—— 344 — ordnetenverſammlung beſprochen worden iſt, warum jetzt die Frage wieder aufgerollt wird. Zunächſt muß ich dazu bemerken, daß mit der Frage der Feuer⸗ beſtattung der zweite Punkt der Anfrage, nämlich der des Baues zentraler Urnenhallen, eventuell auch unter der Erde, in Verbindung gebracht iſt. Ferner möchte ich daran erinnern, daß in der Zwiſchenzeit Fctonte. wichtige Begebenheiten ereignet haben. Das König⸗ reich Sachſen, von dem man gewiß nicht behaupten kann, daß ſeine Regierung gerade zu den liberalſten Regierungen Deutſchlands gehört, hat für ſeinen Bereich in Zukunft die Feuerbeſtattung erlaubt. Auch verſchiedene andere deutſche Bundesſtaaten haben das getan. Jedenfalls ſind genügend neue Momente vorhanden, um dieſer Frage ſein Augenmerk zu ſchenken, und ich glaube, wir haben gerade in unſerer Stadt, wo die Frage des Begräbnisweſens zeitweiſe einen geradezu deprimierenden Charakter angenommen hat — ich erinnere an die Kämpfe vor ein, zwei Jahren —, (ſehr richtig!) wo man ſchließlich kaum wußte, wohin die Leichen gebracht werden ſollten, alle Veranlaſſung, dieſer Frage näherzutreten. Meine Herren, man ſagt von anderer Seite: was wollt ihr denn? die preußiſche Regierung wird ſich ja doch nimmermehr dazu bekehren, dem Antrage entſprechend die Feuerbeſtattung zu erlauben. Nun, ich bin nicht gerade ſo ſehr optimiſtiſch geſonnen; aber immerhin habe ich doch das Vertrauen, daß auch die preußiſche Regierung, nachdem ringsherum in den deutſchen Landen und in den europäiſchen Staaten die Anſicht eine andere geworden iſt, im Laufe der Zeit ihren bisher eingenommenen Stand⸗ punkt ändern wird, und ich hoffe, daß die heutigen Debatten auch einige Steine zu dieſem Bau bei⸗ tragen werden. Es werden zunächſt immer — das iſt in den Debatten im preußiſchen Abgeordnetenhauſe ſeitens der Regierung und der konſervativen Partei ge⸗ ſchehen — die religiöſen Gründe angeführt. Es wird doch jetzt ſchließlich nur von ſehr wenigen behauptet — von ſehr wenigen! —, daß die Feuer⸗ beſtattung direkt den religiöſen Beſtimmungen des h Chriſtentums widerſpräche. Das iſt doch nur eine ſehr kleine Minorität, um die es ſich da handeln kann. Denn, meine Herren, wenn das nicht der Fall wäre, dann hätte es ja die preußiſche Regierung auch nicht geſtatten können, daß einzelne Leichenteile verbrannt werden! Seit einer Reihe von Jahren geſchieht das aber in Berliner Krankenhäuſern nach Amputationen uſw. Wenn man alſo in religiöſer Beziehung die Frage der Feuerbeſtattung mit leiblicher Auferſtehung in Verbindung bringen will, dann können Sie es ſich ja ausmalen, zu welchen Konſequenzen das führen würde. Ich möchte es nicht tun. ich möchte die Konſequenzen nur andeuten. Sodann haben die preußiſche Regierung und die Konſiſtorien den Geiſtlichen das Amtieren bei der Beiſetzung der Urnen geſtattet. Alſo nach dieſer Richtung hat die Geiſtlichkeit bereits nachgegeben. Nun möchte ich aber an die geiſtlichen Korpo⸗ rationen des Königreichs Preußen, beſonders an das preußiſche Kultusminiſterium doch ſehr dringend die Bitte richten, es ſich zu überlegen, ob es im Sinne religiöſer Betätigung liegt, in der Frage der Feuer⸗ beſtattung eine ablehnende Stellung einzunehmen. Ich meine, die Geiſtlichen hätten alle Urſache, dafür einzutreten, daß die Umſtände, die bei der heute allgemein üblichen Beſtattung das religiöſe Gefühl verletzen können, beſeitigt werden. Ich will