—— 288 — geſchoben hat, daß wir ganz ruhig bis zum Jahre 1908, bis zur endgiltigen Regelung der Frage, warten können. Hervorheben möchte ich aber, meine Herren, daß, wenn wir ſo beſchließen ſollten, wir auch gterchting beſchließen müßten, daß der Eingangs erwähnte Antrag aus der Mitte der Verſammlung auch ſo lange in der Schwebe bleiben muß. Denn ich faſſe die Verhandlungen der Gemeindebehörden ſo auf, als ob dieſer Antrag dem im Jahre 1904 ebildeten Ausſchuſſe zur Prüfung und Berichter⸗ natang überwieſen worden iſt Ich kann nicht an⸗ nehmen, daß der Antrag vollſtändig unter den Tiſch gefallen iſt und ſeine Erledigung gefunden hat. Er enthält ja auch manches Gute. Es wird ſich daher empfehlen, wenn wir im Jahre 1908 wieder an die Prüfung der Sache herantreten, auch die in dem Antrage angeregten fünf Punkte zur Sprache zu bringen. Ich bitte Sie, meine Herren, die Anträge des Ausſchuſſes anzunehmen. Stadtv. Hirſch: Meine Herren, meine Freunde ſind von dem Ergebnis der Ausſchußberatung in keiner Weiſe befriedigt. Der Ausſchuß beantragt, daß wir von der Mitteilung des Magiſtratsbeſchluſſes Kenntnis nehmen. Das heißt doch mit anderen Worten, daß wir uns mit der Vorlage des Magiſtrats einverſtanden erklären ſollen. Daran ändert auch die Tatſache nichts, daß der Magiſtrat uns bis Ende 1908 mitteilen ſoll, wie ſich die bisherigen Bedingungen bewährt haben. Der Referent hat ganz richtig geſagt, daß der Ausſchuß auf dem Standpunkt ſteht: wir wollen die Sache vorläufig mal ſo laufen laſſen, wie ſie läuft. Meine Herren, wir ſind dafür nicht zu haben, und zwar können wir aus dem Grunde dem Ausſchußantrage nicht zuſtimmen, weil der Aus⸗ ſchuß alle die Beſtimmungen, die auf einen Arbeiter⸗ ſchutz hinauslaufen, aus den Anträgen beſeitigt hat. Der Herr Referent betonte allerdings, daß der Be⸗ ſchluß des Ausſchuſſes einſtimmig gefaßt ſei. Daraus geht hervor, daß auch die ſozialdemokratiſchen Mit⸗ glieder des Ausſchuſſes dem Antrage zugeſtimmt haben. Das iſt richtig. Ich ſelbſt war bei der Be⸗ ſchlußfaſſung nicht anweſend, da ich zu derſelben Zeit in der Armendirektion tätig ſein mußte. Wie mir aber meine Freunde mitgeteilt haben, haben ſie dem Antrage des Ausſchuſſes zugeſtimmt, jedoch nicht aus dem Grunde, weil ſie damit einverſtanden waren, ſondern lediglich deshalb, weil ſie ſich ſagten: nach⸗ dem alle ihre Anträge im Ausſchuß abgelehnt ſind, legen ſie auf die Weiterberatung der Vorlage keinen Wert. Von welchen Grundſätzen wir bei der Regelung des Submiſſionsweſens ausgehen, das haben wir ja bei den wiederholten Debatten über dieſe Frage des öfteren erörtert. Ich will nur noch ganz kurz betonen, daß wir es als Pflicht der Gemeinde betrachten, da, wo ſie als Arbeitgeberin auftritt, ſei es nun direkt oder indirekt, den übrigen Arbeitgebern mit gutem Beiſpiel voranzugehen. Die Gemeinde muß beſtrebt ſein, die Arbeitsbedingungen womöglich beſſer, auf keinen Fall aber ſchlechter zu geſtalten als die Arbeits⸗ bedingungen in Privatbetrieben. Um aber dies Ziel zu erreichen, dazu iſt vor allen Dingen notwendig⸗ daß wir die ſogenannte anſtändige Lohnklauſel in die Vertragsbeſtimmungen aufnehmen. Der Herr Referent ſagt: darüber kann man ſtreiten, ob nicht die Forderung ſchon in der Magiſtratsvorlage ent⸗ halten iſt. Der Herr Referent lieſt aus der Magi⸗ ſtratsvorlage heraus, daß der Magiſtrat von einem Vertrage