—— 315 — die Ungültigkeit der Wahl beantragte. Ausſchlag⸗ gebend war bei der Abſtimmung die Stimme des Vorſitzenden. Der Ausſchuß beſchloß alſo mit 4 gegen 4 Stimmen, wobei der Vorſitzende den Ausſchlag gab, die Wahl des Herrn Thieme für ungültig zu erkläre n. Es wurde ausdrücklich da⸗ bei betont, daß allerdings ein Verſehen der Wähler vorliege, daß man aber die für Herrn Thieme als Erſatzmann bis 1909 abgegebenen Stimmen nicht ohne weiteres auf die für ihn als Erſatzmann bis 1907 abgegebenen hinzurechnen dürfe. Würde man ſo ver⸗ fahren, dann müßten ja auch, wenn Ergänzungs⸗ wahlen und Erſatzwahlen ſtattfinden, die hierbei aus Verſehen an falſcher Stelle abgegebenen Stimmen den betreffenden Kandidaten zugerechnet werden. (Zuruf bei den Liberalen: Ganz falſch!) Das widerſpreche aber durchaus der Praris, die bis⸗ her in Charlottenburg gehandhabt worden ſei. Es wurde ferner die Frage aufgeworfen, ob der Wahlvorſteher es überhaupt notwendig gehabt hätte, die einzelnen Wähler zu fragen, wen ſie bis 1907 und wen ſie bis 1909 wählen ſollten. Es wurde die Anficht vertreten, daß das nicht notwendig geweſen ſei. Der Wahlvorſteher hätte einfach ſagen dürfen: wen wählen die Herren als Erſatzleute, — und es hätte dann die Verteilung auf die Jahre bis 1907 reſp. bis 1909 ſpäter durch den Magiſtrat erfolgen können. Das iſt aber nicht geſchehen. Der Wahl⸗ vorſteher hat die einzelnen Wähler gefragt, wen ſie bis 1907 und wen ſie bis 1909 wählen wollen. Der Ausſchuß konnte nicht anders, als aus den von mir angeführten Gründen die Wahl des Herrn Thieme für ungiltig erklären. Die Anträge des Ausſchuſſes lauten alſo: a) Die am 9. Oktober 1906 vollzogenen Wahlen des Fabrikbeſitzers Lemm, des Verlagsbuch⸗ händlers Paetel und des Baumeiſters Wolffen⸗ ſtein zu Stadtverordneten werden als gültig erklärt. b) Die auf dieſe Wahlen bezüglichen Einſprüche werden zurückgewieſen. c) Die am 9. Oktober 1906 vollzogene Wahl des Rentiers Thieme zum Stadtverordneten wird als ungültig erklärt. Stadtv. Roſenberg: Meine Herren, meine Freunde befinden ſich nicht im Beſitz ſo vieler Mandate, daß ſie außer mir noch einen juriſtiſchen Vertreter in den Ausſchuß zur Prüfung der Stadtverordneten⸗ wahlen hätten entſenden können, und ſo folge ich denn heute mehr einem Gebote der Not, wenn ich das Wort zur Sache ergreife. Ich will mich indeſſen darauf beſchränken, von den mehreren juriſtiſchen Fragen, die im Ausſchuſſe aufgetaucht ſind, nur eine beſonders zu erörtern, die mir die wichtigſte zu ſein ſcheint. Ich kann dabei auf das ſo ausführliche Referat des Herrn Berichterſtatters bezugnehmen, möchte mir aber doch erlauben, einige Tatſachen, die allerdings in dem Referat des Herrn Berichterſtatters erwähnt worden ſind, für meine Zwecke noch etwas prägnanter hervorzuheben. Meine Herren, nachdem im Herbſt 1905 die Wählerliſte vom Magiſtrat berichtigt war — vom Magiſtrat, der allein die Wählerliſte zu berichtigen hat —, iſt im Jahre 1906 die Wählerliſte am 4. Oktober vom Magiſtrat berichtigt worden. Darüber geben die Akten des Magiſtrats Auskunft; eine Regiſtratur vom 9. Oktober lautet: „Die Drittelungs⸗ liſte iſt abgeſchloſſen und die Wählerliſten ſind be⸗ richtigt mit dem Datum vom 4. Oktober 1906.