—— 289 — ſtimmungen in eine Lage kommen, in der ſie Unternehmer mit gewiſſen Arbeitsbedingungen von der Submiſſion ausſchließen müſſen. Je zahlreicher die Gewerbe, deren Tarife eine Regelung durch Einigungsämter finden, — dieſe Verträge ſind ja gewöhnlich vor dem Einigungsamt geſchloſſen — je größer der Kreis der Unternehmer, die ſich dieſer Regelung anſchließen, deſto weniger kann eine Behörde bei einer Submiſſion diejenigen Firmen bevorzugen, deren Mindergebot darauf beruht, daß ſie ſich von den Lohn⸗ und Arbeits⸗ bedingungen losſagen, die das Einigungsamt für angemeſſen erklärt hat. Und nun, meine Herren, muß ich zu meinem lebhaften Bedauern konſtatieren, daß der Charlotten⸗ burger Magiſtrat tatſächlich mit Unternehmern in Verbindung tritt, die geringeren Lohn zahlen, als in den Tarifen vor dem Einigungsamt vereinbart ſind. Ich komme damit auf den Fall, den ich be⸗ reits vorhin angedeutet habe. Es handelt ſich um den Kanalbau am Fürſtenbrunner Weg, einen Bau, der von der Stadt Charlottenburg ausgeführt und einem Baumeiſter, dem Unternehmer Simon, übertragen worden iſt. Hier erhalten die Maurer bei einer Arbeitszeit von 10 bis 12 Stunden täglich einen Stundenlohn von 68 „% In dem zwiſchen der Arbeitgeber⸗ und Arbeitnehmer⸗Organiſation des Maurergewerbes vereinbarten Tarif iſt aber aus⸗ drücklich ein Lohn von 75 % und eine achtſtündige Arbeitszeit vorgeſehen. Wir haben alſo hier einen ganz eklatanten Fall, wo die Stadt Charlottenburg mit einem Unternehmer in Verbindung tritt, der nichts weiter iſt als ein Lohndrücker. Meine Herren, das iſt einer Gemeindeverwaltung unwürdig! Die Folgen ſind ja auch nicht ausgeblieben. Wir haben jetzt auf dieſem Werke einen Streik gehabt, der, wie mir mitgeteilt worden iſt, allerdings vorausſichtlich ſchon in wenigen Tagen beigelegt werden wird; aber wir hatten doch immerhin einen Streik, der 3 bis 4 Tage gedauert hat, und ich weiß nicht, ob es für die Stadt Charlottenburg ſo angenehm iſt, wenn man draußen erfährt, daß ein Streik aus dem Grunde ausgebrochen iſt, weil die Stadt mit einem Unter⸗ nehmer in Verbindung getreten iſt, der tatſächlich weit geringere Löhne zahlt als die im Tarif verein⸗ barten. Einer der Arbeiter iſt im Auftrage ſeiner übrigen Arbeitskollegen am Sonnabend bei dem Bauführer vorſtellig geworden, um mit dieſem über die Lohnfrage zu unterhandeln, und zwar bezog er ſich hierbei auf den Tarifvertrag, der ausdrücklich 75 vorſieht. Der Unternehmer trat ſehr brüsk auf und ſagte einfach zu dem Maurer: „Beim Ma⸗ giſtrat wird nicht agitiert!“ — das nennen die Herren dann ja immer agitieren, wenn die Arbeiter ihren gerechten Lohn fordern — „machen Sie, daß Sie vom Bau kommen, ſonſt hole ich einen Schutzmann!“ Zum Polier ſagte er dann, daß der Mann entlaſſen iſt. Der Mann, der als Wortführer für ſeine Arbeits⸗ kollegen auftrat, wurde Knall und Fall entlaſſen! Die weitere Folge war denn, daß ein Vertreter der Organiſation ſich auf den Bau begab, um dort die Verhältniſſe zu ordnen. Auch er wurde mit dem Hinweis auf die Paragraphen des Hausfriedensbruchs vom Bau verwieſen. Er redete den Maurern, die alle ſofort die Arbeit niederlegen wollten, wenn nicht ihr Kollege wieder eingeſtellt würde, zu, ſie ſollten doch bleiben; aber er hatte nicht ſo viel Einfluß. Die übrigen Maurer legten ebenfalls am folgenden Tage, am Montag die Arbeit nieder, und ſo haben wir dann infolge dieſer Lohndrückerei dort einen Streik. Meine