einen Säugling mit Kuhmilch auferzogen hatten, ſich mit Erfolg mühten, ein ſpäter erſchienenes Kind ſelbſt zu ſtillen. Wir haben auch erlebt, daß die Mutter, die für ihr Kind an Nahrung etwas ent⸗ behrlich hatte, einer andern Mutter zu Hilfe kam, ſodaß man dem oft erſtrebten Ziele, gelegentlich eine Mutter mehrere Kinder, wenigſtens zwei Kinder ſtillen zu laſſen, näher gekommen iſt. Der Wert der Stillprämie beträgt rund 18 ℳ (ein Liter drei Monate täglich a 20 Pf.); ſie wurde in der erſten Hälfte des laufenden Jahres 548 Müttern gewährt, und daraus ergibt ſich, daß 548 der 1416 verſorgten Kinder ganz oder wenigſtens teilweiſe von der Mutter geſtillt wurden. Für eine Großſtadt ein ſehr günſtiges Verhältnis! Es ge⸗ ſtaltete ſich auch die Entwicklung der beobachteten Kinder nach Ausſage der Arzte durchaus günſtig. Und nach den Monatsüberfichten, die unſer ſtädtiſches Statiſtiſches Amt herausgibt, iſt in unſerer Stadt eine außerſt günſtige Ziffer der Säuglingsſterblichkeit für Auguſt und September zu konſtatieren. Ich will von vornherein ſagen, daß ich dies mit größerem Vorbehalt als das Statiſtiſche Amt der Wirkſamkeit der Fürſorgeſtellen zuſchreiben möchte; es können dabei wirtſchaftliche Geſichtspunkte auch eine Rolle ſpielen. Ich will darauf hinweiſen, daß auch in anderen Städten eine gewiſſe Beſſerung der Säug⸗ lingsſterblichkeit zu beobachten war, und daß auf dieſe Dinge der Temperaturverlauf des Hochſommers großen Einfluß übt. Unſer Statiſtiſches Amt weiſt nach, daß in dieſem September nur 46 Kinder unter einem Jahre gegen 95 im September des vorigen Jahres geſtorben ſind, oder auf 1000 Lebendgeborene 106 gegen 233 im September des vorigen Jahres und 259 im September 1904. Das Statiſtiſche Amt fügt hinzu, daß dieſes Ergebnis „wohl der Fürſorge zuzuſchreiben ſei, die neuerdings hierſelbſt der zweck⸗ mäßigen Ernährung der Säuglinge und der Unter⸗ weiſung der Mütter zugewandt wird“. Aber ſelbſt wenn man das noch nicht als ganz beſtimmt an⸗ nehmen kann, ſo iſt doch kein Zweifel, daß wir uns auf einem richtigen Wege befinden, daß wir endlich begonnen haben, dieſe ſehr ſchwierige, ſehr große, aber auch ſehr wichtige Aufgabe der Hygiene der Erfüllung entgegenzubringen, und daß wir vor dem Würgengel, der jedes Jahr, insbeſondere jeden Sommer ganze Hekatomben von Säuglingen fordert, wenigſtens eine Anzahl Opfer bewahrt haben. Meine nt ich empfehle Ihnen dringend, die 20000 rund, die der Magiſtrat für das lau⸗ fende Etatsjahr dieſem Kapitel noch zuzuwenden Ihnen vorſchlägt, zu bewilligen, und ich mache Sie gleich darauf aufmerkſam, daß, wie ich aus den Be⸗ ratungen der Geſundheitspflegedeputation höre, eine weitere Steigerung für das nächſte Jahr in Ausſicht genommen iſt. IIber das wirkliche Bedürfnis wird uns erſt das nächſte Jahr vollen Aufſchluß geben können, weil erſt in ihm die Maßnahmen ſich auf alle Quartale gleichmäßig erſtrecken werden; man hat für den nächſten Etat 83 000 ℳ (gegen jetzt 44000 plus 20 000 — 64000) in Ausſicht ge⸗ nommen. Ich empfehle die Vorlage, da ich glaube, daß wir uns auf einem ſehr ſegensreichen Wege befinden. Stadtv. Vogel: Meine Herren, der Herr Vor⸗ redner hat bereits darauf hingewieſen, daß die günſtigen Verhältniſſe der Säuglingsſterblichkeit im vorigen Jahre nicht allein den Maßnahmen zuzu⸗ ſchreiben ſind, die die Stadt getroffen