—— 389 — In dieſer Magiſtratsvorlage heißt es von den Privat⸗ begräbnisanſtalten, „oei denen das Publikum Ge⸗ bühren für die einzelnen Leiſtungen zahlen muß, deren Höhe ſich den Umſtänden nach weder in der Zeit zwiſchen dem Eintreten des Trauerfalls und dem Begräbnis vereinbaren, noch nachträglich kon⸗ trollieren läßt.“ Mir iſt geſtern ein Fall, der in allerneuſter Zeit hier paſſiert iſt, mitgeteilt worden: Ein Herr wurde tötlich vom Schlage getroffen und die Leiche nach der Unfallſtation Zoologiſcher Garten gebracht. Darauf hat man ein Privatinſtitut beauf⸗ tragt, die Leiche von der Unfallſtation nach der Geisbergſtraße zu transportieren, wofür folgende Rechnung aufgemacht worden iſt: Für das IIberführen von der Unfallſtation nach der Geisbergſtraße 48 , für einen Zinkſarg, der alſo nur zur IIberführung der Leiche von der Unfallſtation nach der Wohnung benutzt wurde, 80 ℳ., zuſammen 128 ℳ. Den Zinkſarg, welchen man zurückgeben wollte, hat man nicht zurückgenommen, weil er angeblich nicht wieder benutzbar wäre. Meine Herren, lehrreich und wahr erſcheint mir, was Lindemann in ſeiner „Deutſchen Städteverwaltung“ an einer Stelle ſagt. Ich bitte um die Erlaubnis, Ihnen das kurz verleſen zu dürfen — In den Gemeinden, wo Privatunternehmer unumſchränkt das ganze Gebiet der Leichen⸗ beſtattung beherrſchen, übernehmen dieſe meiſt die Vornahme der vorgeſchriebenen Anzeigen, die Lieferung des geſamten erforderlichen Apparates und Perſonals, kurz das ganze Be⸗ gräbnis in Generalentrepriſe. Es liegt auf der Hand, daß das Publikum für ſie dabei nichts anderes als Ausbeutungsgegenſtand iſt, aus dem ſie den größtmöglichen Profit herauszu⸗ holen bemüht ſind. Bei den billigen Beerdi⸗ gungen der ärmeren Klaſſen die lüderlichſte, würdeloſeſte Ausführung, die oft zum Skandal wird, auf der anderen Seite ein überladener Pomp mit oft protzenhaftem Zeremoniell, die beide nur die Koſtenrechnung ins Grenzenloſe hinaufzutreiben beſtimmt find. Dazu treibt dann noch die Konkurrenz unter den Unter⸗ nehmern ihre häßlichen Blülen. Sargmagazine, Gärtnereien, Fuhrunternehmer überſchütten die trauernde Familie mit ihren Anerbietungen, und das ſtille Haus der Trauer verwandelt ſich in einen Jahrmarkt, wo ſich die Profitjagd in ihrer widerlichſten Geſtalt aufdrängt. Hier ein⸗ zuſchreiten, iſt die erſte Pflicht der Gemeinde. Ich glaube, wir haben täglich Gelegenheit, Bei⸗ ſpiele für dieſe Behauptungen zu ſehen. Ich erinnere Sie an die widerliche Reklame auf unſeren Stadt⸗ bahnhöfen, wo ungeheuer große Särge angemalt ſind, die mir wenigſtens nicht angenehm zu ſehen ſind. Ich erinnere Sie ferner an den verkehrreichen Punkt in der Kantſtraße, wo die Joachimsthaler⸗ ſtraße abgeht: links Scylla, rechts Charyodis man kommt nicht vorbei, ohne die Särge ſich dort anſehen zu müſſen. Meine Herren, auch wir ſind der Meinung, daß die Gemeinde die Pflicht hat, hier einzuſchreiten. Unſer Antrag lautet nun folgendermaßen: Die Unterzeichneten halten die Ausübung ſtädtiſcher Aufſicht über das Begräbnisweſen für dringend erforderlich. Demzufolge wolle die Stadtverordnetenverſammlung beſchließen, den Magiſtrat zu erſuchen, 1. Erhebungen darüber anzuſtellen, welche Ge⸗ meinden und in welchem Umfange