tretenden. Daß ein ſolcher Tarif jemals vereinbart worden wäre, kann ich mir nicht vorſtellen. Was geht denn nun aus der ganzen Sache hervor, meine Herren? Wir können unſere Bedin⸗ gungen ſo ſchön aufſtellen, wie wir wollen: zur All⸗ wiſſenheit können wir den Magiſtrat und ſeine Mit⸗ glieder niemals zwingen, und deshalb wird es für ſolche Fälle gerade ganz belanglos ſein, ob wir die Beſtimmungen hier noch etwas präziſer faſſen, oder ob wir ſie vorläufig ſo laſſen, wie der Magiſtrat ſie aufgeſtellt hat. Durch derartige Ausführungen habe ich mir nun allerdings den Vorwurf des Herrn Kollegen Hirſch zugezogen, daß ich für die in Frage ſtehenden Veſtrebungen nur platoniſche Liebe betunde. Herr Kollege Hirſch ſcheint über die platoniſche Liebe ubrigens eine eigenartige Auffaſſung zu haben; denn er wundert ſich nachher doch wieder, daß ſie keine Folge hätte. (Heiterkeit.) Das ſoll nun einmal im Weſen einer ſolchen Liebe liegen. (Erneute Heiterkeit.) Aber ich kann auch nicht anerkennen, daß meine Liebe platoniſch ſei, und daß ſie keine Folgen gehabt habe. Ich habe bei jeder Gelegenheit für die An⸗ träge geſtimmt, ſowohl mich hier dafür geäußert, als auch im Ausſchuß ſie ſachlich unterſtützt. Berechtigt waren aber die Aueführungen des Herrn Stadtv Hirſch nicht. In der Sache ſelbſt muß ich nach wie vor auf dem Standpunkt bleiben, daß wir am allererſten zu einer Einigung gelangen werden, wenn wir unſere weiteren Beratungen nur auf Grund möglichſt um⸗ faſſenden tatſächlichen Materials führen, und deshalb halte ich es für beſſer, nach 2 Jahren in die ein. gehende Beratung einzutreten, als jetzt noch einmal im Ausſchuß darüber zu verhandeln. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, der Herr Kollege Hirſch meinte gegenüber meinen Aus⸗ führungen betreffs der Streikklauſel, daß er zu den Arbeitern und den Arbeiterorganiſationen ein ſolches Vertrauen hätte, daß er die von mir geäußerten Be⸗ fürchtungen nicht für berechtigt hielte. Nun, Herr Kollege Hirſch hat ja dieſes volle Vertrauen in unſere eigene Verwaltung, in den Magiſtrat und in die Stadtverordnetenverſammlung, nicht, weil ſie unter dem Szepter Plutos gewählt iſt. Ich glaube doch, es iſt uns allen be kannt, daß die Arbeiterorganiſationen auch unter einem gewiſſen Szepter ſtehen, ſich nicht immer von rein ſachlichen Erwägungen leiten laſſen, ſondern häufig weſentlich von politiſchen Erwägungen. Dort herrſcht das Szepter von Singer und Bebel mindeſtens ebenſo, wie bei den Wahlen des Magiſtrats und der Stadtverordnetenverſammlung das von Pluto. (Oh, ohl bei den Sozialdemokraten.) Stadtu. Hirſch: Herr Stadtbaurat Bredtſchneider hat höhniſch darauf hingewieſen, daß meine Aus⸗ führungen über die Geſundheitsverhältniſſe der Maurer bei den Kanaliſationsarbeiten nicht durch große Sach⸗ kenntnis getrübt ſeien. Meine Herren, die Tatſache läßt ſich doch nicht beſtreiten, daß die Kanaliſations⸗ maurer teilweiſe bis zu ſechs Meter tief unter der Erde zu arbeiten haben, und daß eine ſolche Arbeit der Geſundheit nicht gerade ſehr zuträglich iſt. Ich hätte es überhaupt für angebracht gehalten, daß der Herr Stadtbaurat Bredtſchneider mir nicht den Vor⸗ wurf der mangelnden Sachkenntnis in dem Augenblick gemacht hätte, wo er ſelbſt ſich hinſtellte und ſagte, 300 ——— daß er von der ganzen Sache keine Ahnung hätte, nämlich von der Sache, worauf es hier ankommt, von