— 185 — mir, daß wahrſcheinlich die Debatte über dieſes ſeh heikle und außerordentlich ſchwierige Thema abwegig verlaufen werde. Wir ſollen hier zu Gericht ſitzen über eine Gerichtsorganiſation, die vor wenigen Jahren in Kraft getreten iſt, die unter großen Schwierig⸗ keiten in Kraft geſetzt worden iſt, und über die die communis opinio heute iſt — das darf nicht verſchwiegen werden —: die ſogenannte Berliner Ge⸗ richtsorganiſation war verfehlt. (Sehr richtig!) Wenn der Herr Oberbürgermeiſter ſich allerdings jetzt auf den Boden der Dezentraliſation ſtellt, ſo nimmt er nicht bloß in der Juriſtenwelt, ſondern auch in der Welt des Recht ſuchenden Publikums eine ziem⸗ lich iſolierte Stellung ein, und ich vermute ſtark, daß. wenn der jetzige Herr Juſtizminiſter über die Frage zu entſcheiden hätte, er dieſe Gerichtsorganiſation nicht geſchaffen haben würde. (Sehr richtig!) Die Berliner Gerichtsorganiſation gehört zu den Taten des früheren Juſtizminiſters. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie die Gerichtsorganiſation zuſtande ge⸗ kommen iſt; ich habe damals dem Abgeordnetenhauſe angehört und auch der Kommiſſion, wenigſtens eine Zeitlang, die über die Schaffung der Gerichts⸗ organiſation beraten hat; ich habe die ſämtlichen Denkſchriften, die ſämtlichen Eingaben zu leſen da⸗ mals Gelegenheit gehabt. Darüber bin ich mir aber vollrommen klar geweſen, daß die Berliner Rechts⸗ anwälte, und nicht bloß die Berliner Rechtsanwälte, ſondern die Rechtsanwälte in ihrer Allgemeinheit, gegen die Berliner Gerichtsorganiſation nicht in Wahrnehmung eigener Intereſſen Stellung genommen haben, ſondern ganz allein im Intereſſe des Recht ſuchenden Publikums, und es iſt meines Wiſſens damals auch niemandem eingefallen, der Berliner Rechtsanwaltſchaft den Vorwurf zu machen, daß ſie in Wahrnehmung eigener Intereſſen eigenſüchtige Ziele verfolge. Meine Herren, Charlottenburg hat damals ſein Landgericht bekommen. Dieſes Landgericht iſt nicht eine iſolierte Erſcheinung, wenn ich ſo ſagen darf, ſondern es iſt ein Beſtandteil der geſamten Gerichts⸗ organiſation, die auf der eigenartigen Bezirkseinteilung beruht, und ich glaube, daß jene Bezirkseinteilung durchaus verfehlt iſt. Das wird kein Richter be⸗ ſtreiten, (Stadtv. Dr. Riel: Gar nicht!) und wenn die Anwaltskammer Material ſuchen wollte, das ihr die die Möglichkeit böte, den Nachweis zu erbringen, daß dieſe Bezirkseinteiluug verfehlt iſt, ſo dürfte es ihr nicht ſchwer werden. Ich habe wenigſtens in juriſtiſchen Zeitſchriften ſchon genügend darüber geleſen — ich ſelbſt bin ja bei der Sache vollſtändig unintereſſiert. Ich habe mich damals ſehr darüber gefreut, daß Charlottenburg ſein Landgericht bekam, aber im übrigen vorausgeſehen, wie die Dinge ſich entwickeln werden. Meine Herren, wenn nun heute bereits Herr Kollege Dzialoszynski das Landgericht aufteilt und ſchon über das Gerichtsgebäude verfügt, ſo ſcheint mir das arg verfrüht, und ich halte es auch durch⸗ aus nicht für im Intereſſe der Stadt gelegen, nach draußen zu erkennen zu geben, daß wir bereit wären, gegen Eintauſch einer anderen Behörde das Land⸗ gericht preiszugeben. (Sehr richtig!) Nach dieſer Richtung bin ich durchaus Charlotten⸗ burger (Sehr gut!) ſehr und nehme durchaus Charlottenburger