—— 386 — erreichen, daß die Polizei von ihrem ungeſetzlichen Vorgehen abläßt. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Vorſteher Roſenberg: Der Herr Interpellant hat gemeint, ich hätte in derſelben Angelegenheit früher eine andere Haltung eingenommen. Das trifft nicht zu. Der Antrag des Herrn Stadtv. Dr. Zepler, auf den Herr Stadtv. Dr. Borchardt Bezug nimmſ, lautete: Die Stadtverordnetenverſammlung proteſtiert gegen das Verhalten und die UIbergriffe der Polizei gegenüber Arbeiterinnen, welche in der Nähe der Fabrik von Siemens und Halske Streikpoſten ſtanden. Die Verſammlung beſchließt, den Magiſtrat zu erſuchen, bei der Polizeidirektion wegen dieſer Vorkommniſſe vorſtellig zu werden und ihr den Proteſt der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung zu übermitteln. Dieſen Antrag habe ich nicht zugelaſſen, weil ich gemeint habe, daß er keine Gemeindeangelegenheit betreffe. Der vorliegende Antrag enthält meines Erachtens eine Gemeindeangelegenheit. Wenn der Herr Stadtv. Dr. Borchardt bei Einbringung ſeines Antrages mir geſagt haben würde, es ſei ganz dieſelbe Angelegenheit wie die, die Herr Stadtv. Dr. Zepler damals beantragt hatte, ſo weiß ich nicht, wie ich mich verhalten haben würde. Das Wort hat jetzt der Herr Oberbürgermeiſter. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, der Magiftrat ſteht auch heute noch auf dem Stand⸗ punkt, daß es ſich hier in dieſer Angelegenheit, wo es ſich, wie ich wohl ohne Widerſpruch feſtſtellen darf, um das Vorgehen der Polizei gegen Streilpoſten handelt, die die ſozialdemokratiſche Partei ausgeſtellt auf dem Nonnendamm hatte, um eine polizeiliche Maßnahme handelte, in welcher weder die Stadt⸗ verordnetenverſammlung noch der Magiſtrat zuſtändig iſt. Der Umſtand, daß auf den § 4 in der An⸗ frage Bezug genommen worden iſt, hat den Magiſtrat veranlaßt, auf die Sache inſoweit näher einzugehen, ob eine Straße, wie der hier in Frage kommende Nonnendamm, oder die Straßen überhaupt eine Gemeindeanſtalt ſind. Darüber kann man füglich ſtreiten. Ich ſtehe nicht auf dem Standpunkt des früheren Stadtſyndikus, der in dem Kommentar, der verleſen iſt, niedergelegt iſt, daß die Straßen Gemeinde⸗ anſtalten ſeien. Denn wenn das wäre, dann wäre es unmöglich, daß es öffentliche Straßen gäbe, die nicht im Eigentum der Stadtgemeinde ſtehen. Da das aber der Fall iſt, können die Straßen nicht Gemeindeanſtalten ſein. Aber ganz abgeſehen davon, ob man zu der einen oder zu der andern Anſicht kommt, ſo wird man auch, wenn man auf dem Standpunkt des Herrn Kommentators ſteht, ſagen müſſen, daß dieſer Paragraph 4, welcher lautet: Alle Einwohner des Stadtbezirks ſind zur Mitbenutzung aller öffentlichen Gemeindeanſtalten der Stadt berechtigt, natürlich nur verſtanden werden kann unter Vorbehalt der Geltung derjenigen geſetzlichen Beſtimmungen, die den § 4 beſchränken, und da ſolche Geſetzes⸗ beſtimmungen für die Polizei beſtehen, der nämlich die Sorge für die Ruhe, Sicherheit und Ordnung auf den Straßen und für den Verkehr auf den Straßen durch Geſetz übertragen worden iſt, ſo iſt das Mitbenutzungsrecht, das die Städte und ihre Bürger haben, ein beſchränktes; es iſt nicht