— 213 — Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Ich bin bereit, ſie ſofort zu beantworten. Vorſteher Roſenberg: Dann möchte ich im In⸗ tereſſe der Vereinfachung des Geſchäftsganges die beiden Anfragen ſofort begründen laſſen, ſo daß der Magiſtrat, nachdem die beiden Herren Interpellanten geſprochen haben, beide Anfragen zu gleicher Zeit beantworten kann, wenn nicht etwa der Magiſtrat wünſcht, jede einzelne Anfrage beſonders zu beant⸗ worten. Oberbürgermeiſter Schuſtehrns: Ich ſtelle es anheim. Wenn die Anfragen zwei ganz verſchiedene Punkte betreffen, ſo werden die Antworten wohl auch demgemäß ausfallen müſſen. Aber ich habe nichts dagegen, wenn ſo verfahren wird, wie Sie es vor⸗ ſchlagen. Vorſteher Roſenberg: Ein Beſchluß liegt nicht vor. Es ſcheint, als ob Sie wünſchen, Herr Oberbürger⸗ meiſter, die einzelnen Anfragen getrennt zu beant⸗ worten. Ich werde alſo dementſprechend verfahren. Zunächſt bitte ich Herrn Stadtv. Klick, ſeine Anfrage zu begründen. Frageſteller Stadty. Klick: Meine Herren, die Veranlaſſung zu der von meinen Freunden ein⸗ gereichten Interpellation dürfte Ihnen bekannt ſein. Es handelt ſich um die Durchbrechung des § 14 des Vertrags, den wir mit der Allgemeinen Müllver⸗ wertungs⸗Geſellſchaft abgeſchloſſen haben. Die jetzt Allgemeine Müllverwertungs⸗Geſellſchaft m. b. H. firmierende frühere Charlottenburger Abfuhrgeſellſchaft hat plötzlich ohne jeden Grund einen Teil ihrer Arbeiter entlaſſen; ein anderer Teil iſt daraufhin aus Solidarität mit den entlaſſenen Arbeitern in den Streik getreten. Laut Vertrag war die Geſellſchaft verpflichtet, nach der Übernahme der ſtädtiſchen Müll⸗ abfuhr einen Arbeiterausſchuß wurde am 25. März gewählt. Er ſtellte an die Direktion die Bitte, daß zu den ferneren Beratungen ein Mitalied ihrer gewerkſchaftlichen Organiſation, des Handels⸗ und Transportarbeiter⸗ verbandes, hinzugezogen werde. Ohne Widerrede hat dies die Direktion geſtattet. Es haben dann am 28. März und 10. April Beratungen über die Arbeits⸗ und Geſchäftsordnung des Arbeiterausſchuſſes ſtatt⸗ gefunden. In dem Protokoll der Verhandlung, die am 28. März im Beiſein des Vertreters der Organi⸗ ſation und zweier Herren der Direktion ſtattgefunden hat, iſt der vorläufige Lohnſatz für Müllkutſcher auf 37,50 ℳ und für Mitfahrer auf 34,50 %ꝰ bei drei⸗ maligen Fuhren ꝛc. ꝛc. feſtgeſetzt. Sobald feſtſteht, wieviel mal gefahren werden kann, ſollen eventuell andere Lohnſätze vorbehalten bleiben. Abſchrift dieſes Protokolls wurde dem Organiſationsvertreter nebſt der abgeänderten Arbeitsordnung und der Geſchäfts⸗ ordnung vollzogen zugeſandt. Auf Grund dieſer Ab⸗ machung und anderer Außerungen, die in der Be⸗ ratung ſeitens der Direktion gefallen waren, glaubten ſich nun die Arbeiter berechtigt, nachdem die Ein⸗ teilung der Touren neu geregelt war, an die Direk⸗ tion mit der Bitte um Lohnerhöhung heranzutreten. Sie beauftragten deshalb in einer Verſammlung, die am 21. April ſtattfand, den Organiſationsvertreter, bei der Geſellſchaft einen Lohntarif einzureichen und die Geſellſchaft zu bitten, in Verhandlungen darüber einzutreten. Die geforderten Lohnerhöhungen ſchwankten zwiſchen 5 und 10 %%. Am 24. April wurde der Arbeiterausſchuß zu wählen. Dieſer § Tarif an die Geſellſchaft abgeſandt, und