— 387 ſprechen, daß ich eine Wendung gebraucht habe, die der Ordnung dieſes Hauſes widerſpricht. Es liegt mir durchaus fern, dem Magiſtrat irgendwie imputieren zu wollen, daß er mit vollem Bewußtſein bei An⸗ gelegenheiten bemittelter Bürger anders handelt wie bei Angelegenheiten unbemittelter Bürger. Wenn das in meiner Außerung gefunden werden ſollte, nehme ich es rückhaltlos zurück. Andererſeits, meine Herren, habe ich doch die Überzeugung, daß nach dem ganzen Anſchauungskreiſe, nach den ganzen Lebensintereſſen, die ſich auch bei den Mitgliedern des Magiſtrats geltend machen, unrechtmäßige Ein⸗ griffe ſeitens der Polizeibehörden in die Rechte be⸗ mittelter Bürger ſtärker empfunden werden und zu Vorſtellungen Anlaß geben, und, meine Herren, für dieſe meine Anſchauung kann ich auf einen beſtimmten Präzedenzfall hinweiſen. Denn ganz kurz, nachdem jener Antrag des Herrn Kollegen Zepler vor einigen Jahren nicht zur Verhandlung kommen konnte aus dem Bedenken der Zuſtändigkeit beraus gegenüber der Polizei, ganz kurz nachdem kam eine andere Anfrage an den Magiſtrat, bei der es ſich ebenfalls um Dinge handelte, die der Zuſtändigkeit der Polizei unterliegen, nämlich um eine Bauordnung. Es wurde ſeiteus bemittelter Kreiſe der Bürgerſchaft eine drohende Bauordnung als außerordentlich un⸗ bequem und ihre vermögensrechtlichen Intereſſen berührend empfunden, und es murde eine Anfrage hier an den Maaiſtrat gerichtet, ob er nicht Schritte unternehmen wolle, dieſe drohende Bauordnung zu beſeitigen. Innerhalb der Befugniſſe des Magiſtrats lag das auch nicht; aber der Magiſtrat gab damals allerdings eine Erklärung ab, er beantwortete die Interpellation, und die Angelegenheit wurde hier eingehend erörtert. Nun, meine Herren, kann ich alſo, wie geſagt, mit der Antwort nicht zufrieden ſein, daß der Magiſtrat auch den Weg der Vorſtellung nicht be⸗ ſchreiten will, und aus der Antwort des Magiſtrats ſcheint mir deutlich hervorzugehen, aus welchem, ſagen wir, Mißverſtändnis heraus der Magiſtrat dieſen Weg nicht beſchreitet. Ich ſehe ab von der Anßerung, daß die Straßen nicht Gemeindeanſtalten ſeien, weil es auch Privatſtraßen gebe; denn danach würden auch ſtädtiſche Badeanſtalten nicht Gemeindeanſtalten ſein, weil es auch Privatbadeanſtalten gäbe. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten). Aber ich ſehe davon ab. Dasjenige, was mir den Magiſtrat zu leiten ſcheint, ſcheint der Umſtand zu ſein, daß der Magiſtrat oder der Vertreter des Magiſtrats, welcher die Anfrage beantwortet hat, die Angelegenheit für eine parteipolitiſche zu halten ſcheint. Der Vertreter des Magiſtrats — der Herr Ober⸗ bürgermeiſter — hat ausdrücklich ageſagt, es handle ſich um Streitpoſten, die geſtellt waren ſeitens der ſozialdemokratiſchen Organiſation. Und in der Tat, wenn für den Herrn Oberbürgermeiſter, und wenn im Magiſtrat die Anſchauung maßgebend iſt, daß es ſich hier um parteipolitiſche Angelegenheiten handelt, und daß die Polizei hier Maßnahmen trifft gegen Angehörige einer beſtimmten Partei, dann würde ich zwar die Antwort des Herrn Oberbürgermeiſters immer noch nicht billigen, ſie würde mir aber einiger⸗ maßen verſtändlich werden. Billigen würde ich ſie auch dann nicht können, weil auch die Mitglieder der ſozialdemotratiſchen Partei nach Erlöſchen des Sozialiſtengeſetzes durchaus gleichberechtigte Bürger ſind und den Anſpruch der gleichen Behandlung vor dem Geſetz haben, und weil auch ſie den Anſpruch