nicht von der Verweſung, von den hygieniſchen Gründen ſprechen, nicht von den rein äſthetiſchen Gründen; die ſind vor zwei Jahren hier auch beſprochen worden. Aber, meine Herren, wie iſt es denn mit der Be⸗ ſtattung ſelber? Denken wir doch daran, welche Unruhe auf unſeren Kirchhöfen herrſcht! Da ſauſt ein Eiſenbahnzug vorbei, da fährt ein Omnibus entlang, da ertönt Geſchrei aus den an den Kirchhof grenzenden Hinterhäuſern! Iſt das noch eine würdige Form der Beſtattung in den Großſtädten, wie wir ſie auf den Kirchhöfen haben? Meines Erachtens iſt ſie das nicht; wenigſtens iſt ſie davon entfernt, ſo würdig zu ſein, wie ſie ſein könnte. Dazu kommt, daß die weiten Entfernungen, die die Lage der Kirchhöfe heutzutage bedingt, es geradezu verhindern, daß diejenigen den Leichen folgen können, die es möchten. Die Kirche hätte doch allen Anlaß, darauf zu ſehen, nachdem ihr von manchen Seiten vorgeworfen wird — ob mit Recht oder Unrecht laſſe ich dahingeſtellt, das geht uns hier nichts an —, daß ſie ihrerſeits dazu beitrüge, durch gewiſſe Maß⸗ nahmen die Kirchen zu entvölkern, — ſie hätte allen Anlaß, dafür zu ſorgen, daß nicht die Kirchhöfe entvölkert werden von den Leidtragenden. Meine Herren, wir haben allen Grund, auf eine Abhilfe zu dringen. Die Toleranz ſoll aber hier in erſter Linie ſtehen. Jeder, der ſich begraben laſſen will, — nun, der laſſe ſich begraben. Es iſt oft genug ausge⸗ ſprochen worden, daß die Anhänger der Feuer⸗ beſtattung nicht etwa die obligatoriſche Einführung der Feuerbeſtattung verlangen, ſondern daß ſie in toleranter Weiſe nur die fakultative Einführung wünſchen. Man könnte nun ſagen: wie kann den geſchil⸗ derten Mißſtänden abgeholfen werden? Wir haben doch in unſeren Großſtädten keinen Platz, verfügen doch nicht über derartig große in der Mitte gelegene Bauſtellen, um einen Zentralfriedhof anzulegen. Es ſchwebt zwar jetzt in der Luft, daß Charlottenbur in nicht zu ferner Zeit einen großen Gemeindefrteohnf — wenn ich nicht irre, in oder bei der Jungfern⸗ eide — bekommen ſoll. Aber, meine Herren, entfernt liegt dieſer Friedhof immer noch. Und dann möchte ich darauf hinweiſen, auch wenn dieſer Plan verwirklicht werden ſollte: wir Charlottenburger hängen doch mit den übrigen Vororten ſo zuſammen, daß uns nicht allein die Charlottenburger Kirchhöfe, ſondern ſämtliche Kirchhöfe Groß⸗Berlins imtereſſieren. Ich brauche gar nicht näher darauf einzugehen, wie wir alle beteiligt ſind, leider häufig beteiligt ſind an Begräbniſſen, die weit außerhalb Berlins ſtattfinden. Unwillkürlich denkt man daran, daß die Würde, die Ruhe der Beſtattungsplätze auch in der Großſtadt gewahrt werden könnte, wenn die Beſtattung unter die Erde verlegt würde. Wer in den Katakomben geweilt hat, wer einzelne Gräber von Fürſtlichkeiten beſichtigt hat, der wird ſich nicht des Gefühls haben erwehren können, wie dieſe Ruhe ſtimmungsvoll wirkt. Selbſtverſtändlich iſt dieſe Art der Beiſetzung für die Allgemeinheit bei der Erdbeſtattung unmöglich; derartig große Terrains unter der Erde, um ſa1 e Kirchhöfe anzulegen, werden wir nicht erlangen können; das iſt ausgeſchloſſen, wenn es auch die alten Römer vor Tauſenden von Jahren getan haben. Aber hier iſt der Punkt, wo die Art der Anlage der Kirchhöfe mit der Feuerbeſtattung zuſammenhängt. Sobald wir die Feuerbeſtattung fakultativ in Preußen ein⸗ geführt haben, wird es möglich, auch die Gedächtnis⸗