hat, ſondern 349 —— daß von einem weſentlichen Einfluß darauf die Witterung war. Eine Reihe heißer Nächte im Juli und Auguſt erhöhen die Säuglingsſterblichkeit mehr als ſonſt ein halbes Jahr. Iſt nun in einem Jahre ein ſolcher ungünſtiger Temperaturzuſtand vorhanden, ſind beſonders eine Reihe Nächte hintereinander ſehr heiß, dann nützen die Maßregeln nichts. Deshalb hat man gerade gegen dieſen Ubelſtand anderwärts andere Maßregeln mit gutem Erfolge ergriffen. In Newyork — da iſt es allerdings noch heißer als bei uns — gehen die Mütter mit den Kindern auf die Dächer und verbringen die Nächte dort oder in den Parks, oder ſie werden auf Schiffen hinausgefahren, es werden in der Woche mehrere Seefahrten bis an die Südküſte von Staten⸗Island veranſtaltet; ich will mich aber nicht weiter darüber verbreiten. Infolge dieſes Einfluſſes kühlerer Witterung war im Anguſt 1902 die Kinderſterblichkeit bei uns noch geringer, wie 1905, obgleich damals die neuen Ein⸗ richtungen noch nicht getroffen waren. Die Maß⸗ nahmen, die wir getroffen haben, ſind es alſo allein nicht, die den günſtigen Erfolg hervorgerufen haben; das dürfen wir uns nicht verhehlen. Ich möchte dieſe Maßnahmen noch von einer anderen Seite beleuchten Im vorigen Jahre oder im vorvorigen Jahre ſchon — war eine gemiſchte Deputation eingeſetzt zur Beratung von Maßregeln gegen die Säuglingsſterblichkeit. In dieſer gemiſchten Deputation war nicht der Antrag geſtellt, den Müttern 1 Liter Milch von Bolle zu geben, um das Selbſt⸗ ſtillen zu fördern — denn daß das notwendig ſei, darüber war man allgemein einverſtanden —, ſondern man hat ſich geſagt, das ſei nicht genügend, da bei vielen, ja man kann wohl ſagen: bei den meiſten Müttern die Notwendigkeit, etwas zu verdienen, ſie verhindere, ihre Kinder zu ſtillen; es iſt daher aus⸗ drücklich betont und beantragt worden, den ſtillenden Müttern eine Entſchädigung für entgangenen Lohn zu geben. Denn ſonſt ſind ſie nicht imſtande, ihre Kinder zu ſtillen. Wenn eine Mutter genötigt iſt, auf Lohnarbeit zu gehen, ſo kann ſie das nicht auf⸗ geben, wenn ſie auch ein Liter Milch erhält; denn ein Liter Milch genügt nicht, um ihre Lebensbedürf⸗ niſſe zu befriedigen und auf ihren Lohn verzichten zu können. Das Liter Milch würde ihr ja ganz recht ſein; aber ſie kann davon doch nicht leben mit ihrem Kinde! Sie muß alſo wieder auf Lohnarbeit gehen, und das verhindert ſie, ihr Kind zu ſtillen. Ganz derſelben Anſicht ſind auch die Arzte der Fürſorge⸗ ſtellen. Herr Dr. Bendix hat mir das noch geſtern geſagt: wenn man einer Frau, die auf Arbeit gehen muß, ermöglichen will, daß ſie ihr Kind ſelbſt ſtillt, ſo muß man ihr den Lohn erſetzen, nur dann iſt ſie imſtande, ihr Kind zu ſtillen. Das hat man auch in Berlin eingeſehen. In Berlin wird nicht nur Milch gegeben. Ich habe hier he Bericht über die Berliner Fürſorgeſtellen; da eißt es: 28 Mit Stillprämien wurden in den vier Für⸗ ſorgeſtellen zuſammen 1813 ſtillende Frauen unterſtützt; die Unterſtützung beſtand teils in Geld, teils in Nahrungsmitteln. — Ueberwiegend in Geld! — (Zuruf vom Magiſtratstiſch.) Der Bericht ſagt dann weiter: — Dieſe Form der Unterſtützung hat ſich als ſehr ſegensreich erwieſen. Die ſorgfältigen Er⸗ hebungen haben Amer daß ohne ſie eine oße Zahl von Müttern tatſächlich nicht in r Lage geweſen wäre, ihre Kinder zu nähren,