—— 299 —— wohl der ſicherſte Beweis dafür, daß die Lohnkom⸗ miſſion ſelbſt auf dem Standpunkt ſteht: die Maurer haben nach dem Tarif nur 70 Pfennig zu erhalten. (Stadtv. Hirſch: Bitte ums Wori!) Alſo dieſe Frage iſt doch wohl nun endgültig ent⸗ ſchieden. (Widerſpruch bei den Sozialdemokraten.) Oder glauben Sie, daß die Lohnkommiſſton g ſagt hat: hier iſt ein Tarif aufgeſtellt, nach dem gaben zwar die Maurer 75 Pfennig zu erhalten, aber wir geſtatten gnädiaſt, daß ſie für 70 Pfennig arbeiten! Eine ſolche Gnade wäre ja ganz etwas Neues; übrigens brauchen wir eine ſolche Gnade nicht. (Wiederholte Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Wenn übrigens unſer Unternehmer, worauf der Herr Stadtv. Hirſch, wie mir ſchien, ziemlich höhniſch hin⸗ wies, bei der Lohnkommiſſion geweſen iſt, ſo habe ich ihn hingeſchickt, weil ich die Streiks nicht liebe, und weil mir daran liegt, daß die Sache beigelegt wird. Ich bitte doch, das gefälligſt zur Kenntnis nehmen zu wollen. Nun verlangt Herr Stadtv. Hirſch durchaus, ich müſſe wiſſen, daß ein Tarif exiſtiere. Meine Herren, ich ſtehe in dem Kanaliſationsgewerbe ſcit dem Jahre 1881; ich kenne es ſeit der Zeit nicht anders, als daß kein Tarif exiſtiert. Nun wird in dieſen 25 Jahren zum erſten Mal vor einem Jahre, nämlich am 1. April 1905, ein Tarif aufgeſtellt. (Stadtv. Hirſch: Nein!) Wie können Sie denn verlangen, daß ich von dem Tarif Kenntnis habe, wenn er mir nicht von außen zugeſchickt wird! Ich verſichere Sie, daß ich jetzt erſt von ihm Kenntnis erhalten habe. Sie können doch nicht verlangen, daß ich mich ſtändig an die Lohnkommiſſion wenden ſoll: habt ihr einen Tarif? — oder an die Maurermeiſter oder an den Bund der Innungen: habt ihr einen Tarif aufgeſtellt? Dann wäre es wohl richtig geweſen, die Lohnkom⸗ miſſion würde ſich an mich gewandt und mir den Tarif überſandt haben oder dem Magiſtrat. Dann würden wir davon Kenntnis erhalten haben. Aber ſolange das nicht geſchehen iſt, kann wohl niemand von dem Stadtbaurat verlangen, daß er von dieſem Tarif Kenntnis hat, und ich habe keine Kenntnis gehabt. Nun behauptet auch Herr Stadtv. Hirſch, daß die Manrer bei der Kanaliſation nicht zu einer be⸗ ſonderen Klaſſe gehörten, ſondern mit den Maurern im Hochbau gleich rangierten. Ich habe ſchon vorhin betont, daß das nicht zutrifft, und kann das nur aus meiner Erfahrung heraus nochmals beſtätigen. Außer⸗ dem, ſagte er, ſeien die Maurer bei der Kanaliſations⸗ verwaltung ſchlechter Luft auegeſetzt — (Zuruf des Stadtv. Hirſch: Feuchtigkeit!) — feuchter Luft ausgeſetzt. Ja, glaubt denn Herr Stadtv. Hirſch, daß die Maurer in den Kanaliſations⸗ kanälen arbeiten? Nein, ſie ſtellen die Kanäle her, ehe die Feuchtigkeit dorthin kommt; die Arbeit ge⸗ ſchieht im Allgemeinen in ſehr trockener und, ich glaube, auch in ſehr günſtiger Luft. Im Sommer iſt es unten in den Baugruben kühl, und im Herbſt iſt es warm. (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, das iſt richtig; gerade das Um⸗ gekehrte iſt der Fall: die Kanaliſationsmaurer arbeiten in viel geſünderer Luft als die Hochbaumaurer. Sie ſehen alſo, die Ausführungen des Herrn Stadtv. Hirſch find, was dieſen Punkt anbetrifft, durch große Sachkenntnis nicht getrübt. Stadtv. Blanck: Meine Herren, es iſt ſo