—— 345 — feiern und die Beiſetzung der Urnen unter der Erde ſtattfinden zu laſſen. Es iſt das möglich dank der techniſchen Fortſchritte der letzten Jahre. Meine Degen denken Sie nur an einen Raum von der röße eines Untergrundbahnhofs und berechnen Sie ſich einmal, wieviel Urnen dort beigeſetzt werden können1 Es geht in die Hunderttauſende. Ich habe ſelbſt eine kleine Rechnung darüber aufgemacht. Die Herſtellungskoſten eines ſolchen Raums ſind natürlich erheblic. Aber wenn wir hören, daß das Terrain für den Gemeindekirchhof bei der Jungfernheide 6 Millionen koſten ſoll, dann wird man zu der Uberzeugung kommen, daß mit einem ſolchen Aufwande die Anlage umfaſſender Hallen unter der Erde bewirkt werden kann, ohne da Schwierigkeiten entſtehen. Terrainkoſten kommen ja nicht in Frage, da die Hallen unter großen Plätzen, auch unter Kirchen angelegt werden könnten. Denken Sie ſich dort eine Kapelle eingerichtet, wo der Geiſtliche, frei von allem Lärm, ſeine Rede halten kann, wo das Publikum, geſchützt gegen Wind und Wetter, nicht den Übelſtänden der heutigen Kirchhöfe ausgeſetzt, der Leichenfeier beiwohnen kann, und denken Sie ſich auch, daß dort die Urnen dann in den Niſchen beigeſetzt werden, und daß man ſie jederzeit in Ruhe und bequem beſuchen kann: ich glaube, Sie werden die Vorteile dieſer Art der Beiſetzung nicht verkennen können. Und, meine Herren, eine Feierlichkeit, eine unbeſchreibliche Schön⸗ heit könnte darin liegen. Die Kanellen könnten würdig ausgeſtattet werden — leider nicht mit Blumen, das gebe ich von vornherein zu; echte Blumen würden ſich dort unten nicht halten, wenigſtens nur wenige. Aber trotzdem würde es möglich ſein, eine würdige Ausſchmückung herzuſtellen. Manche Herren werden in ihrem Innern über dieſen Gedanken lächeln. Ich habe indes im münd⸗ lichen Geſpräch mit manchen Gegnern der Feuerbe⸗ ſtattung im Laufe der letzten Jahre die Erfahrung gemacht, daß bei längerer Überlegung gerade dieſes Moment ſie zu Freunden der Feuerbeſtattung um⸗ gewandelt hat, und ich möchte auch nicht verſchweigen, daß, wie mir in den letzten Tagen zu Ohren ge⸗ kommen iſt, ein Verſuch in dieſer Richtung in allernächſter Zeit gemacht werden ſoll, und zwar in der Stadt Stettin. Die Stadt Stettin legt einen Gemeindefriedhof an mit Urnenhain über der Erde und mit Urnenhalle unter der Erde, ſoviel mir von einem Stettiner mitgeteilt worden iſt. Nun ſagen die Geiſtlichen vielfach — ich habe mit orthodoren Geiſtlichen darüber geſprochen, die ſich auf dieſen Standpunkt geſtellt haben —: wir ſind es ja gar nicht, die dagegen ſind, das find die Juriſten. Und die Juriſten allerdings ſagen immer: das ſind ja die Geiſtlichen. Wie Ihnen bekannt iſt, meine Herren, wird immer angeführt, daß man bei Einführung der Feuerbeſtattung nicht in dem Maße wie bei der Erdbeſtattung verhindern könnte, daß Verbrechen unentdeckt bleiben. Es iſt bei den Ver⸗ handlungen im Abgeordnetenhauſe ſchon oft darauf hingewieſen worden, daß die Zahl der Verbrechen eine ganz verſchwindende iſt, deren Entdeckung eventuell durch Ausgrabung erfolgen kann. Es ſind in den Jahren 1902 bis 1904, wenn ich recht berichtet bin, 15 Todesurteile auf grund von Ausgrabungen gefällt worden. Es iſt aber dem Wunſch der Freunde der Feuerbeſtattung, das Aktenmaterial einſehen zu dürfen, nicht entſprochen und daher nicht möglich geweſen feſtzuſtellen, wie viel Todesfälle durch Gift, wie viel