Umfange gewährt werden muß: ich habe hier ſchon vor längerer Zeit eine dahingehende Erklärung mit Bezug auf die Gasarbeiter abgegeben. Auf dieſem Standpunkt ſtehe ich nach wie vor. Ich wünſche den Arbeitern das volle Koalitionsrecht in voller Weiſe gewayrt, ſo wie ich es genau in derſelben Weiſe für die Arbeitgeber verlange. Ich möchte im übrigen bemerken, daß ich es nach meinen Erfahrungen immer für bedenklich halte, wenn über den Kopf des Arbeiterausſchuſſes hinweg von dritten Perſonen, mögen ſie nun der Organiſation vorſtehen oder nicht, angehören oder nicht, und mögen ſie mit den Arbeitern noch ſo enge Fühlung haben, — wenn über den Kopf des Arbeiteraus⸗ ſchuſſes hinweg mit der vorgeſetzten Behörde oder mit Verbänden oder einzelnen Arbeitgebern verhandelt wird. Ich kann das eigentlich gar nicht verſtehen, weshalb ſich die Arbeiter einen Arbeiteransſchuß wählen und bei der erſten Gelegenheit, wo er in Tätigkeit treten ſoll, ihn dadurch desavonieren, daß ſie einfach Uber ihn hinweggehen. (Sehr richtig!) Gewöhnlich entſteht dabei — das zeigt die Erfahrung — nichts Gutes, weder für die eine noch für die andere Partei. Ich habe geſagt, daß ich mich auf die außerhalb der eigentlichen Frage liegenden Dinge nicht einlaſſen werde. Ich will gar nicht unterſuchen, von welcher Seite her Terrorismus geübt iſt, ob hier die Hunger⸗ peitſche oder dort der Knüppel geſchwungen iſt. Das iſt ganz gleichgültig; darauf kommt es hier nicht an. Es kommt lediglich auf folgendes an: hier liegt ein Vertrag vor, den die Stadt Charlottenburg mit einer juriſtiſchen Perſon geſchloſſen hat. Ich nehme an, daß die Stadt Charlottenburg keine Verträge ſchließt zum Spaß, ſondern daß ſie, wenn ſie Verträge ge⸗ ſchloſſen hat, auch darauf hält, daß dieſe Verträge auch vollinhaltlich, nicht nur dem Buchſtaben nach. ſondern auch dem Sinne nach, erfüllt werden, und ich würde durchaus auf die Seite des Herrn Stadtv. Hirſch treten, wenn ich ſinden könnte, daß hier eine Verletzung des Vertrages vorliegt. Davon bin ich aber nicht überzeugt worden. Stadtv. Hirſch: Selbſtverſtändlich!) — Das iſt durchaus nicht ſelbſtverſtändlich, das nehme ich ohne weiteres an, es iſt aber durchaus nicht ſelbſtverſtändlich. Die Sache liegt ſo. Unzweifelhaft iſt darin Herrn Stadtv. Hirſch recht zu geben, daß nicht immer voller Friede geherrſcht hat, daß kleine Streitigkeiten ſtattgefunden haben, und man könnte ſagen: ja, wenn irgend ein Streit zwiſchen Direktion und Kutſcher eintrat, ſo mußte daß Einigungsamt angerufen werden. Ein jeder Streit kann ſchließlich zum Streik führen, wenn man ſo will. Aber, meine Herren, dieſe Auslegung haben wir doch bei der Ab⸗ faſſung dieſes Vertrages nicht gewollt, und dieſe Auslegung kann kein vernünftiger Menſch gewollt haben. Denn dann würde das Einigungsamt nichts weiter zu tun haben, als ſich jeden Tag mit dieſen Streitigkeiten zwiſchen der Direktion und dieſen Kutſchern zu beſchäftigen. Es iſt klar, daß das nicht gemeint ſein kann. Nun ſagt Herr Stadtv. Hirſch: ja, es iſt aller⸗ dings zum Streik nicht gelommen, und zwar des⸗ wegen, weil die Geſellſchaft von ihrem Kündigungs⸗ recht Gebrauch gemacht hat (Stadtv. Hirſch: Ohne Kündigung!) — von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat. (Stadtv. Hirſch: Ausgeſpert! Ohne Kündigung!) 