“ Das iſt eine Regiſtratur, die in den Magiſtrats⸗ akten ſich findet und, wie geſagt, das Datum vom 9. Oktober 1906 trägt. (Zuruf: Dritten!) — Vom 9. Oktober. Am 4. Oktober ſind die Liſten berichtigt worden. Ich leſe noch einmal die Regiſtratur vor: „Die Drittelungsliſte iſt abgeſchloſſen und die Wählerliſten ſind berichtigt mit dem Datum vom 4. Oktober 1906. Charlottenburg, den 9. Oktober. Der Magiſtrat.“ — Die Berichtigung iſt erfolgt, nachdem am 3. Oktober dieſe Verſammlung über die Einſprüche gegen die Richtigkeit der Wähler⸗ liſte Beſchluß gefaßt hatte. Die Wahl vom 9. Oktober iſt erfolgt aufgrund der am 4. Oktober 1906 berichtigten Wählerliſte. Die Bekanntmachung, mittels welcher der Magiſtrat zu der Wahl vom 9. Oktober die Wähler berufen haben ſoll, lautet folgendermaßen: Stadtverordnetenwahl. Für die am 7. Mai bezw. am 9. Auguſt d. I. verſtorbenen Stadtverordneten Marcus und Kaping, ſowie für die durch Niederlegung ihrer Mandate ausgeſchiedenen Stadtverordneten Dr. Mommſen und Heimann ſind Erſatzwahlen erforderlich. Die Genannten waren ſämtlich von der erſten Wählerabteilung, und zwar die drei erſt⸗ genannten vom 1. Bezirk, der Stadtw. Heimann vom 4. Bezirk gewählt worden. Die Herren Heimann und Kaping gehörten der Wahlzeit von 1902/7, die Herren Dr. Mommſen und Marcus der Zeit von 1904/9 an. Unter den zu wählenden müſſen 2 Haus⸗ beſitzer ſein, von denen jeder Bezirk einen zu wählen hat. Die Wahlen finden am Dienstag, den g. Oktober d. I., von 9 Uhr vormittags bis 9 Uhr nachmiitags mit der Maßgabe ſtatt, daß die Wahllokale um 4 Uhr nachmittags geſchloſſen werden und daß nur diejenigen Wähler zur Stimmenabgabe noch zugelaſſen werden, welche vor Ablauf dieſer Zeit im Wahllokale anweſend waren. Jeder Wahlberechtigte erhält noch eine be⸗ ſondere Einladung, deren Vorlage im Wahl⸗ termin als Ausweis dringend erwünſcht iſt. Bei einem Wohnungswechſel des Wählers bleibt die Wahlberechtigung in dem Bezilk be⸗ ſtehen, in deſſen Liſte der Name des Wählers eingetragen iſt. Als Wahllokale ſind beſtimmt worden (folgen die Wahllokale). Charlottenburg, den 18. September 1906. Magiſtrat. Dieſe Bekanntmachung iſt ausweislich der Akten in der hieſigen Zeitung „Neue Zeit“ am 20. Sep⸗ tember veröffentlicht worden. Die beſonderen Ein⸗ ladungen, von denen der Magiſtrat am Schluſſe dieſer Bekanntmachung ſpricht, ſind ausweislich der Akten an die Wähler im 4. Bezirk der I. Abteilung am 29. September und an die Wähler des 1. Bezirks in der I. Abteilung am 2. und 4. Oktober 1906 abgeſandt. Der Taibeſtand iſt alſo ein einfacher und unbeſtrittener. Ebenſo unbeſtritten find auch die Geſetze, die anzuwenden ſind. Der Herr Berichterſtatter hat ja bereits hervorgehoben, daß im Ausſchuß bei niemand ein Zweifel darüber beſtand, daß die §§ 23 und die §§ 19 und 20 der Städteordnung diejenigen Geſetzes⸗ ſtellen ſeien, welche man im vorliegenden Falle anzu⸗