—— 297 — hat ja ſelbſt jetzt den Vertrag da, kann ſie alſo ſelbſt nachleſen. — Es iſt nicht richtig, daß die Arbeitszeit 9 Stunden beträgt. Allerdings ſtehl im § 3: die Arbeitszeit beträgt 9 Stunden, aber — nun bitte ich, zuzuhören! — „mit der Maßgabe, daß die für die Dauer der kurzen Tage feſtgeſetzte Arbeitszeit in der Regel nicht überſchritten werden darf“ — und dann kommt die Arbeitseinteilung im § 4, wo ausdrücklich geſt iſt: vom 1. März bis 8. Oklober wird 9 Stun⸗ en gearbeitet, vom 9. Oktober bis 30. November 8 Stunden und dann 7 Stunden, je nach der Kürze der Tage; wenn die Tage länger werden, 7 und 8 Stunden. Auch das muß in dem BVertrage ſtehen, den Herr Stadtbaurat Bredtſchneider hat. Es iſt ferner nicht richtig, wenn der Herr Stadt⸗ baurat meint, daß die Kanaliſationsarbeiter nach dem Vertrage nur 70 § zu fordern haben. Nein, meine Herren, ſie haben 75 „ zu fordern. Nur diejenigen, die vor dem 1. Oktober 1902 ſtändig bei den ſtädtiſchen Kanaliſationsarbeiten zu einem geringeren Lohnſatz als dem in den damaligen allgemeinen Arbeits⸗ bedingungen feſtgeſetzten beſchäftigt geweſen ſind, erhalten dauernd einen um 5 § geringeren Lohn als die Hochbaumaurer. Alſo nur diejenigen, die ſeit 1902 ſtändig beſchäftigt waren und damals bereits geringeren Lohn hatten, ſollen mit 70 § abgeſpeiſt werden. Das iſt ganz deutlich aus dem Vertrage herauszuleſen, und ich möchte Herrn Baurat Bredt⸗ ſchneider bitten, ſich den Vertrag daraufhin einmal anzuſehen. In Charlottenburg handelt es ſich nun bei dieſem Streik um ſehr wenige Arbeiter, die be⸗ reits im Jahre 1902 beſchäftigt waren. (Zuruf vom Magiſtratstiſch) Nein, es ſind ſehr wenige, die bereits im Jahre 1902 bei der Kanaliſation in Charlottenburg als Arbeiter ſtändig beſchäftigt waren, und darum handelt es ſich hier. Herr Stadtbaurat Bredtſchneider wirft den Arbeitern vor, ſie hätten niemals auf den Tarif⸗ vertrag aufmerkſam gemacht. Ja, iſt denn das eine Entſchuldigung für die Verwaltung? Die Ver⸗ waltung hat ſich darum zu kümmern! Es iſt doch nicht das erſte Mal, daß Tarifverträge in der Stadt⸗ veror dnetenverſammlung oder im Ausſchuß erwähnt werden, und es iſt doch eigenartig, den Arbeitern vorzuwerfen, daß ſie niemals auf den Tarifvertrag aufmerkſam gemacht haben, in demſelben Augenblick, wo man erfährt, daß der erſte Arbeiter, der den Mut hatte zu ſagen: wir haben nach dem Tarifvertrag ſo und ſo viel zu verlangen — ſofort auf das Pflaſter geworfen worden iſt! Da haben Sie die Art und Weiſe, wie gegen die Arbeiter vorgegangen wird! Ich möchte einmal ſehen, wie der Arbeiter empfangen worden wäre, wenn er zu Herrn Baurat Bredtſchneider gekommen wäre und geſagt hätte: Hier iſt ein Tarif, und wir werden nicht danach entlohnt! Ich möchte es nicht ausmalen, was dann paſſiert wäre! (Heiterkeit) Ich glaube, er wäre auch nicht länger im Dienſte der Stadt geblieben. Weiter handelt es ſich bei den Kanaliſations⸗ arbeiten keineswegs um minderwertige Arbeit, ſondern um eine Arbeit, die ſehr geſundheitsgefährlich iſt. Daß weiß ja ein jeder, daß die Kanaliſationsarbeiter mitien in feuchter Umgebung zu arbeiten haben, ſo⸗ daß gar kein Grund vorliegt, zu ſagen: das iſt minderwertige Arbeit. Außerdem gibt es gar keine beſonderen Kanaliſationsmaurer, ſondern die Maurer werden abwechſelnd mal in der Knaliſation, mal im Hochbau beſchäftigt. Die ganzen Ausführungen