— 24 — da ſie zur geſteigerten Erwerbstätigkeit genötigt geweſen wären. Das meint auch Herr Dr. Bendir, ebenſo wie andere Arzte. Das Liter Milch iſt ja ſehr angenehm, wenn ſie es bekommen; aber diejenigen, die auf ge⸗ werbliche Arbeit angewieſen ſind, können deshalb nicht auf die Arbeit verzichten und ſind daher nicht imſtande, ihre Kinder zu ſtillen; ja ſie ſind ſogar genötigt, ſo bald wie möglich wieder auf Arbeit zu gehen, früher, als ſie eigentlich ſollten. Nach der Gewerbeordnung iſt eine Schonzeit von 6 Wochen vorgeſchrieben; die können viele aber gar nicht ab⸗ warten, weil ſie nicht wiſſen, wovon leben! ſie müſſen oft 4 Wochen, 3 Wochen, ja 14 Tage nach der Entbindung ſchon wieder arbeiten gehen, und wenn ſie an derſelben Stelle nicht wieder an⸗ genommen werden, weil die Zeit ſeit der Entbindung noch zu kurz iſt, ſo gehen ſie an eine andere Stelle. Dieſem Übelſtand wird mit dem Liter Milch nicht abgeholfen; da iſt durchaus eine bare Beihilfe not⸗ wendig. Es iſt auch in der gemiſchten Deputation K deſſen wird ſich der Herr Bürgermeiſter ent⸗ ſinnen — vorgeſchlagen worden, etwa bis zur Höhe von 6 — nicht durchgängig ſoviel, aber bis zu dieſem Satze — die Mütter zu unterſtützen; wenn man die Frau beſtimmen kann, bei einem geringeren Satze ſchon ihr Kind zu ſtillen, dann iſt es ja gut, aber bis zu 6 ℳ hatte ſich die Deputation geeinigt. Die Deputation hatte überhaupt vorgeſchlagen, gleich von vornherein 30 00 ℳ dafür in den Etat ein⸗ zuſetzen, und zwar zur Hälfte zur Ermöglichung kräftiger Ernährung Schwangerer, zur Hälfte für ſtillende Mütter; das hat der Magiſtrat dann auf die Hälfte reduziert. Darum möchte ich dringend bitten, daß die Mütter auch auf andere Weiſe unterſtützt werden, um ihnen das Stillen zu ermöglichen. Wir geben viele Summen für andere Zwecke aus, deren Wohl⸗ tätigkeitsziel nicht ſo ins Auge fällt wie gerade hier. Ich glaube, es würde nicht ſchwer ſein, auch noch weitere 1000 ℳ auszugeben, um die Mütter noch in anderer Weiſe zu unterſtützen als durch ein Liter Milch, d. h. mit Geld. Mir haben ferner mehrere Arzte der Fürſorge⸗ ſtellen, auch Herr Dr. Bendir, lebhaft ihr Bedauern darüber ausgeſprochen, daß noch immer keine Station für akut kranke Säuglinge errichtet worden iſt; und es wäre ſo leicht, ſagen ſie, gerade in den Fürſorge⸗ ſtellen ſelbſt, die genügend geräumig ſind, daß man ruhig 2 Betten für den Fall hinſtellen kann, daß einmal ein Fall akuter Krankheit vorkommt. Wenn ein ſolches Kind nicht ſofort in Behandlung ge⸗ nommen wird, ſo iſt es ſchnell verloren. Die Koſten ſind dann wohl etwas größer, aber unerſchwinglich ſind ſie nicht; es brauchen nur 2 Betten vorrätig ehalten zu werden, die ganz gut untergebracht werden önnen — hat mir Herr Dr. Bendir verſichert. Deshalb möchte ich beantragen, daß außer den in der Vorlage beantragten Beträgen noch 1000 ℳ für bare Unterſtützungen für ſtillende Mütter aus⸗ geworfen werden. Gegen bare Unterſtützungen haben freilich viele einen Horror, ja gegen jede andere Gabe als durch das Armenamt. Hat man ſich doch dagegen geſträubt, Kindern unentgeltlich eine Zahnbürſte zu geben, indem man prophezeite, das ſei der erſte Schritt in den Zukunftsſtaat. Meine Herren, wir ſchreiben doch das zwanzigſte Jahrhundert ſchon, nicht das achtzehnte oder febgehnte! Wir ſchreiten an immer vorwärts in die Zukunft! Ich beantrage