Den Empfang der Geſchäftsordnung und der Arbeitsordnung beſtätigend, erlauben wir uns im Auftrage einer von ſämtlichen Kutſchern und Mitfahrern ſowie Schaffnern, Hof⸗ und Verladearbeitern am 21. April 1907 ſtatt⸗ gehabten Verſammlung den beifolgenden Lohn⸗ tarif zu unterbreiten und ſehen wir Ihre ge⸗ ſchätzte Antwort — ich verleſe ſo, wie es hier ſteht — bis zum Sonnabend den 27. April 1907 ent⸗ gegen, reſp. ſind wir gern bereit, an dieſem Tage in einer Verhandlung mit Ihnen ſowohl als auch mit dem Arbeiterausſchuß einzutreten. In der Hoffnung, daß unſer Antrag gewähr⸗ leiſtet wird, — ich leſe, wie es hier ſteht — zeichnen Auguſt Gebert. Alſo, meine Herren, die Geſellſchaft bekommt von einem völlig unbeteiligten Dritten die Mitteilung, daß die Arbeiter dieſen Dritten beauftragt haben, ihr einen Lohntarif zu unterbreiten, und die weitere Erklärung, daß dieſer unbeteiligte Dritte bereit iſt, gnädigſt mit der Geſellſchaft und dem Arbeiteraus⸗ ſchuß zu verhandeln. Es wirft ſich hier ein Herr Auguſt Gebert unberufener Weiſe, ohne nach irgend⸗ einer Richtung berechtigt zu ſein, als Herr auf über das Verhältnis zwiſchen den Arbeitern und dem Arbeitgeber, als Herr über das, was die Geſellſchaft mit ihrem dem Vertrage gemäß eingeſetzten Arbeiter⸗ ausſchuß vereinbart hat! Denn, meine Herren, ich muß Ihnen erklären, daß die Direktion von der Verſammlung am 21. April nicht irgendeine Kenntnis gehabt hat, ſondern daß ſie durch dieſes Schreiben völlig und ganz überraſcht worden iſt; weder im Arbeiterausſchuß noch von einzelnen Arbeitern iſt von dieſem Schreiben an die Direktion irgendeine Anforderung in der Richtung dieſes Schreibens ge⸗ äußert worden; nichts hat die Direktion weder von ihren Arbeitern im einzelnen, noch von dem für ſolche Fälle vertraglich eingeſetzten Arbeiterausſchuß gehört! Im Gegenteil, der Arbeiterausſchuß hatte ſich mit den Lohnfeſtſetzungen und mit den Arbeitsverhält⸗ niſſen, wie ſie feſtgeſetzt waren, einverſtanden erklärt! In der Anlage des Schreibens ſind dann die Forderungen mitgeteilt, die der Herr Auguſt Gebert ſtellt, und dieſe Forderungen des Herrn Auguſt Gebert beziehen ſich auf eine Erhöhung der Löhne, auf Bezahlung der IIberſtunden und auf eine anderweite Regelung der Arbeitszeit. Alſo, meine Herren, eine Streitigkeit zwiſchen den Arbeitern und dem Arbeitgeber hat bis zum 25. April, als dieſes Schreiben einlief, nicht beſtanden, — auch durch dieſes Schreiben nicht; denn der Herr, der dieſes Schreiben an die Geſellſchaft ſchickte, war keiner, der dazu befugt war. (Stadtv. Hirſch: Doch!) Befugt, irgendwelche Wünſche auf Veränderung des Lohnſatzes, des Lohntarifes der Geſellſchaft zu Ohren zu bringen, ſind nur Arbeiter oder der Arbeiteraus⸗ ſchuß, aber nicht der Herr Auguſt Müller aus Burte⸗ hude oder der Herr Otto oder Auguſt Gebert in Charlottenburg, Rofinenſtraße 2! Die Direktion hatte nun zu dieſem Schreiben Stellung zu nehmen. Zunächſt hatte ſie zu prüfen: haben wir in dieſem Falle das Einigungsamt anzu⸗ rufen? Und ſie ſagte ſich: das Einigungsamt iſt anzurufen, im Falle daß eine Streitigkeit zwiſchen den Arbeitern und uns vorliegt; eine ſolche Streitig⸗ keit liegt nicht vor, im Gegenteil, wir ſind durchaus F einig in allen Dingen, es iſt alſo nicht nötig, das Einigungsamt anzurufen. Sie hatte ferner zu erwägen, wie die