dieſelben ſich dieſer ſozialen Aufgabe bereits unter⸗ zogen haben; 2. der Stadtverordnetenverſammlung über Punkt 1 bis zum 1. April 1907 Bericht zu erſtatten Ich möchte mir den Punkt 2 abzuändern erlauben. Der Magiſtrat iſt ſo außerordentlich überlaſtet, daß ich ſtatt der Worte „bis zum 1 April 1907“ das Wort „baldmöglichſt“ geſetzt haben möchte. Meine Herren, als ich dieſen Antrag formulierte, hat mir einer meiner näheren Freunde geſagt: ja, halten Sie denn das für eine ſoziale Aufgabe? — Das ſind die Worte, die in dieſem Antrage gebraucht ſind. — Nun, ich meine, Ordnung ſchaffen auf einem Gebiete, mit dem ſchließlich jeder mal zu tun hat, das ſcheint mir eine ſehr wichtige ſoziale Aufgabe zu ſein. Mein Antrag muß aber auch bei denjenigen Herren Annahme finden, die nicht auf dem Stand⸗ punkt ſtehen, daß die ſtädtiſche Aufſicht dringend erforderlich ſei; denn der Antrag will ja vorläufig nur eine Enquete zur Klärung der Lage. Wenn der Bericht eingegangen ſein wird, und je nach dem Aus⸗ fall desſelben ſteht es jedem von uns frei, diejenigen Anträge zu ſtellen, die ihm im Intereſſe der Sache geboten erſcheinen. Ich bitte Sie alſo, dem vor⸗ liegenden Antrage Ihre Zuſtimmung zu geben. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, wir ſind ja an ſich ſehr gern bereit, dem Wunſch des Herrn Referenten, wenn die Stadtverordneten⸗ verſammlung ihn zum Beſchluß erhebt, Folge zu geben und eine Enquste anzuſtellen. Ich fürchte nur, es wird wenig Zweck haben. Wie wollen wir uns eine Einwirkung der Stadt auf diejenigen Be⸗ gräbnisplätze z. B. denken, die im Eigentum der Kirchengemeinde ſtehen! Wir haben ja gar kein Recht, einzugreifen und z. B. die Tarife zu beſtimmen oder anzuordnen, wie die Beerdigung zu handhaben iſt, in was für Särgen oder dergleichen mehr. Ich wüßte keine Beſtimmung, die der Stadtverordneten⸗ verfammlung ein ſolches Recht rebus sic stantibus einräumte, ſo wie die Dinge einmal liegen, wo die Kirchengemeinden Herren der Friedhöfe ſind. Ich kann mir nur den einen Fall denken — und mit dieſem habe ich auch in meiner früheren Stellung in Nordhauſen operiert —, daß die Gemeinde einen Kommunalfriedhof anlegt. (Sehr richtig!) Wenn ſie das tut, dann iſt ſie in der Tat in der Lage, eventuell unter Zuhilfenahme einer Polizeiver⸗ ordnung, das ganze Begräbnisweſen zu regeln, namentlich aber auf den Friedhöfen maßgebende Be⸗ ſtimmungen zu treffen, die Tarife feſtzulegen und alle die Dinge zu ordnen, die damit im Zuſammen⸗ hange ſtehen. Das haben wir damals in Nord⸗ hauſen auch gemacht, und das wollen wir ja auch hier machen. Wenn uns das gelingt, meine Herren, dann iſt es die ſelbſtverſtändliche Folge, daß wir den Wünſchen des Herrn Referenten nachkommen. Aber bis wir das durchgeſetzt haben, will es mir doch zweckmäßiger ſcheinen, wenn wir vorläufig unſere ganze Kraft erſt einmal auf die erſte Frage, auf die Vorausſetzung der ganzen Angelegenheit, nämlich auf die Einführung von Kommunalfriedhöfen ſetzen und unſere Kraft nicht vorzeitig in Dingen zerſplittern, von denen wir uns von vornherein ſagen müſſen, daß ſie nicht zweckmäßig ſind. Wenn Sie eine Enqucte beſchließen, meine Herren, werden wir ſie ſelbſtverſtändlich anſt⸗llen. Aber ich glaube unſer