——, 180 —— Nun, meine Herren, ich ſehe nicht ſo ſchwarz: ich halte es für ausgeſchloſſen, daß der Herr Juſtizminiſter dem Antrage der Anwalts⸗ fammer ſtatigeben wird, und zwar aus folgenden Gründen. Ich leſe in den Zeitungen und ich höre von dem Herrn Interpellanten, daß die Anwalts⸗ kammer in ihrem Bericht, den ich nicht kenne, ihre Forderung hauptſächlich auf die Einrichtung der Simultanzulaſſung gegründet hat, d. h. auf das große Entgegenkommen, das der Staat meines Wiſfens der Berliner Anwaltſchaft allein in ganz Preußen dadurch erwieſen hat, daß er einem bei einem Landgericht in Berlin zugelaſſenen Anwalt die Befugnis zuerteilt, auch bei den anderen Landgerichten als Anwalt aufzutreten. Nach den Zeitungsnachrichten ſoll der Bericht hierauf fußen und nun die ungeheuren Unzuträglichkeiten und Un⸗ bequemlichkeiten ſchildern, die den Rechtsanwälten dadurch entſtehen, daß ſie an drei Landgerichten zugelaſſen ſind und in der kurzen Zeit der Terminſtunden am Vormittag nicht in der Lage ſind, an allen drei Landgerichten, wenn ſie zufällig an einem Tage drei Mandate an allen drei Land⸗ gerichten haben, zur Stelle zu ſein. Wenn das ſo iſt, dann würde die Berliner Anwaltſchaft vollſtändig den Sinn der Simultanzulaſſung verkennen. Die Simultanzulaſſung hat nicht den Sinn, daß ſie jedem Rechtsanwalt Gelegenheit geben will, an drei verſchiedenen Gerichten, d. h. an drei verſchiedenen Orien zu gleicher Zeit zu ſein; das geht ſchon aus der Natur der Sache hervor. Die Simultanzulafſung hat einen anderen Sinn: ſie wollte den Anwälten Berlins die Möglichkeit gewähren, daß ſich zwei, drei, vier Anwälte zuſammen zu einem gemeinſchaft⸗ lichen Bureau, zu einer gemeinſamen Firma zu⸗ ſammenſchließen, ſo daß dann jeder einzelne von ihnen bei einem von den Gerichten in der Regel ſeine Prozeſſe führen und die Vertretung der Man⸗ danten der gemeinſchaftlichen Firma verſehen kann. So iſt es auch geweſen, als nur das Landgericht 1 und 1I beſtand. Es würden alſo mit einem Schlage die Unzuträglichkeiten, über die die Berliner An⸗ wälte klagen. verſchwinden, wenn ſie den wirklichen Sinn der Simultanzulaſſung erfaſſen und für die einzelnen Landgerichte immer die betreffenden Mit⸗ kompagnons beauftragen. Natürlich iſt es unmöglich, meine Herren, daß ein Anwalt bei drei Landgerichten zu gleicher Zeit terminieren kann. Das wird auch ausgeſchloſſen ſein, wenn die Gerichte in einem Gebäude vereinigt ſind. Ich habe alſo das Vertrauen, daß der Herr Miniſter den Sinn der Simultan⸗ zulaſſung nicht ſo verkennen wird, wie es meiner Anſicht nach bei den Berliner Anwälten der Fall iſt. Dann ein anderer Grund, der mich dazu bringt, zu hoffen, daß der Antrag der Berliner Anwaltſchaft abgewieſen wird. Meines Erachtens iſt der Antrag hanptſächlich doch aus dem Intereſſe der Anwaltſchaft entſproſſen, und zwar will es mir ſcheinen, daß er in erſter Linie aus dem finanziellen Intereſſe der Anwaltſchaft entſproſſen iſt. Ich kann aber nicht anerkennen, und ich glaube, das muß jeder mit mir, der nicht Berliner Anwalt iſt, zugeben, daß dieſes Intereſſe bei dieſer Frage nicht in erſter Reihe ſteht. In erſter Reihe ſteht meines Erachtens das Intereſſe der Gerichtseingeſeſſenen und das Intereſſe des Rechtsſchutzes, und hier iſt es doch klar, daß die Gerichtseingeſeſſenen einen Anſpruch darauf haben, daß ihr Landgericht im Bezirk des Landgerichts ſteht, (Sehr richtig!) und daß das Gebäude des Landgerichts nicht ganz außerhalb des Bezirks in irgend einen anderen Land⸗ gerichtsbezirk verlegt wird. Wie kommen denn die Herren Berliner Anwälte dazu, für Charloltenburg eine ganz andere orm aufzuſtellen, als ſie ſonſt in ganz Preußen Regel iſt? Haben Sie denn irgend⸗ einen Fall, meine Herren, wo ein Landgerichtsbäude in einem anderen Landgerichtsbezirk ſteht? Alſo ich meine, die Stadt Charlottenburg hat das lebhafteſte Intereſſe daran, wie alle anderen Städte, für ihre Gerichtseingeſeſſenen und zur wirkſamen Ausübung des Rechtsſchutzes der Gerichtseingeſeſſen darauf zu dringen, daß das Landgericht III in Charlottenburg bleibt, und ich glaube nicht, daß man in der Königlichen Juſtizverwaltung gegen dieſen Grundſatz verſtoßen wird. Nun, meine Herren, heißt es ja, daß die Berliner Anwaltſchaft auf das Landgericht III von Charlotten⸗ burg nicht mit günſtigen Augen ſieht. Das war ſchon der Fall, als die Dezentraliſation vorbereitet wurde, und wie ich höre, ſoll dieſe Gegnerſchaft niemals ganz verſtummt ſein. Von einer Seite, die es wiſſen muß, habe ich erfahren, daß man aus den Kreiſen der Berliner Anwaltſchaft vorausgeſagt hat, das Landgericht I1II würde keine Beſchäftigung haben; es ſei vollſtändig verfehlt, daß es nach Charlottenburg geſetzt ſei, es würde dort nicht reüſſieren. Meine Herren, das Landgericht ſteht noch nicht ein Jahr, und die Fülle der Arbeiten iſt ſo koloſſal innerhalb dieſes Jahres gewachſen, daß die Zahl der Richter bei dem Landgericht III innerhalb dieſes noch nicht ganz abgelaufenen Jahres nahezu verdoppelt iſt. Der beſte Beweis dafür, daß ein ungeheuer großes Intereſſe der Gerichtseingeſeſſenen und des Rechts⸗ ſchutzes, den ſie beanſpruchen können, an der jetzigen Lage des Landgerichts 111 in Charlottenburg vorliegt. Und wenn man bedenkt, daß dieſes Bedürfnis noch von Jahr zu Jahr ſtändig dadurch ſteigt, daß die Bezirke, welche zu dem Landgerichtsbezirk gehören, die Gemeinden Charlottenburg, Schmargendorf, Wilmersdorf, in einer ungeheuer großen Entwicklung begriffen ſind, dann wird es von vornherein klar, daß die Juſtizverwaltung dieſes Bedürfnis nicht einfach überſehen kann, ſondern daß ſie ſich ſagen muß: wir haben richtig gehandelt, als wir das Landgericht 111 hierher nach Eharlottenburg legten, und wir würden falſch handeln, wenn wir dieſe Einrichtung wie der aufhöben. Namentlich wenn ich mir überlege, daß auf der einen Seite die Intereſſen des Anwaltsſtandes und auf der anderen Seite die Intereſſen der ganzen gerichtseingeſeſſenen Bevölkerung geltend gemacht ſind, dann ſcheint es mir unmöglich zu ſein, daß der Herr Juſtizminiſter die großen, weittragenden Intereſſen der gerichtseinge⸗ ſeſſenen Bevölkerung zugunſten des geringen Teiles der Berliner Anwälte außer acht laſſen wird. Mñeine Herren, es kommt noch ein dritter Punkt hinzu, der mich eigenartig berührt hat, als ich von dem Antrage las. Die Berliner Anwaltſchaft ſtellt ihre Intereſſen in den Vordergrund, und ſogar die Anwaltskammer ſtellt das Intereſſe der Berliner Anwaltfchaft allein in den Vordergrund und will eine Anderung der beſtehenden Verhältniſſe, ohne zu berückſichtigen, daß die 30 in Charlottenburg ja bereits anſäſſigen Rechtsanwälte dadurch in ihrer Eriſtenz vernichtet würden. Ich muß ſagen, daß mich das ungeheuer befremdlich angemutet hat, als ich eſehen habe, daß man ſo über die Intereſſen von ollegen ginweggeht, um ſeine eigenen Intereſſen zu