immerhin vorhanden. Wenn Herr Bauinſpektor Winterſtein und Herr Bauinſpektor Lange erklären, daß es wünſchenswert ſei, daß die Rüſtung noch verfteift werde, ſo iſt damit meines Erachtens nachgewieſen, daß die Unternehmer bei dem Aufbau des Gerüſtes doch nicht die notwendige Sorgfalt angewendet haben, die bei dem ungeheuer großen Gerüſt, das über 6 m hoch war, doppelt und dreifach hätte angewendet werden müſſen. Woran der eigentliche Grund gelegen hat, hat Herr Bauinſpektor Winterſtein, wie ich vorhin ſchon bemerkt habe, nicht feſtſtellen können, da die Gerüſte mit Genehmigung der Königlichen Polizei ſchon ent⸗ fernt waren. Daß die Arbeiter Recht haben, mag ſein; genau wiſſen können wir es nicht. Ob nun die Schuld, welche die Unternehmer trifft, und welche vielleicht konkurriert mit einer Schuld der Arbeiter, mit einer Unvorſichtigkeit dieſer letzteren — denn es mag ſein, daß die Unternehmer Recht haben, daß die Arbeiter auch hätten vorſichtiger ſein können —, ob nun dieſe Schuld derart iſt, daß ſie gerichtlich ver⸗ folgbar iſt, entzieht ſich meiner Kenntnis und auch meiner Beurteilung; denn wir find nicht in der Lage, als zuſtändige Behörde aufzutreten und Unterſuchungen anzuſtellen. Ich höre, daß von der Königlichen Polizeibehörde eine Unterſuchung eingeleitet ſei. Ob ſie einen Erfolg gehabt hat, entzieht ſich meiner Kennt⸗ nis. Ich möchte aber als gewiß annehmen, daß die Königliche Baupolizeibehörde und die andere Abteilung, welche die kriminalrechtliche Seite der Sache zu be⸗ trachten hat, die Sache genau unterſucht haben und, wenn ſie zu der Überzeugung kommen, daß eine ſtrafbare Schuld vorliegt, eingreifen, oder aber, wenn ſie zu der Überzeugung kommen, daß keine ſtrafbare Schuld vorliegt, nicht eingreifen.