—— 1888,. — daß ſich die Arbeit am Landgericht III ſo ſeyr gehäuft hat. Es werden eben eine ungeheure Zahl von Sachen fruſtriert. Es wird ſehr viel unfruchtbare Arbeit geleiſtet. Die Richter müſſen ſich vorbereiten, die Verhandlungen kommen nicht zuſtande, lönnen nicht zuſtandekommen, weil das Landgericht III da liegt, wo ſich die Füchſe gute Nacht ſagen. Es iſt ganz unglücklich angelegt worden. Alſo die Arbeit häuft ſich, aber es iſt keine geſunde, ſondern es iſt eine unfruchtbare Arbeit. Die Prozeſſe kommen nicht rechtzeitig zuende, ſie werden verſchleppt, und das Charlottenburger Publikum, welches das größte Intereſſe an einer raſchen Rechtſprechung hat, lommt nicht auf ſeine Rechnung. Alſo das iſt der Grund, der die Berliner Anwälte und überhaupt die An⸗ waltskammer der Mark Brandenburg bei ihrem Beſchluß geleitet hat. Der Herr Oberbürgermeiſter hat geglaubt, die Anwälte Berlins arbeiten für ihre Taſche, und er hat ihnen quaſi ein unkollegiales Verhalten zur Laſt gelegt gegenüber den 30 Anwälten von Charlottenburg. Nun, meine Herren, die Berliner Anwälte und überraupt die Anwälte haben gezeigt, daß ſie einer der wenigen Stände Deutſchlands ſind, welche idealen Sinn haben. Es gibt wohl leinen Stand, in dem die Ideale und der Gemeinſinn ſo hoch gehalten werden wie in der Anwaltſchaft. Als den Anwälten vor einigen Jahren der numerus clausus ron der Staatsregierung angeboten wurde, haben ſie denſelben zurückgewieſen, und da ſind die Berliner Anwälte an der Spitze marſchiert, obwohl dieſer numerus clausus ihnen ungeheure finanzielle Vorteile bot — aus dem Intereſſe der Rechtspflege heraus, weil ſie auf dem Standpunkt ſtanden: es liegt im Intereſſe des Publikums, wenn dasſelbe eine möglichſt große Auswahl unter den Anwällen, auch unter den jungen Anwälten hat. Wo finden Sie eine derartige Gefinnung? Sehen ſie ſich doch die Beſtrebungen der Landwirte an, welche den Staat nach jeder Richtung hin auszubeuten ſuchen — — (Unruhe. Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Roſenberg (unterbrechend): Herr Stadt⸗ verordneter, Sie gehen zu weit in ihren Ausführungen! Stadtv. Dzialoszynski (fortfahrend): Ich habe, da dem Stande der Berliner Anwälte hier Motive unterſtellt werden, die in keiner Weiſe berechtigt ſind, geglaubt, daß ich die Geſinnung dieſes Standes mit der Gefinnung anderer Stände vergleichen kann. Ich muß auch darauf hinweiſen, daß ſeit Jahren die Zünftler darauf ausgehen, behufs Verringerung ihrer Konkurrenz den Befähigungsnachweis herbeizuführen. Im allgemeinen wird bei uns in Deutſchland ein erbitterter Intereſſenkampf zwiſchen den einzelnen Ständen geführt; es ſpielt ſich ein Kampf aller gegen alle ab. Jeder will den Staat für ſeine Taſche aus⸗ nutzen. Der Anwaltſtand leuchtet unter allen übrigen Ständen durch ſeine ideale Geſinnung hervor und hat gezeigt, daß er für die Allgemeinheit eintritt entgegen ſeinem eigenen Intereſſe. Ich erachte es als in jeder Beziehung unbegründet, wenn hier ein Stand, der ſeine Selbſtloſigkeit ſo eklatant dargetan hat, in einer ſolchen Weiſe angegriffen wird, und wenn ihm Motive unterſtellt werden, zu denen er ſich nicht bekennt. Nein, meine Herren, es ſind die Intereſſen der Rechtspflege und auch der Rechtspflege des Charlottenburger Recht ſuchenden Publikums, welche die Berliner Anwälte und die Mitglieder der An⸗ waltskammer der Mark Brandenburg zu dieſer Stellungnahme veranlaßt