— 327 — fluſſung anderer Perſonen nicht finden. Liegt denn überhaupt in dieſem Schreiben aber ſonſt irgendwie der Charakter der Offentlichkeit? Meine Herren, davon kann gar keine Rede ſein. Das Schreiben iſt an einen ganz beſchränkten Perſonenkreis ge⸗ richtet, an einen Kreis, von dem man genau wußte, aus wieviel und welchen Mitgliedern er beſtand, und nur durch einen Zufall wäre es möglich geweſen, daß eine dritte Perſon davon Kenntnis erhalten hat. Es war alſo jedenfalls ob⸗ jektiv die Rechtslage ſo, daß dieſe Mitteilung nur an beſtimmte Perſonen gerichtet war und niemals in der Lage geweſen wäre, in die Offentlichkeit zu dringen. Deshalb müſſen Sie auch aus dieſem Grunde dem Schriftſtück diejenige Bedeutung bei⸗ legen, die wir ihm beilegen, daß es nur eine ganz natürliche einfache Empfehlung iſt, wie ſie in allen an⸗ ſtändigen Wahlagitationen vorkommt und vorkommen muß. Denn wie ſoll der einzelne Wähler ſich über die Perſon des betreffenden Kandidaten orientieren? Ich bedaure alſo, meine Herren, daß die Herren Mitglieder der Freien Vereinigung ſich hier ohne ein tatſächliches Fundament gewiſſermaßen als Ankläger aufſpielen. Wenn man den Kollegen Hubatſch hört, mit welcher ſtarken Entrüſtung er mindeſtens indirekt über die Mitglieder unſerer Partei herzieht, als wäre das ein Verhalten, wie es furchtbarer überhaupt nicht vorkommen könne, dann muß man ſich doch im höchſten Grade ver⸗ wundern. Wäre es nicht beſſer, wenn Sie vor Ihrer eigenen Türe kehrten? Stellen Sie ſich vor, meine Herren, daß z. B. ein angeſehenes Mit⸗ glied Ihrer Fraktion in einer öffentlichen Ver⸗ fammlung über ein angeſehenes Mitglied unſerer Fraktion eine unwahre Behauptung aufſtellt, nämlich dahin, er habe ein Techtelmechtel mit der Sozial⸗ demokratie lediglich zu dem Zwecke angebandelt, um durchzuſetzen, daß er Vorſteher unſerer Verſammlung wird. Dafür ſoll die fozialdemokratiſche Partei ein Mandat im Magiſtrat bekommen! Es wird Ihnen und auch Herrn Kollegen Hubatſch bekannt geworden ſein, daß dieſe Behauptung bereits in der Preſſe öffentlich in der energiſchſten Weiſe als unwahr zu⸗ rückgewieſen worden iſt. Iſt es nicht im höchſten Grade bedauerlich, daß ein derartiges Phantafie⸗ gebilde verbreitet wird, welches geeignet iſt, eine ſehr geachtete Perſönlichkeit in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen? Meine Herren, wenn Sie Zions⸗ wächter ſein wollen, dann würde ich Ihnen empfehlen, zunächſt einmal ſelbſt nur mit Mitteln zu arbeiten, die unanfechtbar ſind, nicht mit ſolchen Mitteln, die ein ſchlechtes Licht auf die ganze Selbſtverwaltung zu werfen geeignet ſind. Deshalb bitte ich Sie, ſtellen Sie ihre Erregung, die ich wegen des Miß⸗ erfolges begreifen kann, zurück, ſtellen Sie ſich nur auf den Boden der Tatſachen! Sie werden dann finden, daß weder hinſichtlich der Rechtsfragen noch hinfichtlich der ſogenannten Wahlbeeinfluſſungen auch nur ein Atom zu finden iſt, was dem Antrag des Ausſchuſſes und unſerm Antrage widerſprechen würde, die Wahlen für gültig zu erkären. Ich bitte Sie, meine Herren, die Wahlen für gültig zu erklären. (Bravo! bei den Liberalen.) Stadtv. Dr. Riel: Meine Herren, ich werde weniger nervös ſein als mein Herr Vorredner, wenn er uns auch Nervoſität vorwirft. Denn wer mit ſo ſtarken Ausdrücken operiert, wie es mein Herr Vor⸗ redner getan hat, der tut es doch offenbar aus