durch Gewalt veranlaßt worden ſind. Auf ß Juſtizmorde auf der andern Seite wird angegeben, daß auf 600 000 Leichen eine Ausgrabung etwa ſtattfindet. Dieſen Zahlen gegenüber kann man doch nicht die einzelnen Straffälle ſo in den Vordergrund ſtellen, ſondern muß ſagen: die Menſchen haben doch in erſter Linie das Recht, ihren Anſchauungen nach behandelt zu werden. Sonſt könnte man mit demſelben Recht auch das Automobilfahren verbieten, weil neuerdings es ſich herausgeſtellt hat, daß manche Leute ein Automobilunglück als unauffälliges Verfahren be⸗ nutzen, um Selbſtmord zu begehen, ohne daß die Verſicherungsſumme für ihre Angehörigen verfällt. Ahnliche Beiſpiele könnte man mehrere anführen. Außerdem kann man auch darauf hinweiſen, daß Grund von Ausgrabungen ſtatt⸗ Mir iſt wenigſtens ein Fall mit⸗ in dem infolge der falſchen chemi⸗ der gefundenen Gifte ein Mann ver urteilt und erſt infolge der Entdeckungen eines italieniſchen Profeſſors über die Leichengifte, die Ptomaine, ſpäter freigeſprochen worden iſt, weil es ſich nicht um Pflanzengifte gehandelt hat, ſondern um die Leichengifte, die Ptomaine. — Nun ein viel wichtigerer Punkt! Die preußiſche Regierung müßte ja, wenn ſie konſequent wäre, um derartige Morde zu verhindern, doch nicht nur ver⸗ bieten, daß in Preußen Leichenverbrennungen ſtatt⸗ finden, ſondern ſie müßte verbieten, daß ein preußiſcher Staatsangehöriger ſich ver⸗ brennen läßt. Nur wenn ſie das verbietet, wenn die preußiſchen Staatsangehörigen ſich alſo nicht verbrennen laſſen dürften, dann kann ſie erreichen, was ſie erreichen will. Denn ſie kann ja keinen Menſchen verhindern, auf Grund der vorliegenden Geſetze, ſich in Gotha oder Hamburg oder ſonſt wo verbrennen zu laſſen; und daß jemand, der ein Verbrechen vegehen will, um eine Erbſchaft zu er⸗ halten von Tauſenden von Mark oder von Hundert⸗ tauſenden oder von Millionen, oder um einen Haß zu befriedigen, daß es dem auf die 200 Mark Bahn⸗ koſten ankommen ſoll, meine Herren, das glaube, wer will, ich nicht. Nun kommt in Betracht, daß die Anhänger der Feuerbeſtattung im Zuſammenhang mit der Forde⸗ rung ihrer Zulaſſung den Wunſch ausgeſprochen haben, daß die obligatoriſche Leichenſchau eingeführt wird, in dem Sinne, daß nicht der gewöhnliche Arzt, ſondern ein beamteter Arzt den Totenſchein ausgu⸗ ſtellen hat in ſeiner Qualifikation als Beamter. Man kann ja dieſe Qualifikation ſämtlichen rzten erteilen: aber der Arzt muß ſich in dem Moment, wo er den Leichenſchein ausfüllt, beſtimmte Fragen beantwortet, die auf dem Leichenſchein ſtehen müßten, bewußt ſein, daß er als Beamter handelt. Wenn das geſchieht, und wenn man, wogegen ich perſönlich gar nichts einzuwenden hätte, den Zuſatz machte, daß in Zweifelsfällen eine Sezierung der Leiche er⸗ folgen muß. dann würden viel mehr Verbrechen entdeckt werden, als heute bei der Erdbeſtattung und bei der heutigen Art der Ausſtellung des Toten⸗ ſcheines. Ich glaube, darin werden Sie mir zu⸗ ſtimmen müſſen. Nun iſt in den früheren Debatten auch von den Koſten geſprochen worden. Es iſt von dem Herrn Oberbürgermeiſter hervorgehoben worden, daß die Feuerbeſtattung ſich ſehr billig ſtellt. Nach den neueſten Angaben ſtellt ſie ſ0 in Paris für den Einzelfall auf drei Franken; in Japan noch billiger. das iſt aber eine andere Art der Feuerbeſtattung, zu der man hier kaum kommen könnte; im übrigen iſt gefunden haben. geteilt worden, ſchen Analyſe