—— 273 — keine Teuerungszulage mehr zu gewähren ſei, ſo muß er mit einer neuen Vorlage an die Stadt⸗ verordnetenverſammlung herantreten, in der er aus⸗ drücklich um Aufhebung des heute von uns gefaßten Beſchluſſes erſucht. Das iſt der Unterſchied zwiſchen dieſen beiden Anträgen, und da erſcheint es mir doch richtiger, daß wir dem Antrage des Ausſchuſſes zuſtimmen. Wir wiſſen ja doch alle, wie lange wir gekämpft haben, bis ſich der Maaiſtrat zu dieſem noch immer recht beſcheidenen Zugeſtändnis herbeigelaſſen hat, und ich befürchte, wenn wir den Antrag Freund an⸗ nehmen, daß es dann nach Ablauf eines Jahres erneuter Kämpfe bedürfen würde. Es könnte viel⸗ leicht dann der Fall eintreten, daß die Stadtverordneten⸗ verſammlung eine neue Teuerungszulage beantragt, der Magiſtrat aber erklärt: nein, wir bewilligen keine. Nehmen wir dagegen den Antrag des Ausſchuſſes an, dann haben wir nicht nötig, im nächſten Jahre wiederum an den Magiſtrat heranzutreten, ſondern dann iſt der Magiſtrat gezwungen, uns zu kommen. Die Stadtverordnetenverſammlung iſt alſo dabei im Vorteil. Auch die Beamten haben einen größeren Vorteil. Deshalb möchte ich noch einmal um Annahme des Ausſchußantrages bitten. Stadtv. Kaufmann: Meine Herren, ich geſtatte mir, noch einmal auf die Reſolution Landsberger zurückzukommen trotz der Bedenken, die der Herr Ober⸗ bürgermeiſter geäußert hat. Der OHerr Oberbürger⸗ meiſter ſcheint ſehr wenig Vertrauen in die Initiative des Deutſchen Städteiages zu ſetzen. Ich habe vielleicht in dieſem Falle mehr Vertrauen als er. Die Frage iſt eine ſo brennende geworden, und wenn Sie heute die Tagespreſſe, welcher Farbe auch immer, verfolgen, finden Sie überall den Ruf nach Offnung der Grenzen, ſodaß man mit Recht behaupten kann, daß bei den jetzigen Fleiſchpreiſen tatſächlich nirgend⸗ wo die Bevölkerung eine genügende Ernährung hat. Wir haben es meiner Anſicht nach nicht notwendig, uns jetzt mit einzelnen Mitteln unſern Kopf zu zer⸗ vrechen; das wird Sache des Deutſchen Städte⸗ tages als einer berufeneren Körperſchaft, die mehr Ge⸗ wicht nach außen hin hat als wir, ſein. Der Deutſche Städtetag möge nach der Reſolution Landsberger darauf finnen, ob und was für Mitiel es gibt. Ich weiſe z. B. darauf hin, daß Frankfurt a. M. tat⸗ ſächlich ein Abhilfmittel in dem öffentlichen Fiſch⸗ verkauf getroffen hat. Ich will aber auf dieſe Frage nicht eingehen; ich will auch heute noch garnicht meine Meinung darüber ausſprechen, ob ſich das für Charlottenburg eignen würde oder nicht, ob die Verhältniſſe bei uns das zulaſſen würden. Wenn, wie der Herr Oberbürgermeiſter will, der Städtetag erſt eine Enquete veranſtalten ſoll, dann wird nach Jahr und Tag die Frage noch ſo liegen, wie ſie jetzt liegt. Will aber der Städtetag ernſtlich Abhilfe ſchaffen, ſo braucht er nur das Material zu benutzen, das in den verſchiedenen Anträgen enthalten iſt, die früher von allen Seiten, leider ohne Erfolg, geſtellt worden ſind. Den Magiſtrat verweiſe ich nur auf den Antrag, den wir im vorigen Jahre beſchloſſen haben — es war damals mein Antrag —: Die Stadtverordnetenverſammlung wolle be⸗ ſchließen, den Magiſtrat zu erſuchen, im Peti⸗ tionswege geeigneten Ortes vorſtellig zu werden behufs zeitweiliger Aufhebung der Grenzſperre für Einführung lebenden Schlachtviehs unter Wahrung veterinärer Vorfichtsmaßregeln. Da haben Sie einen Weg, den der