—— wahrzunehmen, und aus dieſem Geſichtspunkte heraus iſt die Anfrage geſtellt worden. Stadtu. Dzialoszynski: Meine Herren, geſtatten Sie nur noch wenige Worte! Herr Kollege Riel und Herr Kollege Stadthagen meinen, daß ſie das Intereſſe Charlottenburgs wahrnehmen, wenn ſie für die Erhaltung des Landgerichts eintreten. Ich muß erklären, daß auch ich glaube, das Intereſſe der Stadt Charlottenburg wahrzunehmen, insbeſondere das Intereſſe des Recht ſuchenden Publikums der Stadt Charlottenburg, wenn ich mich auf den Stand⸗ punkt ſtelle, daß es nicht erſprießlich ſei, das Land⸗ gericht III hier zu halten. Noch heute haben eine ganze Anzahl von Charlottenburger Bürgern, die nicht Anwälte ſind, ſondern zum Publikum gehören, an mich die Frage gerichtet, ob ich denn dafür ein⸗ trete, daß dieſe Zuſtände aufrecht erhalten werden. Noch heute iſt ein Mitglied unſerer Verſammlung, das ein großes induſtrielles Unternehmen leitet, an mich herangetreten und hat mich gefragt: werden Sie denn für dieſe Zuſtände eintreten? Ein Mit⸗ glied unſerer Verſammlung, das an ſeinem eigenen Fleiſch dieſe ungeſunden Zuſtände täglich fühlt! Alſo den Anſpruch, den die Herren Kollegen Riel und Stadthagen hier erheben, erhebe ich für meinen Standpunkt ebenfalls. Der Herr Oberbürgermeiſter hat uns das Schreckensbild an die Wand gemalt: wie wird es werden, wenn wir einmal 60 oder 80 Zivilkammern haben? Nun, ſchlimmer als jetzt wird es nicht werden, wo wir, wie Herr Kollege Riel ſagt, eine Meile Korridore nicht nur haben, ſondern wo zwiſchen dieſen Korridoren der einzelnen Gerichte noch ſound⸗ ſoviel Meilen Straßenbahnen und Eiſenbahnen zu paſſiren ſind. Nach meiner Kenntnis der Verhält⸗ niſſe iſt es durchaus möglich, auch bei 80 und 90 Zivilkammern, beſonders nach vorheriger telephoni⸗ ſcher Verſtändigung, Verhandlungen zuſtande zu bringen, während, wenn die Dezentraliſation durch⸗ geführt wird, das Publikum aufs ernſtlichſte ge⸗ ſchädigt wird. Denken Sie ſich einen unglücklichen Kaufmann, welcher 3 oder 4 Prozeßangelegenheiten, die an 3 oder 4 verſchiedenen Gerichten ſind, gern erledigen möchte! Heute iſt er in der Lage, zum Anwalt ſeines Vertrauens zu gehen, der zu ſeinem Vorteil ſimultan zugelaſſen iſt; die Angelegenheiten ſchweben an den drei Landgerichten und an dem Amtsgericht Wedding, will ich mal ſagen. Wenn das Ideal, welches hier durchgeführt worden iſt, die Teilung der Gerichte erhalten bleibt, und wenn die Simultanzulaſſung aufhören ſollte, ſo würde dieſer Unglücksmenſch zwecks Informierung ſeiner Anwälte zunächſt nach Charlottenburg, alsdann uach dem Wedding und endlich dem Zentrum fahren müſſen, dort womöglich zu zwei Anwälten, um ſich mit ſeinen Anwälten zu beraten. Alſo die Intereſſen des Publikums ſind hier in Frage und nicht die Intereſſen der Anwälte! (Zurufe: Dann ſoll er weniger prozeſſieren!) Wenn der Herr Oberbürgermeiſter gemeint hat, daß 0 das Weſen der Simultanzulaſſung verkenne, ſo muß ich ſagen: das iſt nicht richtig, das Gegen⸗ teil iſt der Fall. Die 1 41. iſt nicht als etwas Vorübergehendes gedacht, ſondern es iſt feſtgeſetzt, es ſolle dauernd eine Anzahl von Anwälten ſimultaniter zugelaſſen werden, und aus den Aus⸗ führungen der Herren