unbe⸗ ſckränkt, ſondern die Mitbenutzung iſt nur ſoweit geſtattet, als die Polizei auf Grund ihrer Befugniſſe ſie zuläßt. Die ſtädtiſchen Verwaltungen ſind in Bezug auf Beſtimmungen des Benutzungsrechts der Straßen. inſoweit die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung und der Verkehr in Frage kommen, ausgeſchaltet. Da tritt eine andere ſtaatliche Behörde, die Polizei, ein. Da nun hier die Interpellation ſich gerade auf dieſes Mitbenutzungsrecht richtet, ſo iſt aus meinen Ausführungen klar, daß nicht die Stadtgemeinde, ſondern die Polizei hier zuſtändig iſt. Auf die einzelnen Fälle, die Antwort des Herrn Polizeiprafidenten, die Kritik derſelben, lehne ich cs deshalb ab einzugehen. Ich bin dazu nicht be⸗ rechtigt, ich bin vielmehr venpflichtet, mich in dem geſetzlichen Rahmen zu halten. Ich leyne es ferner ab und weiſe es zurück, wenn der Herr Stadtv. Dr. Borchardt dem Magiſtrat unterſtellt, daß er eingeſchritten wäre, wenn in einem ſolchen Fall bemittelte Bewohner in Frage ge⸗ kommen wären. (Oho! bei den Sozialdemokraten. — Sehr richtig! bei den Liberalen und der Freien Vereinigung.) Das iſt eine Behauptung, die vollſtändig aus der Luft gegriffen und ohne Beweis geblieben iſt. (Sehr gut!) Ich weiſe es zurück, daß der Stadtv. Borchardt dem Magiftrat unterſtellt, daß er mit zweierlei Maß meſſe. Zu dieſer Behauptung hat er auch nicht die mindeſte Veranlaſſung. Alſo, meine Herren, wir ſind nicht zuſtändig, in dieſer Frage eiwas zu tun, und ſind nicht gewillt, den Geſetzen des Staates entgegen unſere Zuſtändigkeit aus eigener Begehrlichkeit auszudehnen. Wenn die Polizei, was theoretiſch möglich iſt, ſich nicht in den Grenzen ihrer Befugniſſe gehalten hat, ſo mögen die einzelnen Perſonen, welche glauben, daß ihnen Unrecht geſchehen ſei, ſich bei der Polizei und den weiteren Inſtanzen, die der Polizeibehörde übergeordnet ſind, beſchweren. Das iſt ihr gutes Recht; aber das iſt auch ihre Pflicht, wenn ſie glanben, daß ihnen Unrecht geſchehen iſt, — ebenſo wie es ihrer Pflicht meines Erachtens nicht entſpricht, wenn ſie die Angelegenheit vor eine unzuſtändige Behörde bringen. Vorſteher Roſenberg: Ich habe vorhin überhört, daß Herr Stadtv. Dr. Borchardt dem Magiſtrat imputiert habe, er würde eingeſchritten ſein, wenn es ſich um Perſonen gehandelt hätte, die den be⸗ mitielten Kreiſen der Bürgerſchaft angehören. Dieſe Bemerkung war unzuläſſig und widerſpricht der Ordnung, die in dieſem Saale zu herrſchen hat. Herr Stadtv., Dr. Borchardt hat die Be⸗ ſprechung beantragt. Ich ſtelle die Unterſtützungsfrage. (Eine Anzahl Stadtverordneter erheben die Hand.) Es ſind mehr als fünf Herren. Die Beſprechung iſt bewilligt. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, Sie werden es begreiflich finden, daß meine Freunde von der Beantwortung nicht befriedigt ſein können. Denn die Beantwortung ſagt weiter nichts, als, da der Magiſtrat nicht zuſtändig iſt, direkt polizeiliche Be⸗ fugniſſe auszuüben, daß er es ablehne, auch auf dem Wege des Vorſtelligwerdens auf eine Abſtellung etwaiger Mißſtände auf dieſem Gebiete hinzuwirken. Meine Herren, geſtatten Sie mir, bei der Gelegenheit mein Bedauern auch darüber auszu