viel theoretiſch erörtert worden, daß Sie mir als einem Manne, der in langjähriger Praxis mit dieſen Be⸗ dingungen gearbeitet hat, wohl auch ein Wort hierzu erlauben werden. Im Allgemeinen hat der Herr Bürgermeiſter mir das vorweg genommen, was ich eigentlich ſagen wollte. Ich wollte auf die Bedin⸗ gungen, wie ſie im Miniſterium der öffentlichen Ar⸗ beiten ausgearbeitet ſind, zurückkommen, mit denen ich mehr als vierzig Jahre gearbeitet habe. Es iſt unmöglich, für lange Zeit Bedingungen aufzuſtellen; denn die Verhältniſſe ändern ſich mit jedem Jahre. (Sehr richtig!) Deshalb treien im Miniſterium der öffentlichen Ar⸗ beiten alle 4 oder 5 Jahre, je nachdem es notwendig erſcheint, Kommiſſionen zuſammen, die immer wieder von Neuem beraten. Es ſind in der letzten Zeit niemals Bedingungen allein am grünen Tiſch aus⸗ gearbeitet worden, ſondern ſtets im Einvernehmen mit praktiſchen Leuten. Wie ich eben höre, datieren die neueſten Bedingungen vom Jahre 1905. Ich kann Ihnen nur raten, daß Sie dieſe Bedingungen auch ihren Arbeiten zu Grunde legen; ſie ſtützen ſich nicht etwa auf die vorhandenen Charlottenburger Be⸗ dingungen, ſondern ſie haben ſich von Etappe zu Etappe aufgebaut, und es wird darin in weitem Maße den Wünſchen der Arbeitnehmer Rechnung ge⸗ tragen. Ich will damit ſchließen, daß ich Ihnen drin⸗ gend ans Herz lege, den Vorſchlag des Ausſchuſſes anzunehmen. Die Verwaltung wird ja dann Zeit haben, zu überlegen, was in Zukunft gebeſſert werden ſoll. Wenn Sie etwa andere Bedingungen aufſtellen, ſo iſt unzweifelhaft anzunehmen, daß dieſe nach weiteren vier Jahren auch nicht mehr paſſen, und Sie müſſen dann wieder ändern. Ich bitte alſo, den Antrag der Kommiffion anzunehmen und damit wo⸗ möglich die Debatte abzuſchließen. Stadtv. Dr. Spiegel: Meine Herren, die Aus⸗ führungen des Herrn Stadtbaurats für den Tiefbau haben gezeigt, daß meine Annahme richtig war, daß in der Tat in dem von Herrn Hirſch erwähnten Falle nicht nach den Grundſätzen verfahren worden iſt, die in der Mitteilung des Magiſtrats enthalten waren. Das iſt, wie der Herr Stadtbaurat darlegte, aus Unkenntnis geſchehen. Ich möchte nun nicht unbedingt behaupten, daß dieſe Unkenntnis ſo ſehr berechtigt war; denn ich meine, in einer ſo großen Verwallung, wie es unſere Tiefbauverwaltung iſt, kann dafür Sorge getragen werden, daß von der⸗ artigen tiefeingreifenden und wichtigen Vereinbarungen der Dezernent Kenntnis erhält, ſobald ſie getroffen ſind. Derartige Dinge ſpielen ſich ja nicht unter dem Ansſchluß der Offentlichkeit ab, und ich ſollte meinen, daß, wenn ein Beamter der Tiefbauver⸗ waltung beauftragt wird, dieſe Vorgänge zu ver⸗ folgen, die rechtzeitige Kenntnisnahme davon auch möglich ſein muß. Aber, meine Herren, Sie haben ferner geſehen, daß ſelbſt die volle Kenntnis nicht davor geſchützt hätte, daß es zu Differenzen kam. Denn auch über die Auslegung des Tarifs beſtehen Meinungsver⸗ ſchiedenheiten, und hier möchte ich mich unbedingt auf den Standpunkt des Herrn Stadtbaurats ſtellen. Ich kann die Auslegung, die Herr Kollege Hirſch dem Paragraphen gegeben hat, nicht für richtig halten; denn es wäre doch widerſinnig, diejenigen Arbeiter, die damals ſchon als ſtändige Arbeiter vor⸗ handen waren, ſchlechter zu ſtellen als die Neuein⸗