—— 298 —— Mißtrauen gegen den jetzigen Magiſtrat. Es handelt ſich doch nicht um Beſtimmungen, die wir machen, um ſie vielleicht, wenn der Magiſtrat oder die Stadt⸗ verordnetenverſammlung anders zuſammengeſetzt iſt, ſofort wieder abzuändern, ſondern es handelt ſich um allgemeine Beſtimmungen, die auf möglichſt lange Zeit hinaus Geltung haben ſollen. Alſo ich bitte, es nicht perſönlich aufzufaſſen und nicht zu denken, daß in unſeren Anträgen irgend ein Mißtrauen liegt. Nein, meine Herren, ich kann den Magiſtrat als un⸗ parteiiſche Inſtanz zur Entſcheidung in Streikfragen nicht betrachten, und zwar einzig und allein aus dem Grunde nicht, weil der Magiſtrat hervorgegangen iſt aus Wahlen der Stadtverordnetenverſammlung, die wieder auf Grund eines plutokratiſchen Wahlſyſtems zuſammengeſetzt iſt. Hätten wir das allgemeine Wahlrecht, und würde auch der Magiſtrat aus allge⸗ meinen Wahlen hervorgehen, dann würde ich ohne weiteres ſagen: der Magiſtrat iſt eine geeignete In⸗ ſtanz. Aber ſo, wie die Verhältniſſe heute liegen, wo der Magiſtrat doppelt und dreifach erſt geſiebt iſt und dann noch der Beſtätigung von oben bedarf, — da iſt es doch ganz ſelbſtverſtändlich, daß nun und nimmermehr jemand Mitglied des Magiſtrats ſein kann, der aus der Arbeiterklaſſe ſelbſt hervorge⸗ gangen iſt. Deswegen wünſche ich eben, das zur Entſcheidung dieſer Fälle eine unparteiiſche Inſtanz eingeſetzt wird, etwa ähnlich der Deputation, wie wir ſie bereits für den Arbeitsnachweis haben. Herr Kollege Stadthagen ſieht nun ſchon ganz ſchwarz und meint, die Streikklauſel würde die Unter⸗ nehmer in die Hände der Arbeiter liefern. Ach, meine Herren, wenn ſie die praktiſchen Verhältniſſe kennten, dann würden ſie wiſſen, daß gerade die organifierten Arbeiter niemals deswegen in einen Streik eintreten dürfen, um den Unternehmer zu ſchikanieren. Jeder Streik, der ſeitens der organi⸗ ſierten Arbeiter geführt wird, bedarf der Zuſtimmung der Zentralvorſtände, und die prüfen ſehr genau. Die Zahl der Streiks, die abgelehnt werden, iſt weit größer als die Zahl der genehmigten Streiks. Alſo an eine Schikanierung wäre gar nicht zu denken. Leute, die einen Streik anfangen würden, weil ſie ſagen: der Unternehmer iſt verpflichtet, bis zu dem Tage zu liefern, und jetzt wollen wir ihm einen Knuppel zwiſchen die Beine werfen, — die würden von ihrer Organiſation ſehr ſchön heruntergeputzt werden und vor allen Dingen — was am meiſten für ſie bedeutet — keinen Pfennig Streikgelder bekommen. Herr Kollege Holz irrt ſich auch, wenn er meint, daß die Ablehnung der Streikklauſel eine ungeheure Vermehrung der Armenlaſten zur Folge haben würde. Herr Kollege Holz ſitzt ja mit mir zuſammen in der Armendirektion; ich glaube, er wird ſelbſt wiſſen, daß infolge von Streiks die Armenlaſten noch nicht um einen Pfennig bisher angewachſen ſind. Die Arbeiter, die im Intereſſe ihres Berufes, im In⸗ tereſſe ihrer Arbeitskollegen in einen Streik eintreten, pfeifen auf die Armenunterſtützung, die hüten ſich ſehr davor, auch nur um einen Pfennig Armen⸗ unterſtützung einzukommen. Das kommt für ſie auch ſchon deshalb nicht in Betracht, weil ſie von ihrer Organiſation während des Streiks wenigſtens einiger⸗ maßen über Waſſer gehalten werden. Alſo dieſer Grund iſt auch hinfällig. Meine Herren, was weiter gegen die Aufnahme der anſtändigen Lohnklauſel angeführt worden iſt, ſpricht eigentlich dafür. Logiſcherweiſe müſſen alle