haben. Es wird ſich fragen: hat Charlottenburg einen Nachteil davon, wenn das Landgericht III eingezogen und mit den übrigen beiden Landgerichten vereinigt wird? Ich bin der Meinung: unter einer Bedingung hat Charlottenburg gar keinen Schaden, unter einer Bedingung hat Charlottenburg ſogar einen großen Nutzen davon, nämlich, wenn es gelänge, die Staats⸗ verwaltung zu veranlaſſen, dieſes Gebäude einem anderen Zwecke dienſtbar zu machen. Was hat denn die Jungfernheide davon, daß gerade jen⸗ ſeits der Spree das Landgericht vorhanden iſt! Wenn es z. B. gelänge, dorthin die Bergakademie zu bringen, ſo würde die Gegend außerordentlich mehr davon haben. Es iſt mir nichts davon bekannt, daß jen⸗ ſeits der Spree am Tegeler Weg ſich irgend ein An⸗ walt niedergelaſſen hat, daß ein Richter dort wohnt. Wenn aber die Bergakademie dort inſtalliert wäre, ſo würden die Hausbeſitzer und dortigen Anwohner ſehr viele Vorteile haben, indem ſie an die jungen Leute Chambres garnies vermieten würden. Das würde auch eine für die Gegend außerordentlich ge⸗ eignete Verwaltung ſein. Es gibt noch andere Ver⸗ waltungen, meine Herren, die dort ihren Platz haben könnten. Wenn wir das Gebäude für eine andere Verwaltung frei bekommen, dann iſt es, glaube ich, durchaus wünſchenswert, daß das Landgericht, das dort nicht hingehört, wo anders hinkommt, daß es mit den andern Gerichten zentraliſiert wird. Der Herr Oberbürgermeiſter meinte: jeder Ein⸗ geſeſſene von Charlottenburg hat ein Recht darauf, in dem Ort ſein Recht zu ſuchen, wo er wohnt. Der Herr Oberbürgermeiſter hat hierbei verkannt, daß wir eben ein Teil von Groß⸗Berlin ſind, daß wir im Verkehrsbereich von Berlin liegen, und daß der Charlottenburger, der im Oſten und auch im Zentrum wohnt, viel leichter nach der Grunerſtraße als jenſeits der Spree gelangen kann. Ich bin der Meinung, es exiſtiert ein derartiger Anſpruch nicht, denn es gibt ja zahlreiche deutſche Großſtädte, welche kein Landgericht haben. Wenn bei irgend einem Orte der Zuſtand gerechtfertigt iſt, daß kein Landgericht in ſeinem Bezirk vorhanden iſt, ſo iſt er es bei Charlotten⸗ burg mit Rückſicht auf ſeine Zugehörigkeit zu Berlin. Nun iſt geſagt worden, die Simultanzulaſſung der Berliner Rechtsanwälte ſei Schuld an dem gegen⸗ wärtigen Zuſtand. Der Herr Oberbürgermeiſter hat das geſagt, und er hat hinzugefügt, die Berliner An⸗ wälte hätten den Sinn der Simultanzulaſſung ver⸗ kannt, indem ſie ſich auf die Simultanzulaſſung in der Kritik des gegenwärtigen Zuſtandes zurückzögen. Ich meine, der Herr Oberbürgermeiſter hat den Sinn der Simultanzulaſſung verkannt. Es iſt das nicht etwa ein Geſchenk für die Berliner Anwälte. Die Juſtizverwaltung hat nicht in erſter Linie den An⸗ wälten hier finanzielle Vorteile gewähren wollen, ſondern der wahre Sinn der Simultanzulaſſung be⸗ ſteht darin, daß ein jeder Gewerbetreibende, jeder, der Recht ſucht, die Möglichkeit haben ſollte, zu dem Anwalt ſeines Vertrauens zu gehen. Bedenken Sie doch, meine Herren, wir müſſen unſere Zeit bei den ausgedehnten Verkehrsverhältniſſen Groß⸗Berlins ſo wie ſo vergeuden. Das Publikum hat ein Intereſſe daran, mit einem einzigen Anwalt, der ſein Ver⸗ trauen genießt, in Verbindung zu ſtehen. Die Staatsverwaltung wollte dem Publikum die Mög⸗ lichkeit nicht abſchneiden, weiter mit dem Anwalt ſeines Vertrauens zuſammen zu arbeiten, damit keine Zerſplitterung entſtände und das Publikum ge⸗