—— 326 — die infolge der Beeinfluſſung von der Wahl ſich ferngehalten oder anders gewählt haben, geeignet war, ein anderes als das ſchließliche Ergebnis her⸗ beizuführen. Das iſt herrſchende Rechtſprechung. Es muß alſo eine Wahlbeeinfluſſung vorliegen, die ſo ſchwerwiegender Natur iſt, daß die Willensbeſtimmung der betreffenden Wähler vollſtändig ausgeſchloſſen war. Und Wahlbeeinfluſſungen dürfen als weſent⸗ licher Mangel des Wahlverfahrens nur inſoweit in Betracht kommen, als ſie tatſächlich von unverkenn⸗ barer Bedeutung für das Wahlergebnis geweſen ſind. Das Oberverwaltungsgericht zitiert einen Fall, daß ein höherer Bergbeamter die einzelnen Bergleute an die Wahlurne führt und dort vor der Wahlurne ſagt: ihr müßt den und den wählen, — dann ab⸗ wartet, wie die Leute wählen, und diejenigen, die ſchlecht gewählt haben, nachher entläßt. Das iſt der typiſche Fall einer kraſſen Wahlbeeinfluſſung. Ich gebe zu, meine Herren, daß man vielleicht auch bei den vorliegenden Wahlen ſagen könnte, es wäre beſſer geweſen, wenn von der einen oder anderen Seite die Worte noch mehr auf die Goldwage ge⸗ legt worden wären. Aber, meine Herren, Sie können doch unmöglich jedes unvorſichtige Wort in einem heißen Wahlkampf ſo bezeichnen, wie der Kollege Hubatſch, der von groben Täuſchungen der Wähler ſprach. Geſtatten Sie mir, Sie daran zu erinnern, daß ich vor etwa Jahresfriſt als Referent in einem Falle zu plädieren hatte, wo es ſich um die Wahl des früheren Kollegen Fink handelte. Dieſer Herr Fink war gewählt, und es war deshalb gegen ſeine Wahl Einſpruch erhoben worden, weil vor und bei der Wahl außergewöhnliche Unregelmäßigkeiten vor⸗ gekommen waren, die darin beſtanden — die Akten liegen vor mir —, daß in einer Anzahl durch Zeugen⸗ beweis erhärteten Fällen ſowohl die Freunde des Herrn Fink als auch Herr Fink perſönlich vor und bei der Wahl einfach Wahlbeſtechung getrieben hatten, indem ſie durch Freibier, Eſſen und andere Annehm⸗ lichkeiten die Wähler zu ſich herbeizuziehen verſucht haben. Iſt das nicht der reinſte Stimmenkauf? (Hört, hört! bei den Liberalen.) Es wurde damals in der Stadtverordnetenſitzung vom 23. März 1904 hierüber ſehr ausführlich ver⸗ handelt. Ich ſelbſt hatte das Referat und konnte natürlich dieſen Stimmenkauf nicht ſchlimm genug verurteilen. Ich wurde aber in nicht geringe Ver⸗ wunderung geſetzt, als eine ſo maßgebende Perſön⸗ lichkeit wie der frühere Kollege Gleim, der Wort⸗ führer der Freien Vereinigung, — Seite 73 flg. der Akten — ausführte: „Ich muß ſagen, ich halte an und für ſich ſchon die ganzen Vorgänge, die da im Beweisverfahren zu Tage getreten ſind,“ — es hatte eine Beweisaufnahme ſtattgefunden, die alle Vor⸗ würfe erwieſen hatte — „für verhältnismäßig harm⸗ loſer Natur, (Hört, hört! bei den Liberalen) wenigſtens nicht von der Bedeutung, wie ſie nament⸗ lich in dem Ausſchuſſe, in geringerem Maße aller⸗ dings heute von dem Herrn Referenten, mündlich beurteilt worden ſind.