tatſächlichen Verhältniſſe lagen. Und dieſe gingen dahin: ſeit einigen Wochen hatte ſie bemerkt, daß unter ihrem Arbeiterbeſtande, der ſich auf 100 Arbeiter beläuft — 105 ſind es, glaube ich, genau —,einzelne Hetzer ſind, die den Frieden, der zwiſchen der Geſellſchaft und ihren alten Arbeitern beſtanden hatte, zu ſprengen fich bemühten; ſie hatte die erheblichſten Schwierig⸗ keiten gehabt; gerade mit dem Beginn der UÜbernahme der Abfuhr in ſtädtiſche Regie am 1. April ſetzten dieſe Hetzer ein und übten einen Terrorismus aus, dem die große Mehrzahl der arbeitswilligen Müll⸗ arbeiter der Geſellſchaft nicht gewachſen war, dem ſie ſich fügte — durchaus nach Maßgabe der bekannten Vorgänge, die wir ja in den letzten Jahren häufig erlebt haben, die gezeigt haben, daß ſolche Terroriſten unter den Arbeitern, unterſtützt von der ſozial⸗ demotratiſchen Organiſation, eine ungeheure Gewalt über die Gemüter befitzen (Stadtv. Hirſch: Direkt unwahr iſt das!) und gewillt ſind, dieſe Gewalt auszuüben, ganz gleich⸗ gültig, ob darunter die Intereſſen der Mehrzahl der Arbeiter und ihrer Familien leiden, und ob darunter die Intereſſen der öffentlichen Ordnung und Sicher⸗ heit leiden, die nur durchſetzen wollen, was ſie ſich auf die Hörner genommen haben. (Stadtv. Hirſch: Reichsverbandunwahrheiten!) — Alſo ſchon zu einem Reichsverband iſt das ge⸗ diehen! (Stadtv. Hirſch: Nein, die Unwahrheiten, die der Reichsverband verbreitet!) — Dann hatte ich den Zuruf mißverſtanden. Jeden⸗ falls trifft das, was ich geſagt habe, auf dieſen Fall zu. Unter welchen Schwierigkeiten die Direktion nun arbeitete, dafür will ich nur zwei Fälle mitteilen, die mir von der Direktion angegeben worden find. Am Sonnabend den 6. April 1907 wurde den Kutſchern und Mitfahrern bei der Lohnzahlung bekannt gegeben, daß am nächſten Sonntag den 7. April. und zwar vormitlags bis 10 Uhr, Müll gefahren werden ſollte. Die Mehrzahl der Kutſcher weigerte ſich, am Sonntag Morgen anzuſpannen, und zwar weil an⸗ geblich eine Transportarbeiterverbandsſitzung um 10 Uhr vormittags von den Arbeitern anberaumt ſei. Mit großer Mühe gelang es der Direktion, zirka 5 Kutſcher zum Anſpannen zu bewegen; dieſe 5 Kutſcher wurden beim Ausrücken von den zurückbleibenden Kutſchern bedroht, am nächſtfolgenden Tage wurde einer von den Kutſchern, welcher am Sonntag gefahren hatte, im Stall furchtbar geſchlagen, und zwar an⸗ geblich, weil er am Tage vorher nicht auch das Fahren verweigert hatte. Das iſt der eine Fall. Ein zweiter Fall, der ſich am 19. April ereignete! Am 19. April verweigerten die Kutſcher trotz drei⸗ maliger Aufforderung plötzlich das Anſpannen; zirka 10 Reſervetutſcher, welche ſich freiwillig bereit erklärten, anzuſpannen, wurden von der Mehrheit zurückgedrängt und am Anſpannen verhindert. Die renitenten Kutſcher und Mitfahrer verlangten darauf Herrn Direktor Werner zu ſprechen und von dieſem Auskunft darüber, aus welchem Grunde am Abend vorher zwei Speiſereſte⸗ wagenkutſcher entlaſſen worden ſeien. Es wurde ihnen. die Auskunft gegeben, daß der eine Kutſcher Fritz Oertel nur 3 Häuſer ſtatt zirka 75 Häuſer abgefahren hatte und angetrunken geweſen ſei; der zweite Kutſcher Auguſt Tiedge — ſo lautete die Auskunft — ſei überhaupt nicht eutlaſſen, ſondern nur zur Reſerve geſtellt worden. Die Arbeiter verlangten die Zurück⸗