und die hat Herr Gebert nicht geſtellt im des Verbandes oder der ſozialdemotratiſchen Partei, die ja damit gar nichts zu tun hat — ich lann ganz offen erklären, ich habe die Nachrichten darüber überhaupt erſt aus den Zeitungen erfahren, und ich glaube, die meiſten meiner Parteigenoſſen auch — nicht im Auftrage irgendwelcher anderen, ſondern im Auftrage der Arbeiter hat Herr Gebert dieſes Schreiben an die Direktion gerichtet. Und die Direktion wußte, wer Herr Gebert war, ſie hatte ſelbſt Herrn Gebert zur Sitzung zugezogen, die Direttion hat ſelbſt in ſtändigem Briefwechſel mit Herrn Gebert geſtanden. Hier ſind die Briefe von der Direktion und von Herrn Gebert, ſie liegen zur Einſicht aus! Wenn die Direktion es ſo hinſtellt, als ob es ein unberufener Dritter geweſen iſt, ſo iſt das nichts weiter als eine Verſchleierung des wahren Tatbeſtandes. Die Direktion ſoll von der Verſammlung am 21. keine Kenntnis gehabt haben. Ich weiß es nicht, mir iſt mitgeteilt, daß ſie davon Kenntnis gehabt hat. Aber, meine Herren, ſelbſt wenn ſie keine Kenntnis davon gehabt hätte, wo ſteht denn, daß man Ver⸗ ſammlungen bei der Direktion anmelden muß? Ich weiß bisher wohl, daß nach dem vielberühmten preußiſchen Vereinsgeſetz Verſammlungen, in denen öffentliche Angelegenheiten erörtert werden ſollen, bei der Polizeibehörde angemeldet werden müſſen; daß auch an die Direktion gegangen werden muß, iſt mir neu. Der Herr Oberbürgermeiſter ſagte weiter: ſeit einigen Wochen hatte die Direktion bemerkt, daß unter ihren Arbeitern einzelne Hetzer ſind. Alſo auch wieder ſeit Wochen bemerkt, daß einzelne Hetzer unter den Arbeitern ſind, die den Frieden bedrohen! Ja, meine Herren, wenn das der Fall iſt, warum ruft dann die Direktion das Einigungsamt nicht an? Warum hält ſie ſich nicht an den Vertrag? Ich behaupte nach wie vor, daß § 14 des Vertrages nicht innegehalten iſt. Der Herr Oberbürgermeiſter nennt nun das Vorgehen der Direktion einen geſchickten Coup. Ich habe davon durch die Zeitungen Kenntnis erhalten. Was ſteht denn in dem Anſchlag? Zichts weiter, als daß ſämtliche Arbeiter entlaſſen ſind! Alſo es iſt eine Ausſperrung in der allerrigoroſeſten Art: eine Kündigung iſt nicht vorgeſehen, bitte, ihr könnt ent⸗ laſſen werden, ihr werdet entlaſſen — ob ihr morgen noch zu eſſen habt, das kann uns ganz gleichgültig ſein. Ja, iſt es unter dieſen Umſtänden noch ein Wunder, wenn ſich von den 125 5 bereit erklären, die Unterſchrift zu leiſten? Das iſt Terrorismus der allerſchlimmſten Art, der ausgeübt iſt von der Ge⸗ ſellſchaft! Sie hat den Leuten nicht gedroht mit Ziegelſteinen, ſondern mit der Hungerpeitſche; ſie hat gedroht, daß ſie am nächſten Tage nichts zu eſſen habeni Und unter dieſem Zwange haben die Arbeiter die Unterſchrift geleiſtet. Wenn alſo Terrorismus von einer Seite ausgeübt iſt, was aktenmäßig feſt⸗ Lae Auftrage ſteht, dann iſt er von ſeiten der Direktion ausgeübt. Dann ſollen am nächſten Tage nur 20 ein⸗ gefahren ſein, und zwar weil „Hetzer“ und „Terroriſten“ die andern verhindert haben. Ich weiß nicht wer die Hetzer und Terroriſten ſind. Ich hatte jeden Augenblick erwartet, daß der Herr Ober⸗ bürgermeiſter auch von Bombenwerfern ſprechen würde! Nein, meine Herren, es hat eine Ver⸗ 1 21. ſtattgefunden, und da werden die Leute ich die Sache überlegt und ſich geſagt