53 handelt, beſchäftigt uns nicht zum erſten Mal. Wir haben im Jahre 1905, allerdings nach einer Aus⸗ ſchußberatung, und nachdem dieſer Ausſchuß ſich die Kolonie Hoffnungstal ſelber angeſehen hatte, einen Betrag von 3000 ℳ für dieſe Kolonie bewilligt. Dieſe damals nur in den Anfängen beſtehende Kol on ie, die ſich die Aufgabe geſtellt hat, obdach⸗ loſe Vagabunden und ſolche, die unverſchuldet in Not geraten ſind, durch Gewährung von Arbeit wieder in eine richtige bürgerliche Poſition zu bringen, hat ſich bedeutend erweitert und iſt von 50 Aſuliſten oder Teilnehmern auf 330 ſeitdem ge⸗ ſtiegen. Selbftverſtändlich ſind auch die Koſten be⸗ deutend größer geworden, und ſo wird uns hier vom Magiſtrat vorgeſchlagen, dieſer Kolonie einen einmaligen weiteren Beitrag von 10000 % zu be⸗ willigen. Der Antrag des Herrn v. Bodelſchwingh, der ja mit ſeinem Komitee hinter dieſer ganzen Sache ſteht, ging viel weiter; er wünſchte eine jähr⸗ liche Unterſtützung von 15000 Jℳ. Wir haben ſeinerzeit Bedenken gehabt, einmal Bedenken, die ſich auf den ſpezifiſch kirchlichen Charakter dieſer ganzen Veranſtaltung, dann auf die ſtarke Reklame bezogen, die in nicht ganz taktvoller Weiſe für dieſe Sache gemacht worden war, und weiter Bedenken, die ſich richteten auf den Erfolg, der durch ſolche kleine Maß⸗ regeln doch überhaupt gezeitigt werden könnte. Die Bedenken ſind zum Teil — ich will ſagen: zum großen Teil — damals zerſtreut oder wenigſtens gemäßigt worden. Ich kann aber der heutigen Vorlage auch nicht ohne weiteres ein bewilligungsfreudiges Ja ent⸗ gegenrufen, ſondern möchte Sie bitten, dieſe Vorlage wiederum einem Ausſchuſſe, vielleicht von 9 Mit⸗ gliedern, zu überweiſen. Aus der Begründung vom 26. Auguſt 1905, die der Magiſtrat damals dem Antrag auf Bewilli⸗ gung von 3000 ℳ zugefügt hat, will ich Ihnen einen Satz vorleſen. Damals hieß es: Ob der Verſuch, durch die neue Kolonie das Vagabundentum zu bekämpfen, im aroßen den erhofften Erfolg haben wird, läßt ſich natürlich ſchwer vorausſagen. vorbehalten, die Kolonie hilfen zu unterſtützen. In der heutigen Begründung vermiſſe ich eigent⸗ lich den Nachweis, den der Magiſtrat hier verſprochen hat, daß nämlich ein ſolcher Erfolg tatſächlich ein⸗ getreten ſei, das Vagabundentum in irgend erheb⸗ licher Weiſe zu bekämpfen. Im Gegenteil äußert ſich der Magiſtrat wiederum etwas ſkeptiſch; er ſagt: er hat nicht verkannt, daß ein wirkſames Entgegen⸗ treten der Bettelplage durchaus den ſtädtiſchen Inter⸗ eſſen entſpricht, daß es aber unmöglich von einer Gemeinde allein aufgenommen werden kann, wenn es Erfolg verſprechen ſoll. Alſo, eine große Über⸗ zeugung davon, daß die Sache gelingen wird, ſehe ich auch in der heutigen Begründung nicht, und da wäre es doch intereffant, wenn wir einmal von un⸗ befangener Seite einen Nachweis, eine Statiſtik darüber erhielten bzw. im Ausſchuß uns verſchafften, in welcher Weiſe denn dieſe ſeit 1905 beſtehende Kolonie, die bedeutende Mittel auch von ſeiten der Stadt Berlin und des ganzen Kreiſes erhalten hat, der Bettel⸗ und Vagabundenplage abgeholfen hat. Ich finde in den Akten eigentlich nichts weiter als eine Behauptung des Herrn v. Bodelſchwingh, die ich natürlich keineswegs irgendwie in Zweifel ſtellen will, die mir aber nach dem ganzen Zuſammen⸗ hange, in dem ſie gefallen