47 Berichterſtatter Stadtv. Klick: Meine Herren, nachdem wir erſt im Oktober des vergangenen Jahres zirka 18000 ℳ zur Verſtärkung des Armenetats be⸗ willigt haben, ſind jetzt wiederum 20 300 ℳ erforder⸗ lich, um eingetretene ÜUberſchreitungen des Armenetats zu decken. Gerade beim Kapitel Armenweſen werden ſich ja IIberſchreitungen ſehr ſelten vermeiden laſſen, da ſch die Ausgaben bei Aufſtellung des Etats ſehr ſchlecht firieren laſſen. Sie erſehen aus der der Vor⸗ lage beigegebenen Begründung, zu welchen Zwecken die einzelnen Beträge gebraucht werden. Erſtens ſollen 2000 ℳ mehr eingeſtellt werden für die Unterbringung von Pflegekindern in den An⸗ ſtalten. Dieſe Summe iſt einesteils durch die erhöhte Aufnahmefähigkeit des Waiſenhauſes Luiſenandenken entſtanden; andererſeits ſind auch der Prinz Karl⸗ Stiftung mehr Knaben überwieſen worden. Weiter wer⸗ den 7000 ℳ gefordert zu Pflegegeldern für Kinder, die ſich in Familienverpflegung befinden. Der Mehr⸗ bedarf erklärt ſich wohl hauptſächlich durch den Be⸗ ſchluß der Deputation für die Waiſenpflege, die Pflege⸗ gelder der Kinder im erſten Lebensjahre von 21 auf 25 ℳ zu erhöhen. Ferner ſind für Arzneien uſw. 500ℳ mehr ausgegeben worden, ſodann für Milch 2000 ℳ mehr. Es werden monatlich 1200 gebraucht, und da in den Etat nur 12000 ℳ eingeſtellt waren, ſind weitere 2000 ℳ erforderlich um die Milch in der bisherigen Weiſe abgeben zu können. Für die Unterbringung von unheilbaren Lungenkranken in Anſtalten ſind 3500 ℳ erforderlic. Es war uns bis jetzt nicht möglich, wegen der weiten Entfernung, in der ſich dieſe Lungenheilſtätten von Charlottenburg befinden, Kranke dort hinzubringen. Seit der Errichtung der Anſtalt Burg Daber bei Wittſtock iſt es aber möglich, Lungenkranke in dieſer Anſtalt unterzubringen. Das iſt auch geſchehen, zur Zeit befinden ſich dort 11 Pa⸗ tienten. Dies erfordert eine Mehrausgabe von 3500 ℳ Die zum Schluß aufgeführte Summe von 5300 ℳ iſt zum Ausbau der Familienhäuſer notwendig. Ich kann mich hier wohl auf das Gutachten, das vom Stadtarzt Dr. Simſon abgegeben worden iſt, beziehen, und möchte Ihnen einige ſeiner Beobachtungen hier vorführen. Er ſagt, daß die Säle im Familienhauſe zur Auf nahme der Obdachloſen vollſtändig ungeeignet ſind, hauptſächlich deswegen, weil ſie zu ſtark belegt ſind. Es befinden ſich in den einzelnen Sälen 16 bis 18 Perſonen, teilweiſe auch noch mehr. Der vor⸗ handene Raum wird noch durch die Aufſtellung von Möbeln und Hausgeräten beengt. Dadurch, daß zu gleicher Zeit von 4 Frauen in den einzelnen Sälen gekocht wird, wird die Luft ſehr verſchlechtert. Ge⸗ radezu entſetzlich wird aber die Luft in den Abend⸗ und Nachtſtunden infolge der Ausdünſtungen und der nicht rechtzeitig beſeitigten Entleerungen der Kinder. Ein großer Mißſtand liegt ferner darin, daß, wie ſchon erwähnt, ſich die Kocheinrichtungen in den Sälen befinden; außerdem liegen die Kloſetts unmittelbar neben den einzelnen Wohnungen. Die einzelnen Wohnungen liegen immer zu zweien zuſammen, und man muß von der einen in die andere hineingehen. Es ſind eigentlich alſo nur Durchgänge, worin die Einzelfamilien wohnen. Dadurch, daß eiſerne Ofen ſich in