—— 310 — Vorſteher Roſenberg: Punkt 6 der Tagesordnung: Vorlage betr. Tieferlegung der Spandauer Chauſſee. — Druckſache 431. (Die Beratung wird eröffnet und geſchloſſen. Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Dem mit der Aktiengeſellſchaft in Firma Spandauerbergbrauerei vormals C. Bechmann über die Tieferlegung der Spandauer Chauſſee abgeſchloſſenen Vertrage vom 13. Oktober d. I. — Nr. 802 des Urkundenverzeichniſſes — wird zugeſtimmt.) Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung: Vorlage betr. Prüfung der Gültigkeit der am 9. Oktober 1906 vollzogenen Stadtverord⸗ neten⸗Erſatzwahlen und Berichterſtattung des Ausſchuſſes. — Druckſache 432. Berichterſtatter Stadtv. Hirſch: Meine Herren, am 9. Oktober haben im 1. und 4. Bezirk der erſten Wählerabteilung Erſatzwahlen ſtattgefunden. Hierbei ſind als gewählt proklamiert: als Erſatz⸗ mitglied für die Zeit von 1902 bis 1907 im 1. Bezirk Herr Rentier Thieme, in demſelben Bezirk als Erſatzmitglieder für 1904 bis 1909 die Herren Fabrikbeſitzer Lemm und Verlagsbuchhändler Paetel. und im 4. Bezirk Herr Baumeiſter Wolffenſtein Gegen die Wahlen ſind nun eine ganze Reihe von Proteſten bei der Stadtverordnetenverſammlung eingelaufen. Der Wahlprüfungsausſchuß hat ſich in einer ungewöhnlich langen Sitzung mit den Proteſten beſchäftigt, und ich halte es für meine Pflicht, Ihnen ausführlicher, als es ſonſt Brauch in dieſer Verſammlung iſt, darüber zu berichten, zumal es ſich dabei um ſehr wichtige prinzipielle Fragen handelt, und da ferner nicht ausgeſchloſſen iſt, daß ſich auch der höchſte preußiſche Gerichtshof für Ver⸗ waltungsangelegenheiten noch mit der Frage zu befaſſen hat. Die Proteſte, die Ihnen ja im Umdruck zu⸗ gegangen ſind, zerfallen in vier Gruppen. Von einigen Herren — den Herren Krieger und Jach⸗ mann — wird behauptet, daß die Stadtverordneten⸗ verſammlung die Wählerliſte erſt am 3. Oktober berichtigt habe, die Einladungen ſeien aber bereits am 18. September ergangen, alſo zu einer Zeit, wo die Stadtverordnetenverſammlung über die Ein⸗ ſprüche gegen die Richtigkeit noch nicht entſchieden hatte. Die Herren ſchließen daraus, daß die Ein⸗ ladungen nur ergangen ſein können auf Grund der Liſte von 1905. Eine zweite Gruppe von Proteſten geht von der Behauptung aus, daß die Einladung nicht vierzehn Tage vorher in ortsüblicher Weiſe erfolgt ſei; die Einladungen an die Wähler ſeien erſt wenige Tage vor der Wahl verſandt; dieſe Ein⸗ ladungen aber ſeien als ortsübliche Bekanntmachungen anzuſehen Dann wird von einer ganzen Reihe von Herren behauptet, daß bei den Wahlen teils im erſten, teils im vierten Bezirk Wahlbeeinfluſſungen vorgekommen ſein ſollen, und endlich behaupten einige Proteſte, daß im erſten Bezirk Herr Rentier Thieme wohl die meiſten Stimmen, aber nicht die abſolute Mehrheit erhalten habe und infolgedeſſen nicht als gewählt zu betrachten ſei. Der Ausſchuß hat ſich zunächſt ſehr eingehend mit den Proteſten beſchäftigt, die von den Herren Krieger und Jachmann eingelegt ſind und die davon ausgehen, daß die Einladungen auf Grund der