—— 384 — bürgermeiſter, als die Anfrage verleſen wurde, daß es nicht in der Kompetenz des Magiſtrats liege, auf die dabei angeregte Materie irgendwie einzuwirken, weil es Polizeiſache ſei, und weil die Straßenpolizei dem Magiſtrat nicht unterſtehe. Er verweigerte alſo mit dieſer Motivierung eine Beantwortung auf die damals geſtellte Anfrage. Es handelte ſich damals darum, daß in einer vollkommen verkehrsloſen Straße Charlottenburgs, der Helmholtzſtraße, Charlottenburger Bürgerinnen, die in dieſer Straße ruhig ſtanden, in Ausübung eines ihnen ſtaatlich garantierten Rechtes, von der Polizei „im Intereſſe des Verkehrs“ fort⸗ gewieſen wurden. Nachdem der Magiſtrat erklärt hatte, er könne aus den angegebenen Gründen eine Beantwortung auf dieſe Frage nicht geben, hielt der Herr Stadtverordnetenvorſteher es für unzuläſſig aus denſelben Gründen, die Frage überhaupt auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenverſammlung zu ſetzen, und wir waren daher damals nicht in der Lage, über die Angelegenheit zu ſprechen. Ich bin ganz angenehm davon berührt, daß unſere inhaltlich gleiche Anfrage, die auch ähnliche Vorgänge betrifft, diesmal eine formell andere Be⸗ handlung erfährt, indem ſowohl der Magiſtrat ſich zur Beantwortung der Frage bereit erklärt, als auch der Herr Stadtverordnetenvorſteher gar kein Be⸗ denken gehabt hat, die Anfrage auf die Tagesord⸗ nung zu ſetzen. In der Tat kann es ja auch gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Stadtverord⸗ netenverſammlung nicht nur berechtigt, ſondern ge⸗ radezu verpflichtet iſt, Angelegenheiten zu erörtern, bei denen die garantierten Rechte der Bürger auf Benutzung ſtädtiſcher Straßen in ſchwerſter Weiſe beeinträchtigt werden. Der § 4 der Städteordnung ſagt ausdrücklich: Alle Einwohner des Stadtbezirkes ſind zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeindeanſtalten der Stadt berechtigt. Und in dem Kommentar zu dieſem Paragraphen ſteht: Offentliche Gemeindeanſtalten der Stadt ſind ſolche, welche im öffentlichen Intereſſe auf Grund beſtehender öffentlich⸗rechtlicher Ver⸗ pflichtungen zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, alſo zu polizeilichen Zwecken nach Maßgabe des beſtehenden Be⸗ dürfniſſes hergeſtellt werden. Dahin gehören Wege, Plätze, Beleuchtung derſelben c. Es unterliegt daher gar keinem Zweifel, daß nach der Auffaſſung dieſes Kommentators die Wege, die Straßen öffentliche Gemeindeanſtalten ſind. — Es iſt das die Städteordnung mit Erläuterungen von Dr. jur. Plagge, in einer neuen Auflage bearbeitet von Herrn Bruno Schulze, Stadtſyndikus von Char⸗ lottenburg. Nun iſt ja allerdings unſerer früherer Syndikus jetzt nicht mehr im Amte, aber die An⸗ ſchauungen des damaligen Stadtſyndikus von Char⸗ lottenburg darf man doch wohl als ſolche annehmen, die im Magiſtrat geteilt werden. Das Recht der Bürger auf die Benutzung der Straßen liegt alſo außer allem Zweifel. Aber in genau derſelben Weiſe, wie vor einigen Jahren in der verkehrsloſen Helmholtzſtraße „im Intereſſe des Verkehrs“ die Leute von der Straße weggewieſen wurden, in genau derſelben Weiſe werden jetzt am Nonnendamm im öffentlichen Ver⸗ kehrsintereſſe ſeitens der unteren Polizeiorgane die Leute gehindert, auf der Straße ſich aufzuhalten, ja, ſie werden geradezu gehindert, die Straße zu benutzen. Die Fälle ſind außerordentlich zahlreich, in