zurücktreten kann, wenn die vereinbarten Löhne nicht innegehalten werden. Ich muß ſagen, daß ich das aus der Magiſtratsvorlage nicht heraus⸗ leſen kann. Mir iſt eine derartige Magiſtratsvorlage, in der das ſteht, nicht zugegangen. Es ſtimmt auch nicht, daß der Magiſtrat es zu erkennen gegeben hat, daß er es in ſeinem Herzen freudig begrüße, wenn die Arbeitnehmer einer Tarifgemeinſchaft angehören. Es iſt ja möglich, daß der Magiſtrat in ſeinem Herzen das freudig begrüßt. Offentlich aber hat er dieſen Standpunkt niemals vertreten; im Gegenteil, wir haben wiederholt Fälle erlebt — ich bin in der Lage, Ihnen nachher noch einen derartigen Fall vorzu⸗ führen —, wo der Magiſtrat gar keinen Anſtoß ge⸗ nommen hat, ſich mit Unternehmern in Verbindung zu ſetzen, die einen geringeren Lohn bezahlen und eine längere Arbeitszeit haben als die übrigen Unter⸗ nehmer in gleichen Betrieben, obwohl in dem Beruf Tarifverträge zwiſchen Arbeitgeber⸗ und Arbeitnehmer⸗ Organiſation beſtehen. Ich komme auf den Fall nachher zurück. Wir verlangen alſo nach wie vor die Aufnahme der anſtändigen Lohnklauſel in die Submiſſionsbe⸗ dingungen, und wir befinden uns dabei in Über⸗ einſtimmung mit dem Kollegen Buka, von dem ja der urſprüngliche Antrag ausgegangen iſt. Ziffer 3 des Antrages Buka lautete: Die Erteilung eines Auftrages iſt davon ab⸗ hängig zu machen, daß der betreffende Bewerber die in dem Gewerbe zwiſchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten Arbeitsbedingungen erfüllt oder in Ermangelung ſolcher die in dem Gewerbe üblichen Löhne zahlt. Meine Herren, Charlottenburg wäre ja, wenn Sie dieſen Antrag annähmen, ſei es nun in der Form Buka oder in einer Form, die ich mir nachher vor⸗ zuſchlagen erlauben werde, nicht die erſte Stadt, die die anſtändige Lohnklauſel in den Submiſſionsbe⸗ dingungen hätte. Ich ſehe ganz vom Auslande ab — in England, in Frankreich, zum Teil auch in Belgien iſt die anſtändige Lohnklauſel ſehr ſtark ver⸗ breitet —; aber auch in Deutſchland haben wir eine ganze Reihe von Gemeinden und anderen öffentlichen Körperſchaften, die nur mit ſolchen Unternehmern in Verbindung treten, die die tariflich vereinbarten Arbeitsbedingungen innehalten. Das gilt insbeſondere für das Buchdruckergewerbe, wo ſelbſt die Reichs⸗ behörden nur in denjenigen Druckereien ihre Arbeiten herſtellen laſſen, die den Buchdruckertarif einhalten. Aber nicht nur im Buchdruckergewerbe, ſondern auch in anderen Gewerben, wo die Tariſe noch nicht einen ſo großen Umfang angenommen haben wie hier, gibt es eine ganze Reihe von Gemeinden, die ſtreng darauf achten, daß die tariflich vereinbarten Be⸗ dingungen ſeitens der Unternehmer auch wirklich innegehalten werden; ſie treten ſonſt mit den Unter⸗ nehmern nicht in Verbindung. Ich hätte um ſo mehr gedacht, daß der Magi⸗ ſtrat ſich auch auf dieſen Standpunkt ſtellen würde, als ein angeſehenes Mitglied des Charlottenburger Magiſtrats, Herr Stadtrat Dr. Jaſtrow, dieſe An⸗ ſchauung in Wort und Schrift ſehr energiſch vertreten hat. Ich möchte mir erlauben, aus dem Werke von Jaſtrow über Sozialpolitit und Verwaltungswiſſen⸗ ſchaft nur eine einzige Stelle zu zitieren. Jaſtrow ſchreibt, nachdem er vorher über über den Buchdrucker⸗ tarif geſprochen hat: Endlich aber müſſen in nächſter Zeit die Fälle ſich mehren, in denen namentlich Gemeindebe⸗ hörden auch ohne einſchlägige geſetzliche Be⸗