haben, daß, wenn ihre Rechte von der Polizei in Charlottenburg verletzt werden, der Magiſtrat ſich mit Vorſtellungen an die Polizeibehörde wendet. Aber, meine Herren, ſo liegt die Sache gar nicht. Ob dieſe Leute, die dort Streitpoſten ſtehen, Sozial⸗ demokraten ſind, das weiß ich nicht; ich vermute es, ich hoffe es; denn ich nehme an, daß verſtändige Arbeiter, die ſich ihrer Intereſſen bewußt ſind, die ſich öffentlich betätigen, immer der ſozialdemokratiſchen Partei angehören; (oho! bei den Liberalen) aber etwas Näheres darüber können wir nicht ſagen; wir haben die Leute, die zu uns kamen, danach nicht gefragt; und ob die Dame, die dort an dem Aufſuchen ihrer Wohnung gehindert wird, nun auch partei⸗ politiſch ſich betätigt, weiß ich nicht. Deswegen, meine Herren, kann ich nur noch einmal dem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß der Magiſtrat ſich auf den Standpunkt ſtellt, wenn die übermächtige Polizei in die geſetzlichen Rechte eingreift, muß er ruhig zuſehen. Wir müſſen uns damit beſcheiden, können aber dem Magiſtrat ver⸗ ſichern, daß der übergrößte Teil der Bevölkerung Charlottenburgs ein ſolches Sichbeſcheiden gegenüber der Polizei, gegenüber allem, was mit ſtaatlichen Befugniſſen ausgekleidet iſt, nicht gerade als etwas der Stadt Charlottenburg und ſeiner oberſten Leitung, des Magiſtrats, Würdiges empfinden wird. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, ich habe mich nicht zum Wort gemeldet, um mich mit dem Herrn Kollegen Dr. Borchhardt über den Verſtand der Arbeiter und die politiſche Zugehörigkeit der Arbeiter infolge ihrer Verſtandesreflektion zu unterhalten; ich will mich auch in die rechtlichen Fragen hier nicht einmiſchen. Ich möchte aber dem Herrn Kollegen Dr. Borchardt recht geben, daß unter Umſtänden die Eingriffe der Polizei Verhältniſſe ſchaffen können, die der Kommune gewiſſermaßen es zur Pflicht machen, ihrerſeits zum Schutz der Bürger bei der Polizei bezw. den höheren Inſtanzen vorſtellig zu werden. Es iſt ja wohl denkbar z. B., daß die Polizei Maßregeln ergreift, die dem Bürger der Kommune nicht mehr die Möglichkeit laſſen, ſich frei auf den Straßen bewegen zu können. (Na alſo! bei den Sozialdemokraten.) Ich möchte z. B. an den Fall erinnern, daß die Polizei nicht genügend ihres Amtes auf den Straßen waltet, daß ſie ihre Pflicht vernachläſſigt und nicht für Ruhe und Ordnung auf den Straßen Sorge trägt. Dann, meine ich, wird die Kommune gewiß die Verpflichtung haben, bei den betreffenden Inſtanzen vorſtellig zu werden, um die Polizei anzuhalten, für ſo viel Schutzleute Sorge zu tragen, daß die Bevölkerung ſich auf den Straßen ungeſtört bewegen kann. Hier haben wir es nun aber mit einem Fall ganz beſonderer Art zu tun. Nicht weil es ſich um Streikpoſten handelt. Ich will auch gar nicht weiter feſtſtellen, welcher politiſchen Partei die Betreffenden angehört haben. Tatſächlich aber hat die Polizei hier nicht Verkehrsſtörungen hervorgerufen, die der Kommune Veranlaſſung geben könnten, bei den höheren Inſtanzen vorſtellig zu werden, ſondern die Polizei hat ſich in unliebſame Auseinanderſetzungen eingelaſſen mit einzelnen Per⸗ ſonen, hat dieſe in der Wahrnehmung, ſagen wir mal, ihrer wirtſchaftlichen Intereſſen, ſo wie ſie ſie auffaſſen, geſtört, und da iſt es mir denn allerdings mehr als zweifelhaft, ob die Kommune die Pflicht oder auch nur das Recht hat einzugreiſen, ob man es nicht vielmehr den betreffenden Perſonen über⸗