den Zimmern befinden, liegt auch eine große hygieniſche Gefahr für die Kinder inſofern vor, als ſie ſich ſehr leicht verbrennen können. Weiter hat der Arzt beobachtet, daß, wenn in einem Saale irgend ein Kind an einer Infektionskrankheit erkrankte, die übrigen Kinder trotz ſofortiger Iſolierung des Er⸗ krankten von derſelben Krankheit befallen wurden. Er hegt daher Sorge, daß beim eventuellen Ausbruch einer Diphtherieepidemie ſich unhaltbare Zuſtände er⸗ geben werden, die für die Bevölkerung von ſchwer⸗ wiegenden Folgen begleitet ſein können. Meine Herren, Sie werden ſich erinnern, daß wir gelegentlich der vorjährigen Etatsberatung den Antrag geſtellt hatten, mit dem Bau des Aſyls für Obdachloſe zu beginnen. Die Pläne und Zeichnungen für den Bau waren fertig. Auch die Summe von 162000 ℳ zum Bau desſelben war in der letzten Anleihe mit enthalten. Unſer Antrag wurde damals abgelehnt. Ich glaube, daß bei einer eventuellen Wiederkehr unſeres Antrages dieſes Gutachten uns veranlaſſen wird, mit dem Bau des Obdachloſen⸗ Aſyls zu beginnen; denn ſolche Zuſtände ſind doch unhaltbar. Gerade Charlottenburg, das ſich hinſicht⸗ lich ſeiner ſanitären Einrichtungen rühmen kann, eine der erſten Stellen unter den deutſchen Großſtädteu einzunehmen, dürfte ſolche Zuſtände, wie ſie dort herrſchen ſollen, nicht unbeachtet laſſen. Im übrigen kann ich nur beantragen, dieſe Etats⸗ IIberſchreitungen zu bewilligen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Folgende Etatsnummern des Ord. Kapitel v für 1906 werden in Höhe der bei den einzelnen Nummern angegebenen Beträge aus laufenden Mitteln des Jahres 1906 verſtärkt: . Ord. v 1—22a Pflegegelder für Kinder in Anſtalten . 2000 ℳ 1—2b desgl. in Familienver⸗ pflegung in Charlotten⸗ burgg. 7000, 2. Ord. 3—52 Arzneien pp. . 500 „ 3— 5b Milch .. 2000 „ 3. Ord. V 3—9 Unterbringung von un⸗ heilbaren Lungen⸗ kranken in Anſtalten . 3500 „ 4. Ord. v 6—8 Inſtandhaltung der Fa⸗ milienhäuſer . 5300 „ insgeſamt 20300 .) Vorſteher Roſenberg: Punkt s der Tagesordnung: Vorlage betr. Verſtärkung von Etats⸗ nummern des Ord. Kapitel vI für 1906. Druckſache 55. Stadtv. Dr. Landsberger: Meine Herren, wenn auch ein Referent für dieſe Angelegenheit nicht be⸗ ſtellt war, ſo möchte ich doch zu dieſer Forderung, die durch ihre Höhe vielen von uns etwas auffällig erſchienen iſt, ein paar Worte ſagen. Die geforderte Nachbewilligung von 9000 ℳ iſt im weſentlichen durch den zweiten Teil der geforderten Mehraus⸗ gaben bedingt; 5000 ℳ ſind eine Summe, die im Vergleich zu der überhaupt im Etat feſtgeſtellten von 6500 ℳ eine ungewöhnliche Höhe bedeutet. Die Begründung, die die Magiſtratsvorlage gibt, erſcheint im Verhältnis zur Höhe der Summe und zu den Unſtimmigkeiten, die zwiſchen dem Etatsan⸗ ſatz und der Überſchreitung ſich geltend machen, etwas gering, und wenn auch die Krankenhausdeputation die Uberſchreitung für begründet erachtet hat, ſo muß es doch Zweifel erwecken, woher dieſe enormen Mehr⸗ ausgaben gekommen ſind. Nun iſt ja allerdings von vornherein zu ſagen, daß die Belegung der in Frage kommenden Abteilungen in dem Krankenhauſe Kirch⸗ ſtraße nach der Begründung der Vorlage vielfach