Herren, ich ſehe hier ganz vom Partei⸗ ſtandpunkte ab. Von unſerem Standpunkte aus könnten wir es ja eigentlich nur begrüßen, wenn derartige Bewegungen vorkommen. Aber ich frage Sie, ob Sie es billigen können, wenn die Stadt Charlottenburg mit Unternehmern in Verbindung tritt, die zu ſo erbärmlichen Lohnvedingungen arbeiten laſſen, daß ein Streik die unausbleibliche Folge iſt. Ich kann mir nicht denken, daß das in Ihrem Sinne liegt. Sie haben ja wiederholt bei den verſchiedenſten Gelegenheiten betont, daß es Ihnen daran liegt, daß die Stadtgemeinde Charlottenburg ihre ſozialpolitiſchen Aufgaben erfülle. In dieſem Falle hat ſie die ſozialpoli⸗ tiſchen Aufgaben nicht nur nicht erfüllt, ſondern ſie iſt weit hinter dem, was man gerechter Weiſe von ihr for⸗ dern kann, zurückgeblieben. Ich hoffe, daß der Magiſtrats⸗ vertreter, der ja die von mir mitgeteilten Tatſachen unmöglich beſtreiten kann, das Verhalten des Unter⸗ nehmers mißbilligen und daß auch der Magiſtrat die Erklärung abgeben wird, daß künftig mit der⸗ artigen Unternehmern nicht mehr in Geſchäftsver⸗ bindung getreten werden ſoll. Wir müſſen alſo nach wie vor darauf beſtehen, daß die anſtändige Lohnklauſel in die Bedingungen Aufnahme findet. Ebenſo verlangen wir, wie wir das auch früher bereits betont haben, die entſchiedene Ablehnung der Streikklauſel. Die Löſung, die der Magiſtrat in dieſer Frage gefunden hat, iſt nicht glücklich. Der Magiſtrat behält ſich von Fall zu Fall die Entſcheidung vor. Meine Herren, das geht nicht. Bei einem Streik handelt es ſich nicht um eine Rechts⸗, ſondern gewöhnlich um eine Machtfrage, und da kann unmöglich der Magiſtrat, der eine ob⸗ jektive Behörde ſein ſoll, eingreifen. Der Magiſtrat muß von den Unternehmern, denen er Arbeiten über⸗ trägt, verlangen, daß ſie die Arbeiten, wenn nicht höhere Gewalt vorliegt, zu einem beſtimmten Termin fertigſtellen; ſonſt haben ſie die vertraglich ausbe⸗ dungene Strafe zu zahlen. Ein Streik kann aber nicht als höhere Gewalt aufgefaßt werden. Wenn Sie aber ſchon nicht mit mir der Meinung ſind, daß die Streitklauſel entſchieden abzulehnen iſt, dann möchte ich Sie wenigſtens bitten, dafür zu ſorgen, daß eine unparteiiſche Inſtanz, eine Inſtanz, die zu gleichen Teilen aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern beſteht, eingeſetzt wird, die dann im einzelnen Falle darüber zu entſcheiden hat, ob infolge des Streiks die Friſt verlängert werden ſoll oder nicht. So haben es auch eine Reihe anderer Gemeinden gemacht. Drittens, meine Herren, verlangen wir, daß Mitglieder der ſtädtiſchen Verwaltungen von Liefe⸗ rungen für die Stadtgemeinde auszuſchalten ſind. Der Herr Berichterſtatter hat bereits den Beſchluß der Stadtverordnetenverſammlung vom Jahre 1875 erwähnt, wonach kein Mitglied einer ſtädtiſchen Kommiſſion bei denjenigen ſtädtiſchen Arbeiten konkurrieren darf, bei denen ihm als Kommiſſions⸗ mitgliede die Begutachtung und die Reviſion der ge⸗ lieferten Arbeiten obliegt. Das iſt wenigſtens ein Anfang; aber er genügt nicht. Wir müſſen in dieſer Beziehung weiter gehen, und wir können das um ſo eher verlangen, als ja inzwiſchen eine gange Reihe anderer Gemeinden uns weit vorausgeeilt iſt. Ich möchte nur wenige Beiſpiele anführen. In Köln bedarf es jedesmal der ausdrücklichen Zuſtimmung der Gemeindevertretung, wenn eines ihrer Mitglieder mit der Stadt in vorübergehende oder dauernde ge⸗ ſchäftliche Verbindung treten will. Mitglieder einer