haben, nur aus einer Küche oder einem Gewerberaum beſtehen, die man eigentlich keine Wohnung nennen kann, und darunter befinden ſich auch noch 15 mit Schlafleuten und 1 mit einem Einmieter. Daß dieſe Verhältniſſe die ſchlimmſten Folgen haben müſſen, kann ſich wohl jeder ſelbſt erklären. Daß dadurch, daß die beſchräntteſten Wohnungen am dichteſten bewohnt ſind, nicht nur ſanitäre Schäden, ſondern auch ſittliche entſtehen und immer mehr zu⸗ nehmen werden, je mehr dieſe Verhältniſſe ſich ausbreiten, liegt doch auf der Hand. Die Einwirkung auf die Bevölkerung iſt ſehr verſchieden. Sie können ſich denken, meine Herren, daß diejenigen, die am ſchwächſten ſind, dieſen ſchäd⸗ lichen Einwirkungen den geringſten Widerſtand bieten und den größten Schaden erleiden werden. Und wer iſt das? Das ſind die kleinen Kinder, die Säuglinge. Wenn auch in der letzten Zeit einige Maßnahmen zu ihrem Schutz, zur Beſeitigung der Sterblichkeit unter ihnen getroffen worden ſind, ſo iſt doch die Gefahr immer noch vorhanden. Hauptſächlich erſtreckt ſich die Säuglingsſterblichkeit auf die Sommermonate. Es iſt ſchon früher auch von mir angeführt worden, daß ſie von der Nahrung abhängt. Aber davon abgeſehen, daß die Sterblichkeit unter den Bruſtkindern geringer iſt, ſo leiden ſie doch ebenſo unter der Hitze. Das können Sie aus der Statiſtik der Sterblichkeit erſehen, wenn man die einzelnen Monate in Betracht zieht. Die Sterblichkeitszifferr — und zwar beziehen ſie ſich auf Darmkrankheiten — ſind folgende: im Ja⸗ nuar 1905 10, im Februar 7, im März 6, im April 7, im Mai 12, im Juni 25, im Juli 57, im Auguſt 85 Säuglinge, die an Brechdurchfall geſtorben find. Dann nimmt es wieder ab: September 21, Oktober 17, November 10, Dezember 13. Im vorigen Jahre war die Steigerung im Auguſt etwas geringer. Sie iſt eben nicht in allen Jahren gleich, das hängt von der Hitze ab; die Temperatur iſt ja auch in den einzelnen Jahren verſchieden. Je größer die Hitze, deſto größer die Opfer an jungen Menſchenleben. Steigt das Thermometer auf 20 Grad, dann ſterben Tauſende von Kindern im Lande. Man weiß ja auch, daß die Erwachſenen unter der großen Hitze leiden. Wir ſchützen die Soldaten gegen Hitzſchlag; dagegen werden Maßregeln getroffen. Wenn 20 Grad ſind, bekommen die Schulkinder außer den ſonſtigen Ferien frei. Aber die ganz kleinen Kinder, die Säuglinge der Armſten, bekommen keine Hitzeferien, die müſſen in ihrem Bettchen, in ihrem Steckkiſſen, in ihrer Wiege oder ihrem Korbe liegen bleiben in den Wohnungen der vierten Etage, wo die Glut der Sonne ſich beſonders bemerkbar macht. Da iſt es doch kein Wunder, daß die Folgen nicht ausbleiben, und daß dieſe Kleinen, wo ſchon der Erwachſene zu leiden hat, noch zehnmal mehr leiden müſſen. Alſo gerade zum Schutze der Kinder und natürlich auch der anderen Mitmenſchen vor den ſchlimmen Folgen des Aufenthalts in ſolchen Wohnungen hielten wir es für notwendig, Maßregeln zu ergreifen. Man kann ja nun ſagen, daß die Einführung einer ſolchen Wohnungsinſpektion eine ungenügende Maßregel ſei. Das gebe ich zu. Es iſt aber der Anfang zu wirkſameren Maßregeln, und einmal muß doch ein Anfang gemacht werden. Meine Herren, wir gehen jetzt wieder der heißen Jahreszeit entgegen. Sie haben es in der Hand, ob Sie weitere Maßregeln ergreifen wollen, die dem Hinſterben vieler unſchuldiger Kinder Einhalt zu tun imſtande ſind, oder ob Sie dieſe Zuſtände noch weiter beſtehen laſſen wollen. 176 —— Oberbürgermeiſter Schuſtehrns: Herr Stadtver⸗ ordneter Vogel hat gewünſcht, unter Klarlegung der ſtatiſtiſchen Verhältniſſe, wie ſie bei uns leider auch beſtehen, eine Auskunft darüber zu erhalten, wie weit die Frage der Einrichtung eines Wohnungs⸗ amtes gediehen ſei. Mitte Oktober, glaube ich, war es, als ich Ihnen auf eine Interpellation die Aus⸗ kunft erteilte, daß etwa in einer Woche eine Denk⸗ ſchrift über die Errichtung eines Wohnungsamtes vorliegen würde. Dieſe, Denlſchrift iſtam 23. Oktober vorigen Jahres beendet und in ſo vielen Exemplaren gedruckt worden, daß ſie auch mit einer bezüglichen Vorlage, die noch ergehen wird, den Stadtverordneten zugänglich gemacht werden wird. 3 Sie iſt, dann an die einzelnen Mitglieder der zuſtändigen Deputation für Geſundheitspflege zum Studium — die Denkſchrift iſt ziemlich umfangreich — verteilt worden, und es iſt darauf am 14. Dezember die Geſundheitspflege⸗ Deputation zu einer Sitzung, in welcher die in der Denkſchrift umerbreiteten Materien beſprochen werden ſollten, eingeladen worden. Die Sitzung hat ſtatt⸗ gefunden, und die Deputation hat ſich ſehr eingehend in vielſtündiger Beratung über die Grundſätze und Anſichten, die in der Denkſchrift niedergelegt ſind, unterhalten. Sie iſt zu dem Entſchluß gekommen. den ſtädtiſchen Körperſchaften die Einrichtung der Wohnungsaufſicht in Verbindung mit einem Wohnungsnachweiſe zu empfehlen, (Sehr gut!) und zwar iſt dieſe Zuſtimmung einſtimmig und mit der größten Lebhaftigkeit ausgeſprochen worden. (Bravo!) Es wurde ferner beſchloſſen, daß in Bezug auf die nähere Ausführung zunächſt mit einer Anzahl von Städten Verbindung geſucht werden ſollte — das iſt geſchehen —, und daß weiter die Grundſätze und Ordnungen ausgearbeitet werden ſollten, um den Gedanken in die Praxis zu überſetzen. Die Auskünfte von den Städten ſind eingegangen, und die Entwürfe über die aufzuſtellenden Grundſätze und die zu erlaſſenden Ordnungen ſind ausgearbeitet und liegen vor. Es ſind zunächſt die Grundſätze zuſammengeſtellt über die an die Wohnungen in hygieniſcher Hinſicht zu ſtellenden Anforderungen, in Bezug auf die Belegung der Räume zur Verhütung der Überfüllung, Berhütung des Schlafſtellenun⸗ weſens uſw. Dieſe Grundſätze ſind in einer Ordnung, die 24 Paragraphen umfaßt, enthalten. Es ſtellte ſich ſodann heraus, daß die Polizei⸗ verordnungen über das Schlafſtellenweſen einer Er⸗ gänzung bedürfen. Auch dieſe Polizeiverordnung iſt ausgearbeitet worden. Dabei möchte ich gleich hier einſchalten, daß ſich die Geſundheitspflege⸗Deputation auch darüber einſtimmig klar geworden iſt, daß die neue Einrichtung niſcht einen polizeilichen Charakter, ſondern den Charakter einer Wohlfahrtseinrichtung tragen ſoll, und daß ſoweit es irgend möglich iſt, jeder polizeiliche Zwang ausgeſchloſſen ſein und man verſuchen ſole. auf dem Wege des verſtändigen Zuredens, der verſtändigen berredung das zu erreichen, was wir erreichen wollen. Es wird hoffentlich weiter nichts nötig ſein als die Abänderung der Polizeiverordnung über das Schlafſtellenweſen. Es iſt dann bis ins einzelne Detail hinein die ſchwierige Frage der Organiſation des Wohnungs⸗ amtes ausgearbeitet worden. Auch dieſe Arbeit iſt vollendet und liegt im Entwurf vor. Weiter gehört zur Organiſation die Einſtellung von Wohnungs⸗ pflegern, die nun als Organe des Wohnungsamtes