des Herrn Stadtbaurat Bredtſchneider beweiſen, wie notwendig die Annahme unſeres Antrages auf Einführung der anſtändigen Lohnklauſel iſt. Herr Stadtbaurat Bredtſchneider ſagt: bisher haben wir uns nach Angebot und Nach⸗ frage gerichtet; ach wir hatten ſo viel Arbeiter, es waren einmal ſogar 300 Manrer zu gleicher Zeit auf den ſtädtiſchen Bauten beſchäftigt, die alle für dieſen Lohn arbeiteten! Ja, meine Herren, die Stadtgemeinde ſoll ſich eben nicht von dem Geſichts⸗ punkt Angebot und Nachfrage leiten laſſen. Wenn ſie das tut, dann kommt ſie ſchließlich dahin, daß ſie minderwertige Kräfte einſtellt, die zu ganz geringen Löhnen arbeiten, womöglich ſolche, die ein Gewerbe daraus machen, ihren organiſierten Arbeitskollegen in den Rücken zu fallen. Das ſoll eben die Sladt⸗ gemeinde nicht! Sie ſoll die Tarifverträge inne halten: ſie ſoll darauf achten, daß die anſtändigen Lohn⸗ bedingungen erfüllt werden. Meine Herren, ich mache noch darauf aufmerk⸗ ſam, daß es ſich bei dieſem Tarifvertrag nicht etwa um einen Vertrag zwiſchen Arbeitgeberorganiſation und der ſogenannten ſozialdemolratiſchen Gewerkſchaft handelt, ſondern das der Vertrag für das ganze Maurergewerbe in Berlin und Umgegend abgeſchloſſen iſt, daß dieſem Vertrage auch die chriſtlich organiſierten und die Hirſch⸗Dunckerſchen Arbeiter beigetreten ſind. Umſomehr hätten wir Veranlaſſung, darauf zu achten, daß der Vertrag inne gehalten wird. Wenn die Arbeiter ſchon nach kurzer Zeit die Arbeit dort wieder aufgenommen haben, ſo verdankt die Gemeinde das der Organiſation. Ich kann ruhig verraten, daß der Bauunternehmer ſich im Bureau des Maurerverbandes eingefunden hat, und daß dort Vereinbarungen zu ſtande gekommen ſind, wonach jetzt wenigſtens 70 5 gezahlt werden. Der Unter⸗ nehmer erklärte dem Vorſitzenden der Organiſation, daß er nicht mehr als 70 „ zahlen könne; daran ſei der Magiſtrat reſp. der Baurat ſchuld — wie er ſich ausdrückte: der ſtecke dahinter. Alſo, meine Herren, wenn der Magiſtrat will, dann hat er die Möglichkeit, auch in dieſem Spezialfalle die tarif⸗ lichen Vereinbarungen zu erfüllen: er braucht bloß den Unternehmer ſo zu ſtellen, daß er 75 § zahlen kann. Damit verlaſſe ich dieſen Fall und wende mich nun zu einigen Einwänden, die gegen meine Anträge erhoben worden ſind. Im allgemeinen ſind es ja immer wieder dieſelben Einwände, die vorgebracht werden, Einwände, die bereits bei den früheren Debatten meiner Auffaſſung nach längſt widerlegt worden ſind, die aber immer wiederholt werden, und wenn wir uns nach zwei Jahren wieder über dieſe Sachen unterhalten, von neuem vorgebracht werden. Alle Herren, die dazu ſprechen, äußern ihre platoniſche Liebe zu den Anträgen; aber wenn es hernach zur Abſtimmung kommt, dann ſieht man nicht die Folgen dieſer platoniſchen Liebe. Es wäre mir viel lieber, wenn die Herren dieſe platoniſche Liebe nicht äußerten und unſeren Anträgen zuſtimmten. Daran würde mir und den in betracht kommenden Arbeitern weit mehr gelegen ſein. Ganz beſonderen Widerſpruch hat mein Antrag bezüglich der Ablehnung der Streikklauſel gefunden. Gewiß, Herr Kollege Holz hat Recht, daß davon in der Vorlage nichts ſieht. Aber eben, weil nichts darin ſteht, deshalb verlange ich, daß dieſe Be⸗ ſtimmung aufgenommen wird. Wenn ich nicht wünſche, daß der Magiſtrat in dem einzelnen Falle darüber entſcheidet, ſo bedeutet das durchaus kein