Wählerliſte von 1905 erfolgt ſeien. Der Ausſchuß hatte zu prüfen einmal, ob die Einladung auf Grund der Liſte von 1905 erfolgt iſt, und zweitens, ob ſie erfolgt iſt auf Grund der vom Magiſtrat auf⸗ geſtellten Liſte von 1906, aber zu einer Zeit, wo die Stadtverordnetenverſammlung über die Einſprüche gegen dieſe Liſte noch nicht entſchieden hatte; drittens war die Frage zu prüfen, ob, wenn letzteres zutrifft, die der Wahlhandlung ſelbſt zugrunde liegende Liſte von derjenigen, auf Grund deren die Einladung erfolgt iſt, ſo erheblich abwich, daß dadurch das Wahlreſultat beeinflußt wurde, und endlich, ob ſchon die bloße Tatſache, daß der Magiſtrat auf Grund einer Liſte eingeladen hat, gegen die Einſprüche vor⸗ liegen, über die die Stadtverordnetenverſammlung noch nicht entſchieden hatte, genügt, die Wahl für ungültig zu erklären, gleichviel ob das Wahlreſultat ein anderes geweſen wäre, wenn erſt nach Erledigung der Einſprüche die Einladungen ergangen wären. Zur Beurteilung war die Vorfrage von Be⸗ deutung, welche Veränderung die Liſte infolge der Erledigung der Einſprüche aufwies. In der ur⸗ ſprünglichen Liſte waren in der erſten Wähler⸗ abteilung 691 Wähler verzeichnet; infolge ihres Ein⸗ ſpruches ſind zwei Wähler hinzugekommen. Dadurch hat ſich aber das Steuerdrittel, mit dem die erſte Klaſſe abſchließt, geändert, und es ſind elf weitere Wähler aus der erſten Abteilung in die zweite gerückt, ſo daß alſo die Liſte, nachdem die Stadt⸗ verordnetenverſammlung über die Einſprüche ent⸗ ſchieden hatte, nicht mehr 691, ſondern nur noch 682 Wähler aufwies. Dem Ausſchuß lag zur Beurteilung der erſten wichtigen Frage eine ausführliche gutachtliche Außerung des Herrn Magiſtratsaſſeſſors Dr. Lands⸗ berger vor. Den Herren iſt dieſes Gutachten nicht im Druck zugegangen; ich möchte mir daher ge⸗ ſtatten, es auszugsweiſe Ihnen mitzuteilen. Es heißt da: Es iſt zu prüfen, ob vor der Einladung der Wähler gemäß § 23 das Berichtigungsverfahren und die Beſchlußfaſſung der Stadtverordneten⸗ verſammlung über die erhobenen Einwendungen beendet ſein muß. Weder die Städteordnung noch die Rechtſprechung des Oberverwaltungs⸗ gerichts gibt hierauf eine klare Antwort. Dennoch möchte ich — alſo Herr Aſſeſſor Dr. Landsberger — zur Bejahung der geſtellten Frage kommen. Meines Erachtens folgt das aus der Stellung des § 23 im Geſetz hinter § 20 und aus ſeiner Bezugnahme auf die Paragraphen 19 und 20 mit den Worten: „die in der Liſte verzeichneten Wähler“ werden berufen. Die Berufung zur Wahl wird erſt erfolgen können, wenn die Stadtverordnetenverſammlung über die erhobenen Einwendungen, gleichviel mit welcher Entſcheidung, beſchloſſen hat. Erſt dann ſteht der Kreis der Einzuladenden vor⸗ läufig feſt. Dem ſtehen auch einige Entſcheidungen des Ober⸗ verwaltungsgerichts, die in dem Gutachten ange⸗ führt werden, nicht entgegen. Es wird dann auf den vorliegenden Fall eingegangen: Es fragt ſich hier, ob der zur Wahl berufene Kreis — berufen durch die hier allein maß⸗ gebliche „ortsübliche Bekanntmachung“ der geſetzlich zuzuziehende war. Dieſer Fall wird