——— 316 wenden habe. Es ſcheint mir nun von großer Wichtigkeit zu ſein, daß die Verſammlung von dem Wortlaut dieſer Paragraphen Kenntnis nimmt, und ich erlaube mir, dieſe Paragraphen, die ja ſehr kurz ſind, Ihnen vorzuleſen. Der § 23 beſtimmt: 14 Tage vor der Wahl werden die in der Liſte (§§ 19 und 20) verzeichneten Wähler durch den Magiſtrat zu den Wahylen mittels ſchriftlicher Einladung oder ortsüblicher Bekannt ⸗ machung aufgerufen. Die Einladung oder Bekanntmachung muß das Lokal, die Tage und die Stunden, in welchen die Stimmen bei dem Wahlvorſtande abzugeben ſind, genau beſtimmen. Und § 19 lautet: Eine Liſte der ſtimmfähigen Bürger, welche die erforderlichen Eigenſchaften derſelben nach⸗ weiſt, wird von dem Magiſtrat geführt und alljährlich im Juli berichtigt. Die Liſte wird nach den Wahlabteilungen und im Falle des § 14 nach den Wahlbezirken eingeteilt. § 20: Vom 1. bis 15. Juli ſchreitet der Magiſtrat zur Berichtigung der Liſte. Vom 15. bis 30. Juli wird die Liſte in einem oder mehreren zu öffentlicher Kenntnis gebrachten Lokalen in der Stadtgemeinde offen gelegt. Während dieſer Zeit kann jedes Mitglied der Stadtgemeinde gegen die Richtigkeit der Liſte bei dem Magiſtrat Einwendungen erheben. Die Stadtverordnetenverſammlung hat da⸗ rüber bis zum 15. Auguſt zu beſchließen; der Beſchluß bedarf der Zuſtimmung des Magiſtrats nicht. Soll der Name eines einmal in die Liſte aufgenommenen Einwohners wieder ge⸗ ſtrichen werden, ſo iſt ihm dieſes 8 Tage vorher von dem Magiſtrat unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Gegen den Beſchluß der Stadtverordneten⸗ verſammlung inbetreff der Richtigkeit der Wähler⸗ liſte findet binnen zwei Wochen die unmittel⸗ bar bei dem Bezirksausſchuß anzubringende Klage ſtatt, welche auch dem Magiſtrat zuſteht.] § Sie hat keine aufſchiebende Wirkung, jedoch dürfen Erſatzwahlen vor ergangener rechtskräf⸗ tiger Entſcheidung nicht vorgenommen werden. Die Stadtverordneten bezw. der Magiſtrat können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungs⸗ ſtreitverfahren einen beſonderen Vertreter beſtellen. Der Vollſtändigkeit wegen, meine Herren, nicht der Erheblichkeit wegen möchte ich bemerken, daß ich nicht genau den Wortlaut des § 20 verleſen habe, wie er in der Städteordnung von 1853 ſteht, ſondern den Wortlaut ſo wiedergegeben habe, wie er ſich in Verbindung mit dem Zuſtändigkeitsgeſetz vom Jahre 1883 ergibt. Ebenſo habe ich noch weiter zu be⸗ merken, daß die Friſten, wie ich ſie verleſen habe, für Charloitenburg nicht gelten; ſie ſind durch ein zuläſſiges Ortsſtatut um einen Monat erſtreckt worden. Meine Herren, das iſt das Geſetz. Wir kommen nun zu unſeren Schlüſſen. Und da, meine ich zu⸗ nächſt einmal, muß Ihnen, wenn Sie die Bekannt⸗ machung geleſen haben und wenn Sie ſich den § 23 vergegenwärtigen, in die Augen geſprungen ſein, daß die Bekanntmack ung eines weſentlichen Erforderniſſes überhaupt ermangelt, ja ich möchte ſagen, des ein⸗ igen Erforderniſſes ermangelt, welches das Geſetz für e aufſtellt, das iſt nämlich die Einladung der Wähler. In der gange Bekanntmachung ſteht nicht, daß die Wähler zur Wahl berufen werden, und doch heißt es ausdrücklich in § 23, daß die in der Liſte verzeichneten Wähler zur Wahl zu berufen ſind. Davon ſteht nichts in der Bekanntmachung; es ſteht nur darin, es folge noch eine beſondere Einladung. Dieſe beſondere Einladung kann aber für unſere Betrachtung ganz ausſcheiden, denn ſie iſt ja zu ſpät erfolgt. Meine Herren, die Sache wird Ihnen ohne weiteres einleuchten, wenn ich Ihnen folgendes Bei⸗ ſpiel gebe. Der Beſitzer eines Schloſſes, der alljähr⸗ lich am 9. Oktober ein großes Feſt feiert und den Kreis ſeiner Freunde um ſich verſammelt, erläßt am 18. September 1906 durch die Zeitung eine Bekannt⸗ machung, in welcher er mitteilt, daß am 9. Oktober in ſeinem Schloſſe das übliche Feſt für den Kreis ſeiner Freunde nachmittags 4 Uhr ſtattfinden werde. Die Herren werden gebeten, im Frack zu erſcheinen, beſondere Einladungen folgen nach. — Nun frage ich Sie, meine Herren, wenn die beſondere Einladung nicht ergeht, ob irgendeiner aus dem Kreiſe der Freunde zu dem Manne hingehen würde! (Sehr gut! und Heiterkeit.) Meine Herren, es iſt zweifellos, daß die Be⸗ kanntmachung nicht das enthält, was das Geſetz vor⸗ ſchreibt, und es kann jetzt nur gefragt werden, ob, wenn dieſe Bekanntmachung dieſen Mangel hat, da⸗ raus die Ungiltigkeit der Wahlen ſich ergibt. Die Ungiltigkeit der Wahlen ergibt ſich daraus nicht, wenn ſämtliche Wähler der Liſte zur Wahl gekommen wären oder wenn nur ſo wenige gefehlt hätten, daß deren Erſcheinen für das Ergebnis nicht maßgebend geweſen wäre. Es haben nun aber tatſächlich in jedem Bezirk je ein Drittel der Wähler gefehlt, ſo daß ganz zweifellos infolge des Verſtoßes die Wahlen als ungiltig zu betrachten ſind. Nun, meine Herren, kann es ja ſein, daß einige von Ihnen ſich auf dieſen Standpunkt, den ich Ihnen eben vorgetragen habe, nicht ſtellen wollen. Ich will mich auf deren Standpunkt ſtellen und ſagen: die Bekanntmachung enthält bei wohlwollender Betrach⸗ tung notdürftig die Erforderniſſe des § 23. Wie ſteht die Sache dann? Enthält die Bekanntmachung den geſetzlichen Inhalt, dann iſt doch die Antwort auf die Frage: wer iſt durch dieſe Bekanntmachung eingeladen? — ſehr einfach. Man ſieht ſich den 23 an und ſagt: durch dieſe Bekanntmachung ſind die in der Liſte (§§ 19 und 20) bezeichneten Wähler geladen. Wer waren denn nun am 20. September die in der Liſte (§§ 19 und 20) bezeichneten Wähler? Das waren doch offenbar diejenigen Wähler, die die Liſte (§§ 19 und 20) am 20. September 1906 aus⸗ wies. Welches war die Liſte (§§ 19 und 20) am 20. September 1906? Doch nicht etwa die Liſte, die am 4. Oktober 1906 erſt berichtigt worden iſt! Meine Herren, das iſt klar: die Liſte, die den Erforderniſſen des § 23 am 20. September 1906, dem Tage der Veröffentlichung der Bekanntmachung durch die Zeitung entſprach, war die Liſte, die im Jahre 1905 berichtigt worden iſt. (Zurufe bei den Liberalen: Gibts ja gar nicht!) — Warten Sie einen Augenblick, ich werde das, was Sie mir zurufen, wie ich hoffe, vollſtändig widerlegen. Nun wird wiederholt damit operiert, daß geſagt wird: es käme vor allen Dingen darauf an, was der Magiſtrat gemeint habe, welchen Kreis von Perſonen er habe einladen wollen. Nein, meine Herren, da⸗ rauf kommt es gar nicht an, denn die Bekanntmachung iſt für ſich zu betrachten. Sie müſſen doch bedenken, daß die Bekanntmachung abſolut keine Namen ent⸗ hält, daß ſie ſich nur an einen beſtimmten Kreis von Wählern wendet, welcher Kreis von Wählern aus der Bekanntmachung heraus feſtgeſtellt werden muß. Ich komme daher zu dem Reſultat: es iſt ein anderer