Deutſche Städtetag betreten kann, wie er denn in ſo vielen Beſchlüſſen anderer Körperſchaften Wege angegeben finden wird, wenn er nur ernſtlich und ich zweifle nicht an dem ernſten Wollen — dieſen ſchreienden UIbelſtänden entgegentreten will. Ich glaube, wir ſollten ruhig an den Magiſtrat das Erſuchen richten, ſich mit voller Wärme beim Vorſtande des Deutſchen Städtetages für deſſen Ein⸗ berufung zu verwenden. Auf dem Städtetage ſelbſt werden dann ſchon Mittel gefunden werden. Ob⸗ gleich ich damals hier in der Verſammlung mit dem Gedanken des Petitionsweges an die Krone abgeführt worden bin, den ich möglicher Weiſe einzuſchlagen als zweckmäßig hinſtellte, weil der Petitionsweg an die Reichsregierung oder an das Staatsminiſterium leider erfolglos ſein würde, ſo muß ich doch geſtehen, daß, wenn der Deutſche Städtetag in einer Immediat⸗ eingabe an den Kaiſer ſich wenden wollte, ich dieſen Weg nicht für ſo erfolglos halten würde; denn ich bin mir garnicht darüber klar, ob die Allerhöchſte Stelle denn auch in Erfahrung bringt, wie die Not⸗ ſtände ſind. Sie iſt umgeben von einer Mauer von Leuten, die ihr die Dinge zurecht legen. Wenn eine Körperſchaft wie der Deutſche Städterag laut ſeine Stimme erhebt und zum Ausdruck bringt, daß die Grenzſperre unmöglich aufrechtzuerhalten iſt auch die Zollgeſetzgebung könnte unter Umſtänden hier an⸗ gezogen werden —, ſo glaube ich wohl, daß etwas erreicht werden könnte. Aber wie geſagt, ich will mir den Kopf des Städtetages nicht zerbrechen. Ich möchte nur, daß wir die Anregung dazu geben, je eher deſto lieber, einen Deutſchen Städtetag zu be⸗ rufen. In demſelben ſitzen ſo viele ſachkundige Perſonen — ich erinnere namentlich an den Ober⸗ bürgermeiſter von Frankfurt a. M., der für ſeine Ge⸗ meinde die Notwendigkeit einer Abhilfemaßnahme ſchon anerkannt hat —, daß die Herren wohl Mittel und Wege finden werden, um unſeren Wünſchen nach dieſer Richtung möglichſt entgegenzukommen. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, meine Freunde werden, wie Herr Kollege Hirſch ſchon ge⸗ ſagt hat, für den dringlichen Antrag ſtimmen trotz der Bedenken, die der Herr Oberbürgermeiſter geltend gemacht hat. Allerdings kann ich mir die Gründe, die Herr Kollege Kaufmann vorgeführt hat, nicht ſämtlich zu eigen machen. Herrn Kollegen Kaufmann gegenüber ſcheint mir der Herr Oberbürgermeiſter in manchem Recht zu haben. Herr Kollege Kaufmann erhofft von dem Städtetag, daß er Mittel und Wege finden werde, um der Not zu begegnen. Ich glaube, demgegenüber hat der Herr Oberbürgermeiſter Recht, wenn er ſagt: innerhalb ſechsſtündiger Verhandlungen wird ſich in der Richtung nichts Beſonderes mehr er⸗ geben, namentlich nicht, wenn die Anträge nicht defonders vorbereitet ſind. Herr Kollege Kaufmann iſt der Meinung, der Städtetag werde ſchon Mittel und Wege finden, wir brauchten uns darüber nicht den Kopf zu zerbrechen, auch nicht den des Deutſchen Städtetages. Ich glaube, das iſt doch wohl nicht ganz richtig. Wenn ich dem dringlichen Antrag zu⸗ ſtimme, ſo geſchieht es deswegen, weil ich der Mei⸗ nung bin, es kommt hier weniger darauf an, daß der Deutſche Städtetag irgendeinen beſtimmt formu⸗ lierten Antrag ſtellt, als darauf, daß er überhaupt ſeine Stimme erhebt und laut und deutlich und möglichſt oft auf dieſen Notſtand hinweiſt. Schreien, ſchreien und immer wieder ſchreien — das kann das