denen die Beſchwerden an uns gelangt find. Man könnte ſagen, warum beſchweren ſich denn die Betreffenden nicht an der unmittelbar zuſtändigen Stelle, beim Polizeipräſidium? Nun, auch das iſt geſchehen. Ich habe hier auch die Antwort, die der Herr Polizeipräfident auf eine ſolche Beſchwerde er⸗ laſſen hat. Es heißt hier: * *, Auf die am 2. d. M. mündlich bei mir vor⸗ gebrachte Beſchwerde, erwidere ich nach Prüfung der Rechts⸗ und Sachlage ergebenſt, daß mir das Verhalten der Beamten zu Ausſtellungen keinen Anlaß gegeben hat. Nachdem einwand⸗ frei feſtgeſtellt worden iſt, daß Streikpoſten durch ihr Auftreten Störungen der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit hervorgerufen haben, waren die Beamten nicht nur berechtigt, ſondern auch verpflichtet, ſolche Störungen ab⸗ zuſtellen. Dieſe Antwort iſt überhaupt keine Antwort auf die Beſchwerde; denn die Beſchwerde ging nur einerſeits dahin, daß eine Arretierung aus keinem anderen Grunde ſtattgefunden hat, als weil der Betreffende dort Streitpoſten geſtanden hat. Der Herr Polizei⸗ präfident erklärt allerdings: durch Streikpoſten find Unruhen hervorgerufen worden — ein Beweis dafür iſt überhaupt nicht zu erbringen, denn es trifft tat⸗ ſächlich nicht zu —, und er erklärt infolgedeſſen das Verhalten der Beamten für berechtigt. Aber die Be⸗ ſchwerde ging weiter dahin, daß dieſer betreffende Mann, nachdem er arretiert war, auf der Polizei⸗ wache ohne weiteres und ohne jede erſichtliche Not⸗ wendigkeit bis um Uhr abends feſtgehalten worden iſt. Und derartige Fälle find außerordentlich zahlreich. Da iſt z. B. ein Mann morgens um 7 Uhr vom Polizeileutnant aufgefordert worden, die Stelle zu verlaſſen. Es iſt nicht erſichtlich, warum. Der Herr Polizeileutnant ordnet das eben an im „Intereſſe des Verkehrs“ oder, wie der Herr Polizei⸗ präſident annimmt, „weil durch Streitpoſten ſchon Unruhen vorgekommen ſind.“ Da der Mann nicht ſchnell genug den Bürgerſteig verließ, wurde er von dem Polizeileutnant ohne weiteres auf die Wieſe heruntergeſtoßen und, als er ſich erhob — er war dabei gefallen —, für verhaftet erklärt. Er wurde nach der Wache gebracht und dort von morgens um 7 Uhr bis nachmittags um ¼6 Uhr feſtgehalten. Daß hier irgend eine Notwendigkeit zu einem der⸗ artigen Feſthalten vorlag, wird doch kein Menſch behaupten wollen. — In einem andern Falle wurde ebenfalls morgens um 7 Uhr ein Mann, der Streik⸗ poſten ſtand, nach der Wache gebracht und bis um e6 abends dort feſtgehalten, obwohl er ein Zeugnis vorwies ſeitens eines Charlottenburger Arztes und der Maſchinenbauerkaſſe, der er angehörte, daß er wegen eines Ohrenleidens um ⅝4 Uhr nachmittags zum Arzt beſtellt ſei. Es ſcheint eben generelle An⸗ ordnung zu ſein, daß. wer arretiert wird, bis um ?6 Uhr abends auf der Wache zu halten iſt, wahr⸗ ſcheinlich weil dann die Arbeit in der Fabrik zu Ende iſt. Ein Mann, der morgens um 7 Uhr arretiert wurde, hörte auch auf der Polzeiwache den Leutnant ausdrücklich ſagen: Die Parole lautet: wer arretiert wird, hat bis ⅝6 Uhr auf der Wache zu bleiben! (Heiterkeit.) Meine Herren, ein anderer Fall! Ein Schutz⸗ mann hält 5 Leute an, die den Nonnendamm paſſieren wollen, worauf einer derſelben ſagt: nun gut, dann wollen wir durch den Wald gehen und wollen uns auf dem Polizeipräſidium beſchweren. Sofort ſagt der Schutzmann: ich verhafte Sie jetzt wegen Auf⸗