— 232 Uber die Streikklauſel und über die Beteiligung von Magiſtratsmitgliedern und Stadwwerordneten an Arbeiten und Lieferungen werden wir uns im weſentlichen, wenigſtens mit der Mehrheit der Ver. ſammlung, leicht verſtändigen können. Daß auf die Streikklauſel nicht in dem vollſtändig negativen Sinne verzichtet werden kann, wie Herr Stadtver⸗ ordneter Hirſch das verlangt, werden Sie wohl zu⸗ geben. Denn Herr Stadtverordneter Hirſch wünſcht, daß der Magiſtrat ſich abſolut nicht um einen aus⸗ gebrochenen Streik bekümmern und es vollſtändig den Unternehmern überlaſſen ſolle, ſich mit ſeinen Arbeitern auseinander zu ſetzen. Der Magiſtrat hat geſagt: ſo weit können und wollen wir nicht gehen, wir müſſen ein billiges Ermeſſen uns vorbe⸗ halten, ob der Unternehmer durch eine chikanöſe Ausnutzung der Macht, die die Arbeiter repräſentieren, in die Lage geſetzt worden iſt, nicht liefern zu können, oder ob er durch eigene Schuld eine Unzufriedenheit der Arbeiter verurſacht hat, die ſchließlich den Streik hervorgerufen hat. Herr Stadtverordneter Hirſch ſieht wohl ſelbſt ein, daß er wenigſtens hier in der Verſammlung mit ſeinem ſehr exponierten Stand⸗ punkt nicht durchkommt, und er macht deshalb einen Vermittlungsvorſchlag, indem er ſagt: es ſoll dann wenigſtens eine unparteiiſche Inſtanz, beſtehend aus Unternehmern und Arbeitern, ernannt werden, welche im Einzelfalle die Entſcheidung treffen ſolle, die der Magiſtrat ſich vorbehält. Nun, meine Herren, dieſes Vertrauen, das Sie hier einer noch gar nicht weiter erprobten Inſtanz übertragen wollen, wird der Magiſtrat wohl für ſich in Anſpruch nehmen können. Es iſt ja Gott ſei Dank bisher ein der⸗ artiger Fall nicht eingetreten. Aber ſo lange, bis Sie die überzeugende Erkenntnis erhalten haben, daß der Magiſtrat das Vertrauen, das er hier in Anſpruch nimmt, verſcherzt hat, ſo lange, glaube ich, wird der Magiſtrat erwarten können, daß Sie ihm dieſes Vertrauen ſchenken. Ein zweiter Geſichtspunkt iſt der der Beteili⸗ gung von Magiſtratsmitgliedern und Stadtverordne⸗ ien an ſtädtiſchen Arbeiten und Lieferungen. Gewiß haben einige, allerdings ſehr wenige Städte auf dieſem Gebiete in ausgedehnterer Weiſe als wir Be⸗ ſtimmungen getroffen. Im großen und ganzen hat aber auch Herr Stadtv. Hirſch in den Mitteilungen, die er uns hier gemacht hat, nichts weiter vorgebracht als das, was in unſeren Grundſätzen bereits ſteht, wo es heißt: an Mitglieder einer Verwaltungsdepu⸗ tation dürfen in keiner Weiſe ſolche Arbeiten oder Lieferungen übertragen werden, die zum Verwaltungs⸗ bereiche der betreffenden Deputation gehören. Er hat dann allerdings auch auf Frankfurt a. M. hingewieſen. Nun, meine Herren, ob die Frankfurter Löſung glücklich iſt, das möchte ich ſehr bezweifeln. Sie beſteht ſeit dem Jahre 1903. Bewähren hat ſie ſich in dieſer Zeit ſicherlich noch nicht können. Auch die Körperſchaften in Frankfurt a. M. haben offen⸗ bar eingeſehen, daß mit einer radikalen Ausſchließung von Magiſtratsmitgliedern und Stadtverordneten gar nicht zu arbeiten iſt. Deshalb ſoll in geeigneten 8— der Magiſtrat Ausnahmen zulaſſen können. ch möchte wohl wiſſen, meine Herren, wie der Ma⸗ giſtrat von Frankfurt a. M. in derartigen Sachen verfährt. Zum mindeſten, glaube ich, müßte man, ehe man dieſes Verfahren von Frankfurt a. M. bei uns einführt, ſehr gründlich prüfen, wie nun in 2 die Frankfurter Bedingungen ſich bewährt aben. Jetzt kommen wir endlich zur anſtändigen Lohn⸗ klauſel. Daß der Magiſtrat auch auf dieſem Ge⸗ biet nicht ſo rückſtändig iſt, wie Herr Stadtv. Hirſch ihn erſcheinen laſſen will, das, glaube ich, ergeben die Grundſätze, die Ihnen hier vorliegen. Auf den Einzelfall, der in allerneneſter Zeit erſt paſſtert iſt, kann ich hier nicht eingehen, das wird wahrſche inlich Herr Stadtbaurat Bredtſchneider mun, zu deſſen De⸗ zernat dieſe Angelegenheit gehört. Herr Stadtv. Dr. Spiegel hat bereits den Teil unſcrer Begrün⸗ dung, der ſich mit dieſer Frage beſchäftigt, vorgeleſen. Ich möchte deshalb nur noch die Formulierung in unſeren Grundſätzen ſelbſt noch einmal wiederholen, die folgendermaßen lautet: Angebote können aus beſonderen Gründen ans⸗ geſchloſſen werden, insbeſondere: e) wenn ein genügender Anlaß zu der Annahme vorliegt, daß die von dem Unternehmer in ſeinem Betriebe gezahlten Löhne hinter den üblichen Löhnen zunückbleiben. Meine Herren, ich ſtehe gar nicht an, auch meiner⸗ ſeiis ar Szuſprechen, daß der Magiſtrat gar keine Ver⸗ anlaſſung hat, den Abſchluß von Tarifverträgen zwiſchen Unternehmern und Arbeitern etwa nicht zu n ünſchen. Im Gegenteil, ſicherlich iſt das em außerord entlich erſtrebenswerter Zuſtand, und dic⸗ jenigen Gewerbe, in denen man ſolche Tarifverträge mit allgemeiner Giltigkeit abgeſchloſſen hat, arbeiten, wie wir ja ſehen, auch wirtſchaftlich unbedingt am ruhigſten und zuverläſſigſten, auch für den Magiſrat als Auftragacber. Infolgedeſſen könnten wir alſo derartige Beſtrebungen nur unterſtützen und befür⸗ worten. Solche Tarifverträge mit allgemeiner Giltig⸗ keir ſind ater doch nun außerordentlich ſelten. Es iſt doch nur ein ganz kleiner Bruchteil in unſerem Wirtſchaftsleben, wo derartige Tarifverträge mit all⸗ gemeiner Giltigkcit abgeſchloſſen find. (Zuruf des Stadtv. Hirſch: Baugewerbe!) Im Vaugewerbe — auf dieſen einen Fall werden wir noch eingehen. Sobald eine allgemeine Giltig⸗ keit derartiger Tarifverträge vorliegt, wird es dem Magiſtrat kaum möglich ſein, Unternehmer zu finden oder gar zu bevorzugen, die ſich dieſen Verträgen nicht angeſchloſſen haben. Ich glaube jedenfalls, daß auch hier der Magiſtrat ſeinen guten Willen ſo weit bekundet hat, wie er die Möglichkeit der Ausführung nur irgendwie zuſichern kann. Aber Beſtimmungen aufzunehmen, die dem Magiſtrat bezw. den verſchie⸗ denen Verwaltungsſtellen Aufgaben zuweiſen würden, die ſie gar nicht zu löſen imſtande ſind, davon haben wir von vornherein lieber Abſtand nehmen zu ſollen geglaubt. Was nutzt es denn, wenn hier in den Grundſätzen wunderſchön geſagt wird: es ſoll mög⸗ lichſt in jedem einzelnen Falle geprüft werden, ob und wie wie die Tarifverträge, welche beſtehen, ein⸗ gehalten werden! Das legt im einzelnen Falle den Verwaltungsdeputationen Aufgaben auf, die ſie gar nicht erfüllen können — vor allen Dingen, wenn es ſich um Abſchlüſſe mit Unternehmern handelt, die außerhalb Charlottenburas, vielleicht ganz weit weg wohnen. Wie ſollen wir denn von hier aus kon⸗ trollieren können, ob und welche Tarifverträge an dem Orte beſtehen, und ob der Unternehmer ſich dieſen Tarifverträgen fügt oder nicht? Ich glaube alſo, daß das eine Forderung iſt, die vorläufig noch nicht erfüllt werden kann, und daß der Magiſtrat ganz recht daran getan hat, daß er ſich auf ſo weit⸗ gehende Zuſagen noch nicht eingelaſſen hat. Im übrigen glaube ich, trotz dieſes Widerſpruchs, in dem ich mich mit dem Herrn Stadtv. Hirſch befinde, hier behaupien zu können, daß der Vorwurf, wir