Kollegen geht hervor, daß die Beſtrebungen der Simultanzulaſſung nicht teil⸗ haftiger Anwälte dahin gehen, nicht die Simultan⸗ 189. —— jetzt zugelaſſenen Anwälte zu be⸗ kämpfen, ſondern in die Zahl der ſimultan zuge⸗ laſſenen Anwälte bei Vakanzen einzutreten als Simulananwälte; ich bin überzeugt, daß das Inſtitut der Simultananwälte niemals in Berlin aufhören kann, ohne daß die allerſchwerſte Schädigung für das Publikum entſteht. Nun hat Herr Kollege Kaufmann geſagt: wir haben das Landgericht mit ſchweren Opern bewilligt, um die Bautätigkeit zu fördern. Aber die Bau⸗ tätigkeit iſt ja ſchon gefördert! Was wir erreichen wollten, iſt ja ſchon erreicht! (Lebhafter Widerſpruch.) — Gewiß, meine Herren! Aber ich bin auch der Anſicht: die Interreſſen der Rechtspflege ſtehen höher als die Intereſſen der Bantätigkeit und der Bau⸗ ſpekulation. Im übrigen möchte ich in ernſteſte Erwägung geben, warnm wir uns gerade an dieſes Gericht klammern. Es iſt doch durchaus denkbar, daß wir eine Verwaltung dort hineinbekommen, die die Bau⸗ ſpekulation, die die Entwicklung des Stadtteils doppelt ſo fördert wie das Landgericht. Warum ſollen wir nicht Verhandlungen mit der Staatsbehörde in Er⸗ wägung nehmen, damit eine andere Behörde hinein⸗ kommt, welche die gleichen Vorteile wie das Land⸗ gericht gewährt, ohne die ſchweren Nachteile im Ge⸗ folge zu baben, welche das Recht ſuchende Publikum heute erleiden muß? zulaſſung der Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, ich habe vorhin geſagt, daß ich nach meiner Kenntnis der ganzen Angelegenheit die Anfrage beantworte, und daß mir der Bericht der Anwaltskammer ſowohl wie der Bericht des Herrn Rechtsanwalts Hahn, der mir eben von Herrn Geheimrat v. Liszt überreicht worden iſt, nicht zugänglich geweſen iſt. Nun hat Herr Stadtv. Dr. Riel erklärt, daß er als Ohren⸗ zeuge der Verſammlung der Rechtsanwälte, welche wohl die grundlegende geweſen iſt, beigewohnt und gehört hat, daß ausdrücklich von dem Vorſitzenden der Kammer darauf hingewieſen ſei, daß keinerlei materielle Intereffen des Anwaltsſtandes bei dieſer Gelegenheit in Frage kämen, und daß dieſe Erklärung von der ganzen Verſammlung auch durch die Zurück⸗ weiſung des Antrages des einen jungen Anwalts ge⸗ billigt worden ſei. Nachdem ich dies gehört habe, meine Herren, was mir völlig neu geweſen iſt, will ich gern anerkennen, daß ich keinen Zweifel mehr darin ſetzen kann, daß die von mir bekämpfte Be⸗ wegung in der Anwaltſchaft Berlins und die Eingabe der Anwaltekammer nicht auf finanziellen Intereſſen begründet iſt. (Bravo!) Stadtv. Dr. Landsberger: Zur Sache ſelbſt will ich mich nicht äußern, meine Herren, obwohl die letzte Außerung des Herrn Kollegen Dzialoszynski, der immer wieder darauf zurückkam, was die Stadt in ihrem Intereſſe ſür den Fall tun müßte, daß die Staatsregierung dem Antrage der Berliner Anwalts⸗ kammer entſprechen würde, doch zu ſachlichen Be⸗ merkungen Anlaß geben könnte. Er hat doch immer wieder verkannt oder doch wenigſtens nicht genügend zugeſtanden, daß hier in der Verſammlung am meiſten der Standpunkt vertreten wurde, das Nand⸗ gericht müſſe beibehalten und als Rechtsinſtanz hier in der Stadt erhalten werden, (Sehr richtig!)