am 25. April wurde den Arbeitern geſagt, ſie möchten ihre Sachen zu Sonnabend Abend zum Umtauſch bereit halten. Am Tage darauf, am 26. April, wurden die Arbeiter, die zuerſt auf den Hof kamen, ſofort entlaſſen. Darunter befanden ſich ſämtliche Mitglieder des Arbeiterausſchuſſes. Im ganzen wurden alſo zirka 70 Mann entlaſſen. Weitere 30 traten darauf in den Streik ein. In dem mit der Geſellſchaft abgeſchloſſenen Vertrage heißt es im § 14: Der Unternehmer iſt verpflichtet, ſpäteſtens am 1. Oktober 1906 unter ſeinen Arbeitern einen Arbeiterausſchuß einzuſetzen und für die Errichtung und Tätigleit desſelben Beſtimmungen zu erlaſſen nach dem Vorbilde der für den Arbeiterausſchuß der Gasanſtalt zu Charlotten⸗ burg feſtgeſetzten Beſtimmungen. Zur Schlichtung etwa entſtandener Streitig⸗ keiten, die zum Streik zu führen drohen, hat der Unternehmer in jedem Fall und ſo ſchnell wie möglich das Gewerbegericht in Charlotten⸗ burg als Einigungsamt anzurufen. Meine Herren, aus dem Protokoll geht unbedingt hervor, daß die Arbeiter berechtigt waren, eine Lohn⸗ erhöhung zu fordern, um ſo mehr, als auch die von der Berliner Wirtſchaftsgenoſſenſchaft angeſtellten Kutſcher und Schaffner dieſelben Lohnſätze, die die von der Allgemeinen Müllverwertungs⸗Geſellſchaft Angeſtellten beanſpruchten, bekommen. Die Direktion erließ nun in einer hieſigen Zeitung eine Berichtigung, nach der ihre Arbeiter ſich gar nicht im Ausſtande befinden und infolgedeſſen die Anrufung des Gewerbegerichts als Einigungsamt nicht nöſig ſei. Gewiß, die Direktion iſt hier zum Teil im Recht, indem ſie einen Teil der Arbeiter ent⸗ laſſen hat. Aber ein anderer Teil der Arbeiterſchaft war aus Solidarität mit den entlaſſenen Arbeitern in Streit getreten. Daher hat die Direktion den 14 des Vertrages gebrochen; denn ſie hat nicht ſo⸗ fort, nachdem ihr der Streik bekannt geworden war, das Einigungsamt angerufen, ſondern hat ſich direkt ablehnend verhalten. Die Arbeiter haben darauf be⸗ ſchloſſen, das Gewerbegericht anzurufen. Die Diret⸗ tion hat in einem Schreiben an das Gewerbegericht mitgeteilt, daß ſie nicht anerkennen könne, daß ihre Arbeiterſchaft ſich im Ausſtande befinde. Daraufhin ſchreibt das Gewerbegericht an die Organiſation: Zu unſerm Bedauern können wir bei dieſer Sachlage weitere Schritte nicht unternehmen und erſuchen Sie, Ihre Auftraggeber von dem Ausfall des Verſuches zu unterrichten. Meine Herren, wenn die Direktion die Auslegung des § 14 ſo handhaben will, wie ſie das in ihrem Schreiben an das Gewerbegericht getan hat, ſo ver⸗ ſchleiert ſie den klaren Wortlaut des Paragraphen, ſucht ihn argliſtig zu umgehen. Sie dürfte, wie wir hoffen, damit auf keine Gegenliebe bei dem Magiſtrat ſtoßen. Wir haben uns daher erlaubt, an den Magiſtrat die Anfrage zu richten, wie er die Geſell⸗ ſchaft zur Innehaltung des abgeſchloſſenen Vertrages anzuhalten gedenkt, und ob er eventuell von den im § 20 vorgeſehenen Vertragsſtrafen Gebrauch machen will. Die Geſellſchaft beſtreitet, wie ſchon erwähnt, daß ihre Arbeiter ſtreiken, und es ſei ein Teil der Arbeiter, allerdings nur ein geringer, zu den alten Lohnſätzen wieder eingetreten. Dieſe alten Lohnſätze mögen ja früher eine Berechtigung gehabt haben, wo die Fahrer etwas weniger zu tun hatten. Nachdem