——, 319 —— andere Wähler zu beſtimmen, ſich nach dieſen Herren zu richten. (Zuruf bei den Liberalen: Das geſchieht immer ſol) Es iſt auch ferner klar, daß die Verfaſſer des Wahl⸗ aufrufs Wert auf dieſe vier Namen gelegt haben; es handelt ſich um Perſönlichkeiten, die in der Bürgerſchaft wohl bekannt und von Einfluß ſind. Die Verfaſſer des Wahlaufrufs werden alſo ganz gewiß Erfolg von der Unterſchrift dieſer vier Herren erwartet haben, und wir dürfen auch annehmen, daß dieſe Erfolge nicht ausgeblieben ſind. Dann ergibt ſich aber die höchſte Wahrſcheinlichkeit, daß das Wahl⸗ reſultat, das nur einige Stimmen Mehrheit aufweiſt, ein anderes geworden wäre, wenn auch nur einige Wähler, die im Vertrauen auf die vier Namen die in dem Wahlaufruf empfohlenen Kandidaten gewählt haben, entweder nicht gewählt oder andere Kandidaten gewählt hätten. Und ſo würden, wenn ſich die Sache wirklich ſo verhält, wie die Einſprüche angeben, meines Erachtens die Wahlen für ungültig zu erklären ſein. Die vier Herren haben, wie geſagt, bei der Wahl ſelbſt entgegen ihrer eigenen Aufforderung die Kandi⸗ daten der Gegenpartei gewählt. Man fragt erſtaunt: wie iſt das möglich? (Sehr richtig! bei den Liberalen.) In den Einſprüchen, die eingegangen ſind — 3, 4, 5, 6, 7 ſprechen davon — wird betont, daß dieſe Herren die Genehmigung nicht erteilt hätten, ihre Namen unter den Wahlaufruf zu ſetzen. Wenn dies in vollem Umfange wahr wäre, dann läge eine grobe Täuſchung der Wähler vor. (Sehr richtig! bei der Freien Vereinigung.) Nun hat in der Sitzung des Ausſchuſſes ſchon ein Mitglied der liberalen Fraktion die Erklärung abge⸗ geben, daß die Herren in der Tat ſchriftlich ihre Bereitwilligkeit erklärt haben, ihre Namen unter den Wahlaufruf zu ſetzen. Jetzt wird die Sache immer wunderbarer. (Heiterteit) Nehmen wir das als richtig an, ſo bleibt immer noch die Frage übrig: durch welchen Umſtand ſind dieſe Herren bewogen worden, einen Aufruf zu unter⸗ zeichnen zur Wahl von Kandidaten, gegen die ſie ſelbſt geſtimmt haben? 6 (Sehr richtig! bei der Freien Vereinigung.) Es iſt das eine Angelegenheit, die in der Tat dringend der Aufklärung bedarf. Wir können die Erklärung, die in der Sitzung des Ausſchuſſes abgegeben worden iſt, daß die Herren erſt gefragt worden ſind, ehe ihre Namen unter den Wahlaufruf geſetzt wurden, nicht als unwahr abweiſen. (Sehr richtig!) . Das iſt unmöglich; aber wir dürfen auch nicht die ganz beſtimmt auftretende Behauptung in dieſen Einſprüchen ſo behandeln, als ſei ſie rein aus der Luft gegriffen. Wir ſtehen vor einem Rätſel, und darum halte ich es für dringend notwendig, daß die 4 Herren ſelbſt vernommen werden und daß feſtge⸗ ſtellt werde: welche Vorgänge ſind eingetreten, durch die ſie beſtimmt worden ſind, den e zu unterzeichnen und doch nachher dagegen zu ſtimmen — damit dann auch feſtgeſtellt werden kann, ob in der Tat eine unſtatthafte Beeinfluſſung der Wähler ſtatt⸗ gefunden hat oder nicht. Der zweite Punkt, von dem ich ſprechen wollte, betrifft die Wahl des Herrn Wolffenſtein. In dem Einſpruch Nr. 3 iſt geſagt, daß ein Stadtverordneter einen nationalliberalen Wähler aufgeſucht habe, um ihn zur Wahl des Herrn Wolffenſtein zu beſtimmen, und daß er dieſem Wähler die Autunſ erteilt habe, Herr Wolffenſtein ſei der nationalliberale Kandidat. Dieſer Wähler habe nachher ſelbſt ausdrücklich er⸗ klärt, er ſei durch dieſe Auskunft auf einen falſchen Weg gedrängt worden. In dem Einſpruch Nr. 9 iſt nun noch angegeben, daß derſelbe Stadtverordnete einer größeren Anzahl von Wählern dieſelbe Aus⸗ kunft gegeben habe, daß Herr Wolffenſtein national⸗ liberal ſei, und dadurch ſeien dieſe nationalliberalen Wähler veranlaßt worden, für Herrn Wolffenſtein zu ſtimmen, ſodaß dieſer die abſolute Mehrheit erlangt hat, während ſie ſonſt ohne dieſe Mitteilung für Herrn Liepmann ihre Stimme abgegeben hätten. Nun mag man nicht die Einwendung machen, daß dieſe Wähler ja doch nicht nötig hatten, ſo ohne weiteres einer ſolchen Mitteilung Glauben zu ſchen⸗ ken, und daß ſie anderswo noch hätten Erkundigun⸗ gen einziehen können, ehe ſie zur Wahl ſelbſt gingen. Denn wer ſolche Einwendungen macht, der ſtellt die Glaubwürdigkeit und Wahrheitsliebe eines Stadtver⸗ ordneten ſelbſt herab. Eben gerade weil die Wähler der Überzeugung waren, daß die Glaubwürdigkeit und Wahrheitsliebe für einen Stadtverordneten ſelbſt⸗ verſtändlich ſei, ſind ſie garnicht auf den Gedanken gekommen, Zweifel zu hegen, und haben ohne Be⸗ denken den Rat befolgt. 2 Derſelbe Stadtverordnete — ſagt der Einſpruch Nr. 3 — hat demſelben Wähler, mit dem er die Frage über Wolffenſtein verhandelt hatte, die Aus⸗ kunft erteilt: zur Fraktion der Freien Vereinigung gehörten nur Konſervative, Antiſemiten und einige rechts ſtehende Nationalliberale. Nun, meine Herren, wenn ein älteres Mitglied dieſer Verſammlung, das uns wirklich ſchon ſeit langer Zeit kennt, eine ſolche Behauptung aufſtellen wollte, ſo würde ich erklären müſſen, 2a5 darin eine Verleumdung liege. (Sehr richtig! bei der Freien Vereinigung.) Der betreffende Herr Kollege, der für Herrn Wolffen⸗ ſtein gewirkt hat und dieſe Auskunft gegeben haben ſoll — ob es tatſächlich richtig iſt, können wir nicht entſcheiden, das muß erſt nachher die Vernehmung ergeben —, iſt noch nicht ſehyr lange Mitglied dieſer Verſammlung und kennt uns perſönlich und kennt namentlich unſere politiſchen Richtungen noch nicht genug. Seine Phantaſie hat ihn da etwas ſehen laſſen, was ich ausdrücklich als unrichtig bezeichnen muß. Gewiß, wir haben Herren unter uns, die po⸗ litiſch konſervativ ſind, wir haben auch Herren von der nationalliberalen Partei und nicht bloß ſolche, die auf dem rechten Flügel ſtehen; aber wir haben auch in unſerer Fraktion Bekenner der Grundſätze des reinen links ſtehenden Liberalismus, und das will ich hauptſächlich betonen: von Antiſemitismus habe ich in unſerer Fraktion, deren älteſtes Mitglied ich bin, bis jetzt noch nichts bemerkt. (Bravo! bei der Freien Vereinigung.) Wir ſind immer von dem Gedanken ausgegangen, daß wir hier nur ſtädtiſche Angelegenheiten zu be⸗ handeln haben und nicht Reichs⸗ und Staatsange⸗ legenheiten. Wir haben jedem Fraktionsmitgliede ſtets die völlige Bewegungsfreiheit in politiſcher Hin⸗ ſicht gelaſſen, wir verlangen nur, daß er unverbrüch⸗ lich einen Grundſatz feſthält, das iſt der Grundſatz, die Rechte der Selbſtverwaltung zu wahren. (Bravo!) Und mit dieſem Grundſatz ſtehen wir auf dem gleichen Boden mit der liberalen Fraktion. Wenn aber der Herr Kollege, der für Herru Wolffenſtein gewirkt hät, tatſächlich unſere Fraktion in ein falſches Licht geſtellt hat, ſo will ich ihm nicht den ſchweren Vorwurf machen, daß er mit Bewußtſein die Un⸗ wahrheit geſagt hat; aber ich kann ihn nicht frei ſprechen von einer gewiſſen Voreiligkeit des Urteils, und es wäre zu wünſchen geweſen, daß er ſich erſt ſelbſt über unfere politiſche Zugehörigkeit genügend