haben: ja, wir haben im erſten Schreck die Unterſchrift geleiſtet, 6 221 wir haben aber gar keine Veranlaſſung dazu, — und ſie ſind dann nicht angetreten. Daß ſich 100 Arbeitswillige gemeldet haben, das beweiſt gar nichts. Das iſt nur ein Zeichen dafür, daß ſich in Charlottenbuig ich weiß nicht, ob es Charlottenburger ſind daß ſich 100 Elemente gefunden haben, die ihren kämpfenden Arbeits⸗ brüdern in den Rücken gefallen ſind. Nun noch ein Wort über dieſe ſchreckliche „Anarchie“! Meine Herren, wem man das hört, was der Herr Oberbürgermeiſter erzählt hat, — ja, ich muß ſagen: man könnte wirklich darüber lachen. Alſo es ſoll ein ſehr ſchwerer Ziegelſtein von einem Bau geworfen ſein. Nun, wenn ſolch ein Ziegelſtein auf den Kopf oder einen anderen Körperteil fällt, der wird wohl nicht lebendig davonkommen, ich nehme an, daß die Maurer ihn gleich vom vierten Stock heruntergeworfen haben — ſonſt hätte es ja keinen Zweck. Ein Wagen ſoll in einen Graben umgeworfen ſein! Und von alledem hätte die Polizei nichts gemerkt, die Direktion mußte ſich erſt an die Polizei wenden, mußte erſt Strafanzeige erſtatten! Das glaube, wer will; ich bezeichne es als Ammen⸗ märchen, mit denen man erwachſenen Männern doch nicht kommen ſollte. Es iſt ja dank der Eigen⸗ ſchaften des preußiſchen Staatsbürgers alles wieder in Ordnung. Und das Schönſte bei der ganzen Sache iſt: Sie wiſſen doch alle, wie ſich heute eine gewiſſe Preſſe jedes einzelnen Falles von Terrorismus bemächtigt, wie er ausgebeutet wird, wie da alles Mögliche erzählt wird, natürlich immer nur, um gegen die Sozialdemokratie mobil zu machen, von dieſem ganzen anarchiſtiſchen Zuſtand, der hier in Charlottenburg einige Tage beſtanden hat, hat die Preſſe keine Notiz genommen, nicht einmal die „Poſt“! Ja, das iſt doch wunderbar! (Zuruf: „Neue Zeit!“) — Auch die nicht! Meine Herren, wenn dieſe Blätter, die Blätter der ſcharfmacheriſchen Kreiſe, nicht einmal Notiz davon nehmen, dann können Sie ganz ſicher ſein, daß auch nicht ſoviel an der ganzen Geſchichte iſt. Man ſoll nicht die ganze Sache verdrehen, ſondern wir ſollen uns an den ſpringenden Punkt halten, und das iſt die Frage, ob etwaige Streitig⸗ keiten vorlagen, die zu einem Streik führen konnten. Dieſe Frage muß ich ganz entſchieden bejahen. und zum Schluß nur noch ein Wort. Ich habe es nach meinen langen Erfahrungen für ſelbſt⸗ verſtändlich gehalten, daß der Herr Ober bürgermeiſter ſich einſeitig unterrichtet. Wann hälten wir jemals über eine Arbeiterfrage, über eine Differenz zwiſchen Arbeitern und Unternehmern hier verhandelt, wo der Herr Oberbürgermeiſter nicht ein einſeitiges, ihm von den Unternehmern geliefertes Material hatte? Ich halte es für Pflicht, wenn man unparteiiſch Ratte will, ſich von beiden Seiten die nötige Aufklärung zu verſchaffen, und, meine Herren, doppelt und dreifach hat man dieſe Pflicht, wenn man ſich hinſtellt und von dieſer Stelle aus gegen einen Mitbürger derartige Angriffe und Beſchuldigungen erhebt, ihm derartige Beleidigungen entgegenſchleudert, wie es der Herr Oberbürgermeiſter Herrn Gebert gegenüber getan hat! Vorſteher Roſenberg: Ich muß feſtſtellen, daß nach dem, was ich von der Rede des Herrn Ober⸗ bürgermeiſters verſtanden habe, direkte Beleidigungen des Herrn Gebert darin nicht vorgekommen ſind. (Stadtv. Hirſch: Nal)