In⸗ tereſſen wahr, ſoweit es ſich mit der allge⸗ meinen Rechtspflege irgendwie vereinigen läßt. 0 Nach draußen hin nun aber zu erkennen zu geben, daß in dieſem Punkte nur Charlottenburger Intereſſen vertreten ſind, das würde ich für ebenſo bedenklich halten. Wir ſprechen von einem Groß⸗ Berlin; wir wünſchen eine Organiſation innerhalb der Kommunen Groß⸗Berlins, nennen wir es Zweck⸗ verband, oder wie man es ſonſt benennen will, weil wir erkennen, daß gewiſſe Dinge ſich nur einheitlich regeln laſſen, daß auf gewiſſen Gebieten die einzelne Stadt, wenn auch nicht vollſtändig unfähig iſt, die Fragen zu löſen, aber doch auf die allergrößten Schwierig⸗ feiten ſtößt. Meine Herren, ich glaube, daß die Rechtspflege zu jenen Dingen gehört, die nicht ſpeziell Charlottenburger Charakter, nicht ſpeziell Schöne⸗ berger Charakter, nicht ſpeziell Berliner Charakter haben, ſondern daß die Rechtspflege eines Gemein⸗ weſens wie Groß⸗Berlins auch nur einheitlich durch⸗ geführt werden kann. Es will mir ſcheinen, als wenn der Charlottenburger Geſchäftsmann und Gewerbe⸗ treibende auch nicht das geringſte Verſtändnis dafür haben wird, daß er gegenüber der Rechtspflege nun auch Charlottenburger Bürger iſt, ſondern da wird er ſich nur von einem Gedanken leiten laſſen: wo komme ich auf dem ſicherſten und zuverläſſigſten und ſchleunigſten Wege zu dem Rechtsſpruch, deſſen ich bedarf? Es iſt, erinnere ich mich recht, vor allen Dingen ja damals eine Zentraliſation der Regiſter vorge⸗ nommen worden, und auf dieſem Gebiete haben wir nun die weitgehendſte Zentraliſation. (Stadtv. Dr. Riel: Doch ſchlimm genug!) Mir iſt in Erinnerung, als wenn dieſe Zentraliſation damals aufs lebhafteſte bekämpft worden iſt, und als wenn man die weitgehendſte Dezentraliſation ge⸗ wünſcht hätte. (Zuſtimmung des Stadtv. Dr. Riel.) Aber, meine Herren, jedenfalls ſind wir zuſtändig, hier darüber zu Gericht zu ſitzen. Wenn ich das Wort ergriffen habe, ſo iſt es nur geſchehen, um, ſoweit es in meinen Kräften ſteht, dem entgegenzuwirken, daß außerhalb Charlottenburgs ſich unrichtige Auffaſſungen über den Standpunkt bilden, den wir einnehmen. Ich möchte entſchieden dem von Herrn Kollegen Dzialoszynski eingenomme⸗ nen Standpunkt entgegentreten, daß wir gar kein Intereſſe an dem Landgericht 1II haben. Das iſt nicht richtig; als Charlottenburger haben wir — und zwar ein ſehr lebhaftes — Intereſſe daran. Anderer⸗ ſeits möchte ich aber auch jenen Auffaſſungen ent⸗ gegentreten, mit denen gewiſſermaßen die Stellung der Anwaltskammer bekämpft wird. Wir haben auch nicht die geringſte Veranlafſung, uns mit der An⸗ waltskammer weiter auseinanderzuſetzen, als es un⸗ bedingt notwendig iſt. Meine Herren, der Anwalts⸗ kammer, der offtziellen Vertretung der Rechtsanwalt⸗ ſchaft, darf man nicht bloß auf Grund von Zeitungs⸗ berichten entgegentreten, wie es heute hier vom Ma⸗ giſtrat aus geſchehen iſt. (Sehr richtig!) Wir brauchen uns dann nicht wundern, wenn uns ein ſehr ſcharfes Wort, eine ſehr ſcharfe Gegenrede entgegenſchallt, und wenn man uns vielleicht ent⸗ gegenhält, daß wir Charlottenburger auf dem Gebiete der Rechtspflege unſere Charlottenburger Intereſſen über die Intereſſen von Groß⸗Berlin ſtellen. Meine Herren, nehmen wir die Charlottenburger Intereſſen nicht