iſt, nicht ohne weiteres den Wert einer ſtatiſtiſchen Auskunft zu enthalten mit weiteren Bei⸗ Gelingt er, ſo bleibt ſcheint. In der Predigt oder in der Anſprache, die Herr Paſtor v. Bodelſchwingh ſeinerzeit bei Ein⸗ weihung der von Seiner Majeſtät dem Kaiſer dieſer Kolonie geſchenkten Kirche hielt, ſprach er davon, daß im Jahre 1905 46 667 Obdachloſe weniger im ſtädtiſchen Aſyl in Berlin Unterkunft verlangt hätten. Das ſcheint mir eine ſo bedeutſame und gewaltige Summe, ſelbſt wenn man in Betracht zieht, daß ja täglich die Zahl der Obdachloſen ſich auf mehrere tauſend jedesmal beläuft, daß immerhin eine Statiſtit darüber von gewiſſem Werte ſein würde. Dieſe Statiſtik würde am beſteu wohl darch Nachfrage im ſtädtiſchen Aſyl bei Stadtrat Fiſchbeck und ebenſo im Aſyl in der Wieſenſtraße in Berlin zu erlangen ſein. Das wäre die erſte Aufgabe der Kommiſſion. Die Kommiſſion hätte dann zweitens ſich viel⸗ leicht auch mit der Art und Weiſe zu beſchäftigen, in der Herr v. Bodelſchwingh die Mittel für ſeine Anſtalt aufbringt. Er wendet ſich dabei, wie wir ſehen, zwar durchaus an die leiſtungsfähigen Stadt⸗ und Kreisverbände; aber er verſchmäht auch die kleinen Mittel nicht, und wenn ich auch nicht ver⸗ kenne, daß bei einer ſolchen Aufgabe ſelbſtverſtänd⸗ lich auch das kleinſte Scherflein einem für ſeine Sache begeiſterten Manne willkommen ſein wird, ſo iſt doch die Art und Weiſe, wie dieſe Summen auf⸗ gebracht werden, vielleicht nicht ganz im Sinne der Wohlfahrtspflege, wie wir ſie verſtehehen. Herr v. Bo⸗ delſchwingh hat nämlich den Unfug, daß an den Türen fortwährend Reiſende oder Bettler klingeln, dadurch zu verſcheuchen geſucht, daß an ihrer Stelle jetzt Kollektanten des Herrn Paſtors von Bodel⸗ ſchwingh klingeln. (Heiterkeit.) Dieſe Kollektanten gehen ſelbſtverſtändlich auch wiederum nur dahin, wo ſie offene Türen finden, alſo nicht in die verſchloſſenen Häuſer des Weſtens, ſondern gerade in die großen Mietskaſernen, und ſuchen dort den Obolus auch des Armen und das Scherflein der armen Witwe für dieſen edlen Zweck dienftbar zu machen. Ich verkenne nun gar nicht, daß aewiß dieſer Zweck beſſer iſt, als vielfach die Beſtimmung der Groſchen iſt, die ſonſt von unſeren Hausfrauen einem ſolchen Bettler gegeben zu werden pflegen. Aber das Kollektantenweſen ſelbſt iſt doch auch ökonomiſch ſo wenig vorteilhaft, daß man dringend wünſchen müßte, es würde durch eine verſtärkte Für⸗ ſorge des Kreiſes oder der Provinzialverbände und der Städte ſelbſt erſetzt. Ich glaube, das würde auch Herrn v. Bodelſchwingh ſelber keineswegs etwas Unangenehmes ſein; denn er wird auch wohl dieſes Kollektantenunweſen als etwas nicht ganz Würdiges empfinden. Zwölf Mann haben z. B. in einer Woche vom 1. bis 7. Auguſt 1906 summa summarum einen UÜberſchuß von 59,60 ℳ. abge⸗ liefert, (hört, hört!) nachdem ſie natürlich 12 bis 13 Stunden treppauf treppab gelaufen waren und an den Türen kollektiert hatten. Natürlich haben ſie nicht bloß 59,60 ℳ eingenommen, ſondern da ſie aus dem Ertrage ihrer Kollekte mit 3 ℳ pro Tog von Herrn Paſtor v. Bodelſchwingh bezahlt wurden, ſo haben ſie summa summarum 311,66 ℳ geerntet, d. h. ſie haben 80 % des Geldes, das ſie kollektiert haben, einfach für ihre Einſammlung verbraucht. (Hört, hört!) Das iſt unökonomiſch und nicht ſchön.