dem Vorhandenſein eines Tarifvertrags. Es ſtimmt ja nicht, daß der Tarifvertrag erſt ſeit 1905 beſteht. Dieſer Vertrag beſteht ſeit 1905, er iſt aber nur die Verlängerung bezw. Ergänzung früherer Tarifverträge. Außerdem pflegen im zwanzigſten Jahrhundert doch die meiſten Menſchen auch Zeitungen zu leſen, und ich glaube, daß es keine Zeitung gibt, die nicht über dieſe Verhandlungen, die zum Zu⸗ ſtandekommen des Tarifvertrages geführt haben, ſehr eingehend berichtet hätte. Herr Stadtbaurat Bredtſchneider meint, die Tat⸗ ſache, daß die Lohnkommiſſion ſelbſt geſagt habe, die Maurer ſollen nur mit 70 Pfennig wieder anfangen, ſei ein Beweis dafür, daß die Kommiſſion auf dem Standpunkt ſtehe, die Maurer haben nur 20 Pfennig zu verlangen. Das iſt nicht der Fall. Der Unter⸗ nehmer war auf Veranlaſſung des Herrn Stadt⸗ baurats bei der Lohnkommiſſion und hat dort mit ihr unterhandelt. Es liegt nun aber auch der Arbeiter⸗ organiſation daran, daß der Streik möglichſt ſchnell beendigt wird, und man hat deshalb, nur damit jetzt die Sache beigelegt wird, geſagt: die Arbeiter können für 70 Pfennig in dieſem ſpeziellen Falle wieder anfangen. Aber die Orgauiſation ſtehr auf dem Siandpunkt. der auch ganz klar im Tarif zum Aus⸗ druck kommt, daß die Kanaltſationsarbeiter 75 Pfennig zu verlangen haben. Wenn Herr Stadtbaurat Bredtſchneider meint, von der Gnade der Arbeiter brauche er nicht zu leben, ſo gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß die Tiefbau⸗ verwaltung, nachdem ſie ſich davon überzeugt hat. daß auf Grund des Tarifvertrages 75 Pfennig zu zahlen ſind, bereits morgen dafür Sorge tragen wird, daß der Unternehmer in Stand geſetzt wird, ſeinen Arbeitern 75 Pfennig Lohn bei achtſtündiger Arbeits⸗ zeit zu zahlen, ſo, wie es der Tarif verlangt. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, mir haben ſich im Laufe der Debatte nur zwei Beobachtungen aufgedrängt, die ich kurz noch zum Ausdruck bringen möchte. Ich meine zunüchſt: was den Magiſtrat, als diejenige Inſtanz anbetrifit, die in Streikfragen Ent⸗ ſcheidungen treffen und das Vertrauen der Ver⸗ ſammlung in Anſpruch nehmen ſoll, ſo glaube ich allerdings nicht, daß ich den Magiſtrat von dem Vorurteil des Herrn Stadtv. Hirſch werde befreien können, daß er auf plutokratiſcher Baſis gewählt ſei und infolgedeſſen das Vertrauen der Herren nicht verdiene. Aber in einem anderen Sinne iſt der Magiſtrat meiner Anſicht nach ſehr wohl in der Lage, das Vertrauen des Herrn Stadtv. Hirſch in Anſpruch zu nehmen. Der Magiſtrat iſt doch diejenige Inſtanz, die die Karre vorwäris ziehen ſoll. In den meiſten Fällen befinden ſich unſere Arbeiten unter dem Drucke der Beſchleunigung. Der Magiſtrat hat alſo ſchon aus dem Gefichtspunkt, daß die Arbeiten doch ſchließlich fertig geſtellt werden müſſen, ein ſehr weitgehendes Intereſſe, nach Möglichkeit allen Verlängerungen der Arbeit durch Streiks keinen Vorſchub zu leiſten. Wenn alſo auf der einen Seite ſeine Neigung als plutokratiſches Inſtitut, gegen die Arbeiter Partei zu nehmen, im Sinne des Herrn Stadtv. Hirſch vorliegt. ſo muß auf der anderen Seite ſeine Verpflichtung als ſtädtiſche Verwaltungsinſtanz, die Sache unter allen Umſtänden nach Möglichkeit zu beſchleunigen, dahin führen, daß er edie ichtzeitige Erledigung der Arbeiten von dem Unternehmer ſelbſt auf die Gefahr eines Streiks verlangt. Das wäre das Eine.