“ — Meine Herren, wenn ein angeſehenes Mitglied Ihrer Fraktion (zur Freien Vereinigung gewandt) derartige außergewöhnliche Verſtöße als harmlos bezeichnet, wie wollen Sie das⸗ jenige, was in Übereinſtimmung mit den Tatſachen eben von dem Herrn Kollegen Kaufmann vorgetragen worden iſt, als eine Wahlbeeinfluſſung darſtellen! Wie können Sie von Täuſchung der Wähler und von Rätſeln reden, die der Aufklärung bedürfen! (Stadtv. Dr. Riel: Wir haben gelernt!) — Hoffentlich lernen Sie noch mehr, verehrter Herr Kollege Riel! Es ſteht feſt, daß die angegriffenen Leiter der Wahlen nach berühmten Muſtern ſich einer Em⸗ pfehlung bedient haben, um auf ihre Mitbürger ein⸗ zuwirken, etwa dahin: wir bitten Sie, bei der be⸗ vorſtehenden Wahl Herrn Soundſo zu wählen. Ein Wahlaufruf iſt das nicht. Ich beſtreite das. Ein Wahlaufruf enthält eine kontradiktoriſche Gegenüber⸗ ſtellung beider Parteien. Natürlich wird darin die Gegenpartei ſo ſchwach wie möglich gemacht, um damit auf den betreffenden Wähler Eindruck zu machen. Hier iſt gar nichts derart paſſiert, hier iſt ohne Nennung einer Gegenpartei nur geſagt worden: wir empfehlen Ihnen, Herrn Soundſo zu wählen. Und nun, meine Herren, ſtellen Sie ſich doch vor: es handelt ſich hier um Wähler der erſten Abteilung, um Wähler, die ein hundertfach größeres Wahlrecht haben, vielleicht noch mehr, als die Wähler der dritten Abteilung; es handelt ſich um Perſonen, die die Vermutung der größten Bildung in ſich tragen, und Sie wollen uns einreden, meine Herren, daß ein derartiger Wähler ſich durch ſolche Empfehlung be⸗ ſtimmen laſſen kann! Das glaube, wer will; ich kann es nicht glauben. Ich ſchätze unſere Wähler und ihre Intelligenz doch etwas höher ein. Ich nehme zugunſten dieſer Wähler an, daß ſie genau gewußt haben, was ſie taten, als ſie die Empfehlung unter⸗ ſchrieben. Und wenn ſich wirklich drei Herren ge⸗ funden haben, die ihre Unterſchrift verleugnen wollen, ſo bedauere ich, daß Sie dieſe Herren noch in die unglückliche Lage bringen wollen, als Zeugen aufzu⸗ treten. Sie haben ſie ſchon genug an den Pranger geſtellt, indem Sie vor aller Offentlichkeit hier kon⸗ ſtatieren, daß die Herren erſt Ja und dann Nein ſagen, ihre Stimme erſt abgeben und nachher er⸗ klären: ich wähle einen ganz andern — und auch wirklich einen ganz anderen wahlen. Ich kann dieſen Herren gegenüber nur ſagen: o si tacuisses, philo- sophus mansisses! Die Herren würden beſſer getan haben, wenn ſie ſich ganz ruhig verhalten und ihre ſtaatsbürgerliche Unmündigkeit nicht verraten hätten. Und Sie halten trotzdem eine Beweisaufnahme für notwendig, um dieſe „außergewöhnlichen Beein⸗ fluſſungen“, dieſe „unerhörten Vorkommniſſe“ feſtzu⸗ ſtellen. Wie Herr Kollege v. Liszt bereits hervor⸗ gehoben hat, haben wir die Beweisaufnahme nicht zu fürchten, im Gegenteil, es könnte uns nur nur angenehm ſein, damit zu zeigen, mit welchen Mitteln nachträglich auf jene 3 Herren eingewirkt worden ſein muß. Aber ſchön würde das Schauſpiel nicht ſein. Und, meine Herren, wir ſind doch nicht dazu da, jeden unerheblichen Beweis zu erheben. Wenn wir hier durch Urkunden beweiſen, wie die Sache liegt, und die ganze Angelegenheit als tatſächlich feſtgeſtellt zu betrachten iſt, ſo können wir doch nicht wegen ſolcher Dinge, die für das Ergebnis der Wahl ganz gleichgültig ſind, in eine Beweiserhebung eintreten nur zu dem Zwecke oder mit dem Reſultat, die Sache zu verſchleppen. Deshalb bitte ich Sie, auch den Antrag auf Beweiserhebung abzulehnen. Sie werden ſich hierzu um ſo leichter entſchließen, wenn Sie ſich den Charakter der Empfehlnng vergegenwärtigen, die ich übrigens perſönlich noch gar nicht einmal ge⸗ ſehen habe. Selbſt wenn in dieſer Empfehlung ob⸗ jektiv eine Beeinfluſſung zu finden wäre, ſo würde ſie doch nur dann ſchädlich haben wirken können, wenn ihr der Charakter der Offentlichkeit vindiziert werden könnte. In einem ſo einfachen Brief von dem einen an den anderen kann man eine Beein⸗