alfo im Namen meiner Fraktions⸗ genoſſen noch 1000 ℳ für bare Unterſtützungen wenn anders das Selbſtſtillen nicht zu ermöglichen iſt auszuwerfen, und zweitens noch 2000 ℳ zur Er⸗ richtung von je 2 Betten in den Fürſorgeſtellen zur augenblicklichen Verpflegung von akut kranken Säug⸗ lingen. Ich bitte, die Anträge anzunehmen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, wenn ich mich in meiner Verwaltung jemals gefreut habe, mit unſeren Bürgerinnen zuſammen zu arbeiten, ſo iſt es in der Arbeit für die Säuglingsfürſorgeſtellen geweſen. (Bravo!) Denn hier erkannte der Mann ſehr bald die Grenze ſeiner Fähigkeit und ſeiner Erfahrungen. Ganz be⸗ ſonders habe ich mich über dieſe Zuſammenarbeit gefreut, als es ſich um die Erörterung der Still⸗ prämien handelte. Schon als wir das erſte Mal über die Frage der Stillprämien mit den Damen unſerer beiden Vereine verhandelten, ſtießen wir mit der Anregung bezw. dem Wunſche, erhebliche Bar⸗ mittel in Geſtalt von Stillprämien aufzuwenden, auf den lebhaften Widerſpruch faſt ſämtlicher Damen. Die Damen ſagten uns — und ſie haben Wort ge⸗ halten — mit Recht wir machen uns anheiſchig, und es wäre ſchlimm, wenn es uns nicht gelingen ſollte, auch ohne eine Barunterſtützung die Frauen zum Selbſtſtillen zu veranlaſſen. Der Erfolg iſt ſchon nach einem Jahre nach allgemeiner Auffaſſung außerordentlich erfreulich. Sie ſehen aus unſerer Vorlage, daß wir bereits in dieſem Jahre mehr als 12% der Frauen, die die Fürſorgeſtellen beſuchen, dahin gebracht haben, daß ſie ſelbſt ſtillen. Selbſt⸗ verſtändlich iſt damit das Ende noch nicht erreicht. Wir erwarten ja einen viel höheren Prozentſatz der ſelbſtſtillenden Mütter. Als wir die Stillprämien hier zum erſten Mal in der Verſammlung erörterten, ſchwebte uns eine Zahl von 50% vor. Nun, wenn man den Erfolg an dieſer Zahl mißt, wird man vielleicht noch nicht zufrieden ſein können; aber Sach⸗ verſtändige — und da kann ich mich wieder auf die Fürſorgeſtellenärzte beziehen — ſind mit dem Erfolge ihrer bisherigen Arbeit nach dieſer Richtung hin durchaus zufrieden. Gewiß, meine Herren, kann ich mehr erreichen, viel mehr, vielleicht in ſehr kurzer Zeit, wenn ich eine beſondere Prämie noch in barem Gelde auf das Selbſtſtillen ſetze. Daß das ein beſonders ideeller Standpuntt wäre, wird man nicht behaupten können. Aber felbſt das in Kauf genommen, man muß eben mit den Verhältniſſen der Welt rechnen, mit den realen Verhältniſſen, und manchmal auf ideale Ge⸗ ſichtspunkte verzichten: was der Herr Stadtv. Vogel jedoch mit 1000 ℳ — ſage und ſchreibe⸗ eintauſend Mark für Barzahlungen in Geſtalt von Stillprämien machen will, das iſt mir abſolut unverſtändlich. Meine Herren, Sie ſehen, daß wir im Monat Oktober über 1600 ℳä an Stillprämien in Geſtalt von Milch ausgegeben haben. Es kommt, wie errechnet worden iſt, etwas über 11 ℳ auf die ſtillende Mutter bei einer Gewährung von 1 bis 21 Milch auf 13 Wochen. 11 Mark pro Mutter auf 13 Wochen iſt rund 1 Mark auf die Woche, ſchon etwas reichlich gerechnet. Herr Stadtv. Vogel rechnet mit “6 % Baarunterſtützung, will aber mit ſich handeln laſſen und hat geſagt, es wären vielleicht auch 3 ℳ unter Umſtänden ausreichend. Die Fälle aber, in denen ihm 3 ℳ ausreichend erſcheinen würden, wären wahrſcheinlich zu zählen; in der großen Mehrzahl würde man mit 6 ℳ rechnen müſſen. Nun, bitte,