einer gewiſſen Nervoſttät heraus, namentlich wenn er Emphaſe und dergleichen einem ſo ruhig redenden Herrn wie Herrn Kollegen Dr. Hubatſch vorwirft. (Stadtv. Holz: Aber der Inhalt!) Ich habe von Emphaſe nichts bemerkt. Ich kann wohl ſagen: ich habe ſelten — wie das übrigens auch von anderer Seite anerkannt worden iſt — ein ſo heikles Thema in ſo ruhiger und ſachlicher Weiſe behandeln hören. Meine Herren, was die Sache ſelbſt anbetrifft, ſo glaube ich, werden wir uns, ſoweit es ſich um rein juriſtiſche Dinge handelt, kaum verſtändigen. Die verſchiedenen Auffaſſungen der in Betracht kommenden §§ 23, 19 und 20 der Städteordnung ſind Ihnen ja, glaube ich, in wirklich recht ergiebiger Weiſe vorgetragen worden. Ich glaube, wie geſagt, nicht, daß wir in der Beziehung zuſammenkommen. Sie werden vorausſichtlich die Anſicht, die in dieſen Punkten auf unſerer Seite herrſcht, nicht beſeitigen. Ich wenigſtens teile die Ausführungen des Herrn Vorſtehers durchaus. Um gleich zu dem Fall 10 mit Herrn Thieme zu kommen, ſo bin ich auch da nicht überzeugt, und Herr Kollege Dr. v. Liszt hat ja ſelbſt die Stelle, wo ſeine Beweisführung ein wenig ſchwankt, angegeben — darüber ſind wir uns ja alle einig —: wenn für die längere Wahlperiode eine Stimme abgegeben worden iſt, ſo kann an⸗ genommen werden, wo es ſich um eine Erſatzwahl handelt, daß dieſe Stimme auch als für den kürzeren Zeitraum abgegeben zu rechnen und daher bei der Feſtſtellung des Wahlergebniſſes mit in Betracht zu ziehen iſt. Herr Kollege Dr. v. Liszt hat die Frage bejaht, ich verneine ſie. Ich glaube, es wird in dieſem Hauſe eine ganze Reihe von Herren ſein, die bejahen, und eine ganze Reihe, die verneinen. Das einer der Herren ſich überhaupt nicht zu dieſem Punkte entſcheidet, nehme ich nicht an. Alſo ich werde ſagen können, daß auch hier die Anſichten einander gegenüberſtehen. Was nun das unangenehmſte Thema anbetrifft, dieſe ſogenannten Wahlbeeinfluſſungen, ſo haben Sie uns ja auseinandergeſetzt, was damals bei der Wahl des Herrn Stadtverordneten Fink vorgekommen iſt. Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, ſo hat die erſte Inſtanz die Wahl nicht aufgehoben, ſondern das Oberverwaltungsgericht. Danach ſcheint es ſo, als wenn die erſte Inſtanz doch die Ausſchreitung, welche Sie gerügt haben, auch nicht für ſo außer⸗ ordentlich ſchwerwiegend aufgefaßt hat. Alſo einen ſo ſchweren Vorwurf uns zu machen, wie das hier geſchehen iſt, dazu lag vielleicht keine Veranlafſung vor. Indeſſen das Oberverwaltungsgericht hat ge⸗ ſprochen, und es kann ſich nur darum handeln, ob die Wahlbeeinfluſſungen, die jetzt hier gerügt werden, nicht vielleicht viel ſchwerwiegender ſind. Meine Herren, den Leuten aus der dritten Wählerklaſſe ſind ein paar Glas Bier dediziert worden dafür, daß ſie wählen. Wenn die Behaup⸗ tungen der Herren, die hier ihren Proteſt eingereicht haben, richtig ſind, dann bin ich allerdings der Auf⸗ faſſung, daß die Wahlausſchreitungen, falls man von ſolchen ſprechen will, ihnen gegenüber doch recht viel ſchwerwiegender ſind. Nun ſagen Sie mir allerdings, ich ſoll Ihnen doch irgend welche Schriftſtücke ein⸗ mal zeigen, aus denen ſich ergibt, daß die Herren tatſächlich der Anſicht ſind, es ſei ihnen, um mich ſo auszudrücken, Unrecht geſchehen. Meine Herren, ich will Ihren Wunſch erfüllen. Herr Hilſcher ſchreibt — nicht an mich —: