66 Stadtu. Dr. Hubatſch: Meine Herren, es iſt nicht meine Abſicht, auf die Einzelheiten des Etats einzugehen. Ich möchte nur mit einigen Worten im allgemeinen die Stellung charakteriſieren, die meine Freunde und ich zu dem Etat einnehmen. Zunächſt aber möchte ich dem Herrn Kämmerer gegenüber meiner Hochachtung Ausdruck geben. Der vorgelegte Etat ſcheint mir ein ganz vortreffliches Werk zu ſein. Damals, als es ſich darum handelte, eine beſondere Stelle für einen Kämmerer zu ſchaffen, hatte ich das Bedenken, daß nach dem Muſter mancher preußiſcher Finanzminiſter unſern Etat ein ſtarker fiskaliſcher Hauch durchwehen würde, ſo daß zwar der Stadtſäckel gute Tage hätte, daß aber die ſozialen und allgemeinen Kulturaufgaben, die der Siadt von Jahr zu Jahr in immer größerem Umfange erwachſen, beeinträchtigt werden würden. Ich bekenne zu meiner größten Freude, daß meine Befürchtungen grundlos geweſen ſind. Der Herr Kämmerer hat bewieſen, daß die Fürſorge für das finanzielle Wohl der Stadt ſich ſehr gut vereinen läßt mit dem Intereſſe für den Kulturfortſchritt auf allen Gebieten der Verwaltung. Freilich iſt es für einen Kämmerer der Stadt Charlottenburg nicht leicht, die Gegenſätze, die in dem Etat zum Ausgleich kommen müſſen, zur richtigen Balancierung zu bringen. Auf der einen Seite wird er gehemmt durch die Notwendigkeit, mit einer Gemeindeſteuer von nur 100 % zu rechnen — denn darin ſind wir ja wohl alle einig, daß wir dieſe Grenze durchaus nicht überſchreiten dürfen, ſolange Berlin und die andern Nachbargemeinden ſich auf dieſem Standpunkt halten —; (ſehr richtig!) ferner wird er gehemmt durch die wachſende Laſt des Schuldendienſtes, die die vielen Millionen⸗ anleihen mit ſich gebracht haben. Er iſt alſo gezwungen, mit größter Sparſamkeit zu Werke zu gehen. Auf der andern Seite wiederum reizt der vorwärtsdrängende Trieb, der Charlottenburg in kaum zwanzig Jahren aus einer beſcheidenen Mittelſtadt zu einer recht anſehnlichen Großſtadt emporgehoben hat, zu immer größeren Aufgaben und Unternehmungen; und was bei einem beſchränkten und beſcheidenen Stadthaushalt als ein entbehrlicher Luxus angeſehen werden könnte, wie z. B. die Asphaltierung großer Straßenzüge, die reichliche Beleuchtung, die Aus⸗ ſchmückung der Promenaden und Plätze, die ſtattlichen und architektoniſch beachtenswerten Bauten, die eleganten Brücken uſw., — das alles erſcheint uns jetzt ſchon als eine ſelbſtverſtändliche Leiſtung, und die Forderungen und Vorſchläge, die von allen Sciten dieſes Hauſes kommen, mehren ſich von Jahr zu Jahr. Es iſt daher für den Kämmerer gewiß ſchwer, ohne Störung der fortſchrittlichen Entwickelung der Stadt genan und beſtimmt die Grenze zu finden, bis zu der die Beſchränkung der Steuereinnahmen nur zu gehen geſtattet. Meine Herren, es werden gewiß im Ausſchuß eine ganze Menge von Wünſchen, Forderungen, An⸗ regungen und Anträgen geltend gemacht werden. Auch wir haben mancherlei Wünſche, die wir gern erfüllt ſehen, ſo z. B. daß das ſeit Jahren ſchon in Ausſicht genommene zweite Volksbad nun endlich greifbare Geſtalt gewinnen möchte, ferner daß die Errichtung neuer höherer Lehranſtalten beſchleunigt, daß das Fortbildungsſchulweſen erweitert, daß auch die Wald⸗ ſchulen vermehrt werden möchten, daß Geneſungs⸗ heime und Heilſtätten verſchiedener Art errichtet, daß die Fürſorge für die körperliche Pflege der Jugend in größerem Umfange vorgenommen, vor allem, daß geräumige und leicht erreichbare Spielplätze für die Kinderwelt geſchaffen werden möchten und anderes mehr. Aber wir wollen nicht vergeſſen, daß bei der Unzuträglichkeit der Erhöhung der Gemeindeſteuer und bei der Unmöglichkeit, ſofort neue Einnahme⸗ quellen flüſſig zu machen, die Leiſtungsfähigkeit der Stadt doch eine deutlich erkennbare Grenze hat. Wir wollen daran denken, daß die Erfüllung eines koſtſpieligen Lieblingswunſches, den wir etwa in einem Kapitel geltend machen könnten, die notwendige Folge hat, daß in einem andern Kapitel erhebliche Abſtriche gemacht werden müſſen. In dem vorgelegten Etat nun ſind unſeres Er⸗ achtens eine Reihe fortſchrittlicher Forderungen in maßvoller und unſeren finanziellen Verhältniſſen entſprechender Weiſe erfüllt. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß der 11 1 Ausſchuß davon nichts abſtreichen wird. Wir hoffen auch, daß der Ausſchuß die Einnahmequellen, die für die Durch⸗ führung dieſer Aufgaben durchaus notwendig ſind, nicht beſchränken wird; und wir hegen zu dem Herrn Kämmerer das Vertrauen, daß er mit derſelben Feſtigkeit und Geſchicklichkeit, mit der er ſein Werk aufgebaut hat, es im Ausſchuß auch zu verteidigen wiſſen wird. (Bravo! bei der Freien Vereinigung.) Stadtv. Kaufmann: Meine Herren, ich ſtimme mit dem Herrn Vorredner darin vollkommen überein, daß ich dem Magiſtrat beziehentlich dem Herrn Kämmerer volle Anerkennung zolle, den diesjährigen Etat glücklich balanciert zu haben. Es iſt natur⸗ gemäß, daß dabei viele Forderungen, die uns ſpeziell am Herzen liegen, in den Hintergrund treten mußten, weil die Decke eben zu kurz iſt; man kann ſie an der einen Seite wegziehen, aber an der andern Seite wird dann die Stelle bloß ſein. Wir müſſen uns nach der Decke ſtrecken, und deshalb freue ich mich jetzt doppelt, daß Herr Kollege Hubatſch dem⸗ jenigen Gedanken Ausdruck gegeben hat, den ich mir ſchon in der vorjährigen Etatsberatung hier zu ſtreifen erlaubt habe, dem Gedanken, daß die Ge⸗ meinden mit den jetzt beſtehenden Steuern an der Grenze ihrer Leiſtungsfähigkeit anlangen, daß aber ſelbſtverſtändlich an dem Satze von 100% ſolange nicht gerüttelt werden kann, bis nicht in Groß⸗Berlin der gleiche Gedanke allgemeine Anerkennung finden wird. Ich bin davon durchdrungen, daß über kurz oder lang Groß⸗Berlin gemeinſchaftlich dieſen Weg beſchreiten muß, weil wir nicht durch die finanzielle Grenze, die durch die Konkurrenz der einzelnen Gemeinden untereinander gezogen ift, Dinge Not leiden laſſen wollen, die wir tatſächlich als erreichbar erſtreben müſſen. Ich möchte insbeſondere in Anerkennung der ſozialen Fürſorge, die trotz unſerer knappen Mittel in dieſem Etat nicht vernachläſſigt worden iſt, einzelne Dinge aus dem Etat hier hervorheben. Mit Freude haben wir namentlich geſehen, daß die Schulbedürfniſſe von dem Magiſtrat beſonders berückſichtigt worden ſind. Der Herr Kämmerer hat erwähnt, daß für den Volksſchulbau eine höhere Summe wie im Vorjahre eingeſtellt worden iſt, daß wir eine Gemeindedoppelſchule in dieſem Jahre bauen werden. Ich möchte dem hinzufügen, daß ich zu meiner Freude im Etat auch die Poſitition habe entſprechend unſerm vorjährigen Beſchluſſe zur