die Herren, die gegen meinen Antrag auf Einführung der anſtändigen Lohnklauſel das Wort ergriffen haben, für meine Antröge ſtimmen. Sie haben es ja alle für ſelbſtverſtändlich erklärt, daß in dem Sinne meines Antrages verfahren wird. Man meint, was ich verlange, ſtehe bereits in den Magiſtratsbedingungen. Nein, meine Herren, in den Magiſtratsbedingungen ſteht: Unternehmer können ausgeſchloſſen werden, während nach meinem Antrage ſolche Unternehmer aru ndſätzl ich auszuſchließen ſind. Das iſt der Unterſchied. Will der Magiſtrat vielleicht noch einen Schritt entgegenkommen und ſagen: ſolche Unter⸗ nehmer ſind überhaupt auszuſchlie ßen, dann wäre ich ſehr gern bereit, meinen Antrag zurückzu⸗ ziehen; denn dann wäre das, was ich bezwecke, erfüllt. Meine Herren, es wird geſagt, die Materie iſt ſehr ſchwierig. Gewiß, das gebe ich zu; aber man löſt doch eine ſchwierige Frage nicht dadurch, daß man ſagt: wir haben jetzt genug davon gehört, wir wollen es ſo laufen laſſen, wie es bisher geweſen iſt, und uns nach einigen Jahren weiter darüber unter⸗ halten, — ſondern man verſucht, eine Verſtändigung zu finden, und dieſe kann man am beſten in einem Ausſchuß finden Es iſt darauf hingewieſen worden, daß der Ausſchuß ſehr ſelten beſchlußfähig geweſen iſt. Ja, meine Herren, ich bedauere das lebhaft; aber es iſt doch dann Sache der Fraktionen, daß ſie ſolche Kollegen vorſchlagen, die auch wirklich mit Luſt und Liebe in den Ausſchuß gehen und dort zur Arbeit bereit ſind. Ich glaube doch, daß in der Stadtverordnetenverſammlung ſich eine genügende An⸗ zahl von Kollegen finden wird, die dazu imſtande und bereit ſind. Ich möchte Sie alſo dringend bitten, meine Herren, — und ih glaube damit gerade im Namen derjenigen Herren zu reden, denen an einer Löſung dieſer ſchwierigen Materie gelegen iſt⸗ die Vorlage mit ſämtlichen dazu vorliegenden An⸗ trägen noch einmal einem Ausſchuß zu überweiſen. Hoffentlich wird dieſer Ausſchuß dann etwas häufiger beſchlußfähig ſein und recht bald in die Lage kommen, der Stadtverordnetenverſammlung eine Löfung der ſchwierigen Frage vorzuſchlagen, die alle Seiten be⸗ friedigt. Stadtbaurat Bredtſchneider: Der Herr Stadtv. Hirſch hat darauf hingewieſen, daß zur Zeit die Maurer nach dem Tarif nur acht Stunden arbeiten. Das iſt richtig; das hat er aber in ſeiner erſten Rede nicht getan, ſondern er hat geſagt, die Maurer arbeiten an und für ſich acht Stunden und bei dem Magiſtrat zehn Stunden. Die Maurer arbeiten in dieſen Tagen bei dem Magiſtrat nur neun Stunden, während nach dem Tarif für die jetzige Jahreszeit acht Stunden vorgeſehen ſind, und ſie arbeiten während der andern Zeit beim Magiſtrat zehn Stunden, wo nach dem Tarif neun Stunden vor⸗ geſehen ſind. (Stadtv. Hirſch: Alſo doch eine Stunde mehr!) — Ich glaubte, Sie, Herr Hirſch, ſo verſtanden zu haben, daß Sie ſagen wollten: die Arbeitszeit be⸗ trage nach den Tarif ganz allgemein acht Stunden, und das habe ich zurückgewieſen; denn die Arbeitszeit beträgt nach dem Tarif für die Sommerzeit neun Stunden. Nun, meine Herren, hat Herr Hirſch längere Ausführungen darüber gemacht, daß die Maurer bei der Kanaliſation nach dem Tarif 75 Pfennig zu be⸗ anſpruchen hätten. Aber wir haben hinterher ge⸗ hört, der Bauunternehmer ſei — äbrigens auf meine Veranlaſſung — bei der Lohnkommiſſion geweſen und habe dort die Zuſage erhalten, die Maurer ſollten für 70 Pfennig weiter arbeiten. Das iſt doch