224 Sie nennen das ausgeſperrt; die Direktion hat ge⸗ ſchrieben: Sie find entlaſſen. (Stadtv. Hirſch: Das nennen Sie Kündigung?) Sie ſind entlaſſen worden; die Geſellſchaft hat von dem ihr geſetzlich zuſtehenden Recht der Entlaſſung Gebrauch gemacht, (Stadtv. Hirſch: Ja, Entlaſſung!) und wenn ſie etwas anderes getan hätte, nun, ſo gibt es ja auch noch ein Amtsgericht in Charlotten⸗ burg, wo die Arbeiter ihr Recht zivilrechtlich geltend machen können! Ich habe vorhin betont, daß ich das Koalations⸗ recht für die Arbeiter wünſche, aber ebenſo gut für die Arbeitgeber. Infolgedeſſen kann ich auch nicht zugeben, daß eine Entlaſſung innerhalb der vor⸗ geſchriebenen Zeit reſp. mit Auszahlung der rück⸗ ſtändigen Löhne eine Maßregel wäre, die als Terrorismus zu bezeichnen iſt. Das iſt ebenſowenig Terrorismus, als wenn die Arbeiter, denen es in irgendeinem Betriebe nicht mehr gefällt, zur vor⸗ geſchriebenen Zeit ihre Entlaſſung einreichen. Dazu haben ſie das volle Recht. Nun alſo: liegt das hier vor, ſo liegt kein Streit vor, welcher zum Streik zu führen drohte, und damit fällt nach meiner Meinung auch die Möglichkeit, gegen die Geſellſchaft vorzugehen und ſie zu zwingen, jetzt noch nachträglich zumEinigungs⸗ amt zu gehen. Was ſoll ſie eigentlich da. nachdem die Verhältniffe geregelt ſind? (Stadtv. Hirſch: Jetzt nicht!) Es iſt etwas anderes, ob Sie vielleicht ſagen können: das ganze Vorgehen der Geſellſchaft kommt einer Umgehung des Vertrages inſofern gleich, als ſie eine Ausſperrung vornehmen (Stadtv. Hirſch: Das iſt es doch!) und dadurch ſolche Streitigkeiten, die zum Streik führen könnten, ab ovo unmöglich machen kann. Uber dieſen Punkt könnten wir ſtreiten, darüber könnten wir ſprechen. (Stadtv. Hirſch: Darüber ſprechen wir jal) Darüber hätten wir aber ſprechen müſſen, als der Vertrag gemacht wurde. Hier handelt es ſich lediglich um die rein juriſtiſche Frage: wie iſt der Vertrag, der geſchloſſen iſt, auszulegen? liegt eine Verletzung des Vertrages vor? Wenn Ihnen der Vertrag nicht gefällt, ſo hätten Sie einen anderen machen müſſen, und wenn auch dieſe Fälle vor das Einigungsamt zu weiſen ſind, nun gut, ſo hätten Sie recht, dann hätte die Geſellſchaft den Vertrag verletzt. In dieſem Falle kann ich nicht einſehen, daß ſie ihn verletzt hat. Deswegen ſehe ich auch keine Möglichkeit für den Magiſtrat, hier vorzugehen. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, Herr Kollege Frentzel hat vollkommen recht, wenn er ſagt, daß die Debatte ſich zunächſt um etwas gedreht hat, was nicht zur Frage ſtand. Das iſt aber nicht Schuld der Interpellanten, ſondern es iſt Schuld der Antwort des Vertreters des Magiſtrats, der etwa in neun Zehnteln ſeiner Ausführungen auf. Dinge geantwortet hat, die nicht in Frage ſtanden. Infolgedeſſen iſt es auch mir nicht möglich, mich auf die in Rede ſtehende Frage zu beſchränken, ſondern ich muß eben auch auf dieſe Ausführungen etwas eingehen. Und wenn der Herr Oberbürgermeiſter gefunden hat, daß Herr Kollege Hirſch etwas verlegen bei ſeiner Poſition war, — ich habe das nicht finden können; aber ich verſpreche dem Herrn Oberbürger⸗ meiſter, daß er bei